Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

In widersprüchlichen Anforderungen verstrickt

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Semesterbeginn im Herbst – das ist meistens eine turbulente Sache, aber dieses Jahr erscheint es mir besonders turbulent. Wir sind dieses Semester für den Bachelor (BA) und Master (MA) „Medien und Kommunikation“ mit einer neuen Studien- und Prüfungsordnung gestartet. Der Hintergrund ist der, dass unser „alter“ BA und MA (gestartet im Wintersemester 2001/02) den jetzt geltenden Vorstellungen insbesondere von Akkreditierungsagenturen nicht gerecht werden würde (zu frei, zu flexibel). Also haben wir nun „nachgebessert“, manche Löcher gestopft und – wie so viele andere auch – mehr Pflichtbereiche definiert und Vereinbarungen mit Nebenfächern etc. getroffen. Ich finde, unser Studiengang ist bisher recht gut gelaufen, auch wenn wir viel improvisiert haben. Damit aber ist jetzt Schluss, was aber nicht nur an der neuen Prüfungs- und Studienordnung liegt, sondern auch an wachsenden Ansprüchen an „rechtsgültigen Leitlinien“. Ich will mich hier nicht über Details auslassen, aber ich empfinde vor allem Folgendes als zeitraubend (vor allem in der Rolle als Vorsitzende des Prüfungsausschusses) und auch als belastend: Einerseits sollen wir als Fachvertreter die Gleichwertigkeit von Leistungen feststellen, wenn diese außerhalb des regulären Curriculums erbracht wurden – also z.B. im Ausland, in einem Fach, das an sich nicht vorgesehen war, aber jetzt eine durchaus passende Veranstaltung anbietet, bei der Virtuellen Hochschle Bayern usw. Andererseits aber gibt es permanent Probleme in der Verwaltung, wenn diese Veranstaltungen nicht schon Wochen oder Monate vorher erfasst, im Prüfungsamt aufgelistet u. ä. werden. Noch schwieriger wird es, wenn z. B. im Nebenfach Master-Studierende auch mal eine BA-Veranstaltung besuchen wollen, weil der Inhalt für sie neu ist und sie eben auch im Master noch ihren Horizont erweitern wollen.

All das ging bisher durch genaue inhaltliche Prüfung (passt es im einzelnen Fall?) relativ problemlos und in meinen Augen war genau das „Bologna-konform“: nämlich die Anerkennung von Leistungen, die man nicht zu einer bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort erbracht hat (nur nebenher: das ist auch die Voraussetzung für Mobilität). Nun aber wird immer deutlicher, dass dieser Freiheit viele Grenzen gesetzt sind – überall herrscht in der Verwaltung Angst vor Klagen seitens der Studierenden: Wenn man großzügig etwas anerkennt, beim nächsten Fall aber Bedenken hat (weil der Einzelfall halt anders ist), könnte letzterer klagen. Also besser nichts anerkennen, was nicht eindeutig und vorher festgelegt worden ist. Genau das aber nimmt einem jede Flexibilität und das führt auch das Grundprinzip ad absurdum, dass an sich der Fachvertreter entscheiden sollte, ob etwas gleichwertig ist oder eben nicht.

Ich will da gar nicht die Verwaltungen oder gar einzelne Personen „anklagen“, denn aus der juristischen und administrativen Logik mögen die jetzige Vorsicht und die daraus resultierenden restriktiven Folgen gerechtfertigt sein. Vielmehr haben wir da einen ganz gewaltigen grundsätzlichen Webfehler, der mir ehrlich gesagt nicht nur Zeit, sondern bald auch den letzten Nerv raubt. Natürlich ist es erstrebenswert, Studierende vor der Willkür etwa einzelner Professoren zu schützen (z.B. in Anerkennungsfragen). Ich habe aber den Verdacht, dass sich die Studierenden bald nach genau diesen Entscheidungen von Professoren zurücksehnen werden, nämlich dann, wenn das unpersönliche Kontroll- und Sicherungssystem so undurchschaubar wie das Steuersystem geworden ist, das keiner mehr richtig durchblickt. Wenn es also in nächster Zeit etwas stiller in diesem Blog werden sollte, dann schlage ich mich wahrscheinlich mal wieder mit Anerkennungsanträgen und Rechtfertigungen vor dem Prüfungsamt herum oder habe mich vollends in widersprüchlichen Anforderungen verstrickt.

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