Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Akademischer Kapitalismus

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Ein aktueller Artikel in der Zeitschrift Higher Education Research & Development (Vol. 36, Issue 1) von Kirsten Sadler, Mark Selkrig und Catherine Manathunga (Victoria University in Melbourne) beschäftigt sich mit „arts-informed“-Ansätzen in der qualitativen Sozialforschung. Unter dem Titel „Teaching is … opening up spaces to explore academic work in fluid and volatile times“ beschreibt der Beitrag ein Verfahren zur Exploration von individuellen Auffassungen zu Lehre und Lehren, das Elemente der Kunst mit partizipatorischen Elementen verknüpft (die Zusammenfassung gibt es hier online, den Rest via Uni-Bibliothek).

Das mag auf den ersten Blick mal wieder besonders weit weg erscheinen von der klassischen bildungswissenschaftlichen und didaktischen Forschung (vielleicht ähnlich weit weg wie der autoethnografische Ansatz – siehe hier). Auf den zweiten Blick liefert der Text aus meiner Sicht interessante Perspektiven vor allem zur Eruierung von Vorstellungen zur Lehre, an die man ansonsten schlecht herankommt. Ausgangspunkt der Autoren ist die Beobachtung, dass die Lehre in Zeiten des „akademischen Kapitalismus“ (p. 172) zunehmend unter Druck gerät (das erinnert mich an Münchs „intellektuellen Kapitalismus“ – siehe hier; wie lang das schon wieder her ist!) und dass sich Wissenschaftler, die sich in der Lehre engagieren, mit verschiedenen Widersprüchen konfrontieren sehen. Die Identität der Lehrenden, so die Autorinnen, sei letztlich wenig erforscht. An diese Identität aber komme man mittels Sprache und numerisch auszuwertender Erhebungen schwer heran. Daher setzen sie auf Methoden, die als „visual arts-informed“ charakterisiert werden. Die Idee besteht darin, dass Lehrende Postkarten und Poster (ähnlich einer Kollage) gestalten und dabei selbst gewählte Bilder mit Textgenres ihrer Wahl kombinieren. Da der Aufwand eines solchen Vorgehens für die „Beforschten“ hoch ist, werden diese kurzerhand in den gesamten Forschungsprozess als Akteure integriert, also auch an der Auswertung beteiligt (das ist das partizipatorische Moment).

Der Beitrag beschreibt gut verständlich das Vorgehen, gibt einen Überblick über die Ergebnisse anhand von Beispielen und diskutiert die Chancen und Grenzen des methodischen Ansatzes. Die Ergebnisse selbst zeigen meiner Einschätzung nach durchaus, dass ein solches alternatives Ergebungs- und Auswertungsverfahren, das den Beteiligten eine ganz andere Form des Selbstausdrucks ermöglicht, auch tatsächlich andere Seiten der Auffassung von Lehre und Lernen zum Vorschein bringen als Fragebogenuntersuchungen. Die Autoren fassen es so zusammen: „ … our findings reveal academics hold views of teaching that are rich in emotion, passion and diversity“. Allerdings scheinen die Autoren selbst Probleme mit der Interpretation ihrer Ergebnisse haben. Jedenfalls bleibt der Beitrag am Ende etwas dünn, wenn es um die Frage geht, wie man die erzielten Resultate nun deuten und verwenden kann. Trotzdem finde ich derartige Berichte wichtig und inspirierend, zeigen sie doch die Vielfalt an Forschungsmethoden und den enormen Spielraum an Erkenntnismöglichkeiten auf, den man gerade in der Hochschuldidaktik aus meiner Sicht viel mehr und kreativer nutzen könnte.

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