Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Weltraummüll

| 7 Kommentare

Christian Spannagel hat – neben einigen anderen interessanten Berichten aus Maputo – in seinem Blog am Ende des letzten Beitrags über den Einsatz von Wikis auf ein aus meiner Sicht wichtiges Problem hingewiesen, zu dem sich auch einige Leser in Kommentaren geäußert haben. Er schreibt: „Es ist zwar gut verstanden worden, wie man mit einem Wiki arbeitet und wofür das gut ist. Allerdings sind die inhaltlichen Ergebnisse nicht sonderlich überzeugend. Problem: Was macht man jetzt? Die Studierenden arbeiten nicht mehr darin, und die Ergebnisse stehen nun mehr oder weniger halbfertig und halbkorrekt im Internet. Soll ich das als Dozent verbessern? Soll ich einen Kommentar auf die Seite schreiben, der die Inhalte relativiert?“ Den Kommentaren kann man entnehmen, dass diese Erfahrung unabhängig von der Nationalität der Lernenden und von der Person des Lehrenden ist: Viele Angebote, gerade auch solche, die man mit Hilfe von Web 2.0-Anwendungen, macht, werden von wenigen oder auch mal gar keinen Studierenden aufgegriffen, sofern es nicht unmittelbar prüfungsrelevant oder sonst irgendwie „erzwungen“ ist. Für die Qualität dieser Inhalte kann man auch nicht die Hand ins Feuer legen – das kann sehr gut, okay oder auch schon mal einfach nur schlecht und/oder schlampig sein. Sind diese Dinge öffentlich zugänglich, ist Christians Frage, wie man damit umgehen soll, auf jeden Fall gerechtfertigt.

Dass das – wie einige Kommentatoren meinen – „nicht so schlimm“ sei und man sich „keinen Stress machen“ solle, ist mir zu einfach. Müssen wir als Lehrende wirklich auch noch dazu beitragen, dass global verstreute Inhalte, die nichts taugen, an Umfang wachsen und dann wie Weltraummüll nicht mehr eingefangen werden können? Dass man – so ein anderer Vorschlag – das Ergebnis umbenennen solle „weg vom Inhalt hin zum Prozess“ (als „work in progress“) erscheint mir schon sinnvoller, aber auch nicht optimal, denn: Wenn man eh weiß (oder erwartet), dass z.B. das Wiki ein Friedhof bleiben wird, ist dann der Hinweis auf einen wie auch immer gearteten Fortschritt wirklich gerechtfertigt? Dann also besser keine Öffentlichkeit für “Wissensprodukte“, die aus der Lehre kommen? Das wäre dann auch eine extreme Reaktion, denn es gibt sie auch – die tollen Ergebnisse, auf die man als Lehrender stolz ist. Deswegen bin ich auch ein bisschen stolz auf das immer noch existierende w.e.b.Square in Augsburg, wo wir zumindest mal EINE Lösung für einen TEIL des skizzierten Problems gefunden haben. Jedenfalls bin ich inzwischen der Meinung, dass man besser nicht alle möglichen studentischen Inhalte gleich veröffentlichen sollte, dass man als Lehrender auf die Qualität der öffentlich zugänglichen Inhalte achten oder andere Strategien einführen muss, dass so etwas wie Qualitätssicherung stattfindet, und dass halbfertige oder schlechte Inhalte zwar öffentlich reflektiert werden können, aber ansonsten (ohne Reflexion) besser den Papierkorb wandern sollten.

7 Kommentare

  1. Hallo Gabi,
    bei w.e.b.Square gab es ja auch die Phase, in der wir dachten, wir könnten jedes studentische Ergebnis online stellen – also nicht wir, sondern die User selbst – ohne Qualitätsgarantie. Rückblickend muss man sich eingestehen, dass das nicht funktioniert hat, vor allem auch deswegen, weil die Seite mal aktuell war und mal nicht, und vor allem auch, weil die Nutzer nicht wussten, ob das jetzt gute oder schlechte Vorbilder zum Lernen sein sollten. Daher sind bei der Überarbeitung von w.e.b.Square im Jahr 2008 ganz bewusst den „Schritt zurück“ gegangen, also zu einer Redaktion mit jemandem, der die Inhalte und die Ausgabenplanung wie in einer Chefredaktion betreut, mit studentischen Mitarbeitern, die das koordinieren helfen und eben auch mit weiteren Studierenden im Begleitstudium, die sich punktuell mit ihren Fähigkeiten in die Ausgestaltung und Fortentwicklung der Online-Zeitschrift einbringen konnten. Dieses Modell entspricht nun viel mehr dem, was Studierende von universitären Unterstützungsangeboten erwarten (nämlich hohe Qualität UND Zuverlässigkeit) und was für uns handhabbar ist (auch wichtig!). Und dass w.e.b.Square noch besteht, naja, ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass wir an den reflektierten Web-2.0-Weg glauben und natürlich auch daran, dass sich Studierende vielmehr über die Lern- und Wissensprodukte ihrer Kommilitonen austauschen sollten, hierzu aber einen „Raum“ brauchen. Ich bin jedenfalls ganz froh mit der Entwicklung und hoffe sehr, dass wir das Projekt weiter am Leben erhalten können.
    Liebe Grüße,
    Sandra
    PS: Gabi kennt die Entwicklung von w.e.b.Square natürlich sehr gut. Wen die Genese und Weiterentwicklung von w.e.b.Square auch näher interessiert, kann sich in einem Preprint von mir nochmals genauer umsehen: http://www.imb-uni-augsburg.de/files/websquare_final.pdf (ist jetzt allerdings auch schon wieder fast ein Jahr alt :S).

  2. Pingback: Weltraummüll « CIPPool

  3. Danke. So mache ich es z.Zt.. Bloggen im gesicherten Raum, gemeinsam mit den Lernenden entscheiden, was sich veröffentlichen lässt, ggf. auf Basis meiner Kompetenzen eine Entscheidung treffen, je nach Klassenstufe.
    Gruß,
    Maik

  4. @Sandra Ich kann dein Argument gut nachvollziehen (Qualität durch Redaktion). Bei euch dreht es sich aber (wenn ich das richtig verstanden habe) um Produkte. Ich möchte gerne Prozesse online stattfinden lassen, und zwar öffentlich, damit auch andere Personen außerhalb einer Lehrveranstaltung potenziell mit eingebunden werden können.
    Hier ist redaktionelle Arbeit gar nicht möglich, wenn man den Prozess nicht stören will. Man kann und sollte höchstens unterstützend in den Prozess eingreifen, das löst aber nicht das Problem, dass das, was online steht, oft nur halbfertig ist und das auch bleibt…

  5. @Christian: Das war auch der Grund, warum ich sagte, dass wir mit w.e.b.Square EINEN Aspket dieser schwierigen Fragen mal angegegangen sind und dass es EINE Lösungsstrategie ist, die – das steht außer Zweifel – aufwändig und keinesfalls immer, wahrscheinlich sogar nicht mal oft, geeignet ist. Will man den PROZESS öffentlich (und nicht wie Maik im geschlossenen Raum) abbilden, dann müsste man sich quasi „drumherum“ noch was einfallen lassen, denke ich. Da eben war meine Ansicht, dass ein „work in progress“-Label nicht reichen könnte.
    Gabi

  6. Pingback: Einstieg in Wikis (im Unterreicht) | Tim Schlotfeldt » E-Learning

  7. @ Christian: Um den Lernprozess im Seminar abzubilden, haben wir in den letzten beiden Jahren bei w.e.b.Square einen Blog genutzt – auch öffentlich, aber eben klar zu unterscheiden von den fertigen Lernprodukten, die der Qualitätssicherung in doppelter Form unterliegen (Bewertung durch Dozent, Begutachtung durch Redaktion). Ansonsten sehe ich es wie Gabi: „Nur“ Work-in-Progress ist für alle Beteiligten ehe unbefriedigend und schafft meistens viele Probleme, denen die Studierenden, teils aber auch die Lehrenden nicht recht gewachsen sind.

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