Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Ein mächtiger Rahmen

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Die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz haben in Abstimmung mit dem BMBF Anfang 2017 eine Neufassung des „Qualifikationsrahmens für deutsche Hochschulabschlüsse“ (kurz HQR) beschlossen (siehe hier). Es handelt sich dabei um eine „systematische Beschreibung der Qualifikationen, die das Bildungssystem eines Landes hervorbringt“ (S. 2). Ziel ist es, Qualifikationen (also auch verschiedene Hochschulabschlüsse) besser vergleichbar zu machen. Seit ein paar Wochen kann man das hier online abrufen. Ich bin unschlüssig, was ich davon halten soll.

Auf der einen Seite thematisiert der Rahmen viel, was wir etwa im Zuge unserer Arbeiten im Begleitforschungsprojekt FideS bearbeiten. Beispielhaft sei auf die folgende Leitlinie (S. 3) verwiesen: „Der HQR beschreibt als generische Kompetenzentwicklung die Fähigkeit zu reflexivem/innovativem Handeln. Als domänenspezifische Kompetenzentwicklung wird die Befähigung zur Wissensgenerierung/Innovation mit wissenschaftlichen Methoden aufgefasst. Letztere findet in fachspezifischen Kontexten disziplinär oder ggf. interdisziplinär organisiert statt. Im Weiteren wird deshalb zwischen reflexiver Wissensanwendung (unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse) und kritischer Wissensgenerierung (mit wissenschaftlichen Methoden) unterschieden: Nutzung/Transfer und wissenschaftliche Innovation.“ Mal unabhängig davon, dass der Sprachstil wirklich alles andere als lesefreundlich ist, wird deutlich, dass hier für eine klare Forschungsorientierung votiert wird – mit gutem Willen könnte man darin auch eine Übersetzung der Idee einer „Bildung durch Wissenschaft“ entdecken.

Auf der anderen Seite sind die nachfolgenden Beschreibungen der Bachelor-, Master- und Promotionsebene nach den Kategorien Wissensverbreiterung, Wissensvertiefung, Wissensverständnis, Nutzung und Transfer, wissenschaftliche Innovation derart abstrakt und mechanisch angewendet, dass ich mich frage, was genau das eigentlich mit der Bildungswirklichkeit zu tun hat. Ist nicht Verstehen eine Grundkategorie, von der aus alles Weitere zu denken wäre? Ist nicht jedes echte Durchdenken etwa eines Arguments oder einer empirischen Erkenntnis auch schon eine irgendwie geartete „Nutzung“? Ich bin eigentlich immer weniger von den nun überall verbreiteten Taxonomien überzeugt, die letztlich so tun, als sei Wissen ein „Ding“, das man wahlweise einfach nur anschauen, mit sich herumtragen, als Werkzeug verwenden oder vielleicht sogar wieder verkaufen kann. Ich habe das früher zugegebenermaßen selber auch als unproblematischer angesehen. Aber genau das fällt mir immer schwerer.

Und nun steht das da so in einem mächtigen Rahmen und es wird zunehmend unser Denken und Handeln in den Hochschulen prägen; unsere Sprache hat es schon geprägt … Also vielleicht bin ich doch nicht so unschlüssig, was ich davon halten soll: nicht (mehr) viel!

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