Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Warum ich lieber lehre als in Gremien sitze

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Warum wird man Professor an einer deutschen Universität? In der Regel, weil man forschen will, nicht aber, weil man ein enthusiastischer Lehrer ist und auch nicht, weil man die akademische Selbstverwaltung so toll findet. Beides – Lehre und Gremienarbeit im weitesten Sinne (die, wie z.B. dieser Artikel hier zeigt, durchaus wichtiger ist denn je) – gehören aber neben der Forschung zum „Berufsbild“ eines Professors. Je nach Erfahrung, Kompetenz und persönlicher Zielsetzung integriert man das auf unterschiedliche Weise mal besser, mal schlechter in den akademischen Alltag.

Ich bin jetzt seit fast 17 Jahren Professorin. In den ersten neun bis zehn Jahren war der Anteil an akademischer Selbstverwaltung noch recht überschaubar und beschränkte sich auf Gremienarbeit rund um unseren damaligen Bachelor- und Masterstudiengang, was entsprechend nah an der Lehre war. Von „alten Hasen“ bekam ich dann öfter zu hören, dass ich „politisch“ aktiver sein solle, weil man nur durch „Mitmischen“ etwas bewirken könne. Ich habe mir das durchaus zu Herzen genommen. An der nächsten Uni war ich Mitglied etlicher Gremien und auch zwei Jahre lang Studiendekanin. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, wirklich etwas bewirkt zu haben, obwohl ich mich ziemlich angestrengt hatte. Mein Erfahrung war: bloß nicht viel verändern, denn Veränderung erzeugt Widerstand. Trotzdem war ich immer noch davon überzeugt, dass meine Ratgeber sicher Recht haben und ich mich einfach nicht klug genug angestellt hatte. In meiner vergleichsweise kurzen Zeit an der Zeppelin Universität waren die Verhältnisse zwischen Forschung, Lehre und Verwaltung/Management im Vergleich zu meinem „vorherigen Leben“ geradezu auf den Kopf gestellt und ich brauchte nicht lange, um zu erkennen: Langfristig würde ich daran eingehen. Dazu kam, dass ich auch hier – nun ja, sicher aus anderen Gründen – nicht eben viel bewirkt habe. Und jetzt bin ich seit eineinhalb Jahren wieder sozusagen „normale Professorin“ mit annähend „normalen“ (was immer das im Einzelnen ist) Verhältnissen, was den Dreiklang von Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung betrifft.

In dieser Woche liegen zwei volle Tage Lehre hinter mir (Tobias hat hier bereits davon berichtet). Das war anstrengend, zumal da wir mit unserem Master gerade vor einigermaßen großen Herausforderungen stehen (was dessen Status und Einbindung an der Universität betrifft – aber dazu ein andermal) und das hat natürlich Auswirkungen auf die Stimmung unserer Teilnehmer/innen. ABER: Nach fast jeder Veranstaltung (auch nach dieser) weiß ich, dass ich lieber lehre als in Gremien sitze. Warum ist das?

In der Lernpsychologie spielt das Konzept der Selbstwirksamkeit eine große Rolle. Und ich glaube, dass diese auch für die hier aufgeworfene Frage von Bedeutung ist. Man müsste wohl verschiedene Formen von „Wirksamkeit“ unterscheiden: Wann fühlt man sich „wirksam“? Welche Qualität und welche Quantität muss eine Wirkung haben, um sich als wirksam zu fühlen? Das heißt: Muss die Wirkung sehr groß oder einigermaßen groß sein oder reichen auch kleine Wirkungen, um Selbstwirksamkeit zu erleben? Oder kommt es darauf gar nicht an, sondern auf die persönliche oder von anderen definierte Relevanz der Wirkung oder – damit zusammenhängend – auf die Form der Wirkung (Wirkung auf einzelne Menschen und deren Denken oder Handeln, Wirkung auf Systeme und deren Regeln etc.)? Oder es hat damit zu tun, wie direkt oder indirekt, wie selbst-kontrolliert oder sozial abhängig eine Wirkung erzielt werden kann? Eine Analyse der potenziellen Wirkung von Lehre und Gremienarbeit würde wahrscheinlich zeigen, dass wir es hier mit sehr verschiedenen Wirkungen (quantitativ und qualitativ) zu tun haben. Und vielleicht unterscheiden sich Menschen darin, welche Wirkungen sie erzielen müssen, um sich selbstwirksam zu erleben. Auf diesem Wege käme man unter Umständen zu einer Erklärung, warum jemand lieber Lehre als Politik (in der Gremienarbeit) oder umgekehrt lieber Politik als Lehre macht. Interessant sind dann natürlich auch diejenigen, die beides gleich gerne machen – das sind dann vielleicht die Experten in Sachen Selbstwirksamkeit 😉

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