Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Hellseher gesucht

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Vor kurzem habe ich an einer Expertenumfrage teilgenommen, bei der man zwar nicht hellsehen, aber doch irgendwie in die Zukunft schauen und seine Einschätzung abgeben muss, wie sich eine bestimmte Technologie bis zu einem bestimmten Jahr in einem bestimmten Bereich entwickeln wird. Gut ist ja schon mal, dass es dabei schon lange nicht mehr digitale Technologien an sich geht, sondern dass verschiedene Technologiegruppen unterschieden werden. Auch werden die Bereiche eingegrenzt: z.B. Schulen, Hochschule, Unternehmen.

Trotzdem: Mir ist da nie wohl dabei. Erstens ist auch die genannte Differenzierung immer noch viel zu grob. Kann man z.B. Mittelstandsfirmen mit großen Konzernen in einen Topf werfen, eigentümergeführte Betriebe mit AGs vergleichen? An den Hochschulen wissen wir, wie groß die Unterschiede zwischen den Disziplinen sind sowohl in Bezug auf die Lehre als auch in Bezug auf die Forschung – ist es sinnvoll, das in einem Atemzug zu behandeln bzw. zu bewerten? Zweitens mischen sich bei Antworten innerhalb von Umfragen ja doch immer wahrscheinliche und erwünschte Szenarien. Wenn ich mich da selbst beobachte, merke ich, dass ich das beim Antworten nicht immer ganz auseinanderhalte – ja vielleicht auch gar nicht auseinanderhalten will, denn: Wenn etwas zwar unwahrscheinlich, aber immerhin wünschenswert ist, können ja die Wünsche einer kritischen Masse von Experten auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen oder? Meinungen konstruieren Wirklichkeit zumindest mit. Drittens frage ich mich, was das eigentlich bringt: Ist das verkappte Marktforschung, damit zur rechten Zeit die rechten Produkte platziert werden? Oder glaubt jemand im Ernst, dass anhand solcher Ergebnisse Curricula umgeschrieben und Lehrende fortgebildet werden?

Meine Skepsis gegenüber diesen Studien nimmt auch den „Horizon Report“ nicht aus, der – einige Blogger haben bereits darauf verweisen – auch in deutscher Sprache vorliegt (kann man hier abrufen). Positiv ist, dass der Report am Ende eine recht genaue Beschreibung des Vorgehens liefert, also zumindest Transparenz schafft, wie die Ergebnisse zustande kommen. Die Resultate dieses Berichts wirken nicht eben sonderlich überraschend: Open Content und mobile Rechnernutzung – so die Vorhersage – werden sich kurzfristig in Lehre und Forschung durchsetzen. Elektronische Bücher und einfache Formen der „augmented reality“ (will heißen: Verschmelzung digitaler und realer Aktivitäten) werden mittelfristig wichtiger werden, und die visuelle Datenanalyse sowie gestenbasiertes Computing (im Unterhaltungsbereich bereits existent) stehen am langfristigen Zeithorizont. Mal ungeachtet davon, dass es meines Wissens schon eine ganze Reihe von Forschern gibt, die mit der visuellen Datenanalyse in Forschung und Lehre arbeiten, kann ich mir eher nicht vorstellen, dass sich Hochschulen in zwei bis drei Jahren (das gilt heute schon als langfristig) mit spielkonsolenähnlichen Geräten ausstatten werden. Vielleicht sollten wir uns manchmal mehr um die Gegenwart und darum kümmern, wie wir die aktuellen Probleme lösen könnten.

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