Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Rauskommt, was man reingesteckt hat

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Kürzlich habe ich einen interessanten Text von Malte Brinkmann zur „pädagogischen Empirie“ gelesen – in der Zeitschrift für Pädagogik, 61 (4), 2015 (S. 527-545). Ausgangspunkt ist die Debatte bzw. Kontroverse über das Verhältnis von „erziehungswissenschaftlicher Theorie, qualitativer oder quantitativer Empirie und pädagogischer Praxis“ (S. 527) bzw. das „Zirkelproblem sozialwissenschaftlicher Forschung“ (S. 529). Mit den Worten Brinkmanns: „Der vermeintlich deskriptive Anspruch empirisch-quantitativer Bildungsforschung setzt nicht nur Normativität voraus, sondern diese wird – zirkulär – in der Praxis wieder hervorgebracht“ (S. 529). Oder mal ganz vereinfacht ausgedrückt: Rauskommt, was man reingesteckt hat, und dann richtet sich danach.

Mich hat der Beitrag zunächst (auf den ersten Seiten) an einen anderen Text von Stefan Hirschauer („Die Empiriegeladenheit von Theorie und der Erfindungsreichtum der Praxis“) erinnert, über den ich vor etlichen Jahren (hier) berichtet hatte (und der mal online verfügbar war, jetzt aber leider nicht mehr). Allerdings geht es hier bei Brinkmann doch um einen anderen Ansatz, den er „phänomenologisch orientierte pädagogische Empirie“ nennt. Auch Pranges operative Pädagogik, die ich nach wie vor für die Didaktik interessant finde (hier habe ich mich mal näher mit Prange befasst) kommt darin vor – allerdings mit deutlichen Ergänzungen. Eine produktive Antwort auf den Zirkel sieht Brinkmann in der phänomenologischen Reduktion, Variation und Ideation – keine leichte Sprache und auch die Erläuterungen sind, so meine Einschätzung, voraussetzungsreich (das hatte ich bereits bei Brinkmanns bemerkenswertem Buch zu Pädagogik des Übens – hier – festgestellt). Ich habe das so verstanden: Reduktion ist die Voraussetzung für den Versuch, im Forschungsfeld das zu sehen, was sich zeigt, ohne von vornherein das Sichtbare nur als Indikator für etwas dahinter Liegendes wahrzunehmen. Es gilt also, Sache und Interpretation erst mal zu unterscheiden (Reduktion), um dann das zu sehen, was sich selbst zeigt. Mit der Variation kommt dann sogar das Fiktionale ins Spiel: Andere Perspektiven werden auf das, was man sieht, angewandt, man probiert quasi aus, was sich noch zeigen kann. Brinkmann verweist dabei explizit auf die Abduktion, die hier zum Vorschein kommt, und spricht vom „Entwurf von Neuem in der pädagogischen Erfahrung“ (S. 534).

Leicht zugänglich sind diese – und weitere – Überlegungen leider nicht und ich frage mich, ob es wirklich zwingend ist, die sprachliche Darstellung so voraussetzungsreich zu gestalten (kann man das alles verstehen, ohne Husserl, Gadamer, Buck und Co gelesen und verstanden zu haben?). So gesehen ahne ich nur, was ich da lese, und vermute mehr als es feststellen zu können, dass Brinkmanns Ausführungen auch für die Hochschuldidaktik (als einer Allgemeinen Didaktik und damit in einem engen Bezug zur Erziehungswissenschaft stehend) wichtig sind. Die Verschränkung von Theorie, Empirie und Praxis, die Rolle der Normativität und die Frage danach, wie man zu Theorien kommt, die wiederum dabei helfen, Bildungspraxis auch zu verändern, sind Themen, die für die Hochschuldidaktik von großer Bedeutung sind. Design-Based Research (DBR) nimmt sich dieser Themen ebenfalls an, bedarf aber selber noch Impulse für viele offene Fragen, und vielleicht ist die „phänomenologisch orientierte pädagogische Empirie“ auch ein Anker für eine didaktische Empirie entweder in oder auch neben DBR.

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