Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Didaktik-Bashing

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„Ich hatte schon immer das Gefühl, dass wir in Deutschland eine falsche Bildungsdiskussion führen, denn bei uns steht immer die Didaktik im Vordergrund, anstatt auch mal … Technik oder auch Usability und User Experience zu erwähnen“, schreibt hier Andreas Wittke und erläutert im dazugehörigen Blogbeitrag seine Position. Ich finde, da beginnt (und endet) der Autor mit einer steilen These, die durchaus interessant ist; auch kann ich in diesem Beitrag einiges finden, das ich unterschreiben würde …

so z.B.:

  • den Hinweis, dass „Datenschutz, Rechtssicherheit, Qualitätssicherung und das Urheberrecht“ die „Apokalyptischen Reiter des deutschen E-Learnings“ seien – das verursacht an Universitäten (und die habe ich besonders im Blick) in der Tat eine ausgesprochen schwierige, mitunter auch paradoxe Situation (siehe dazu auch hier).
  • das Argument, dass „die Diskussionen immer noch auf einem Stand von vor 10 Jahren [sind]. Heute wird immer noch erforscht und pilotiert, z.B. ob Lehre mit Tablets überhaupt funktioniert“ – auch da kann ich nur zustimmen: Ich habe seit längerem schon diverse Déjà-vu-Erlebnisse.
  • die Beobachtung: „Das E-Learning Thema ist inzwischen aus den Konferenzen verschwunden und durch Digitalisierung ersetzt worden“ – auch mir erschließt sich der Mehrwert dieses begrifflichen Schwenks kaum, jedenfalls nicht in Kombination mit den beiden erste genannten Aspekten (ob das jetzt nur am „Erziehungssektor“ liegt, sei mal dahingestellt),
  • der Aufruf, den „Begriff Bildungs-Informatiker zu formen“ bzw. „einen neuen Ausbildungsschwerpunkt“ zu setzen – wobei man dann allerdings einen Begriff von Bildung haben muss! (ich würde z.B. Beat Döbeli als einen solchen Bildungsinformatiker bezeichnen – es gibt sie also durchaus und die sollte man dann auch für die Konzeption solcher Schwerpunkte unbedingt hinzuziehen).

Allerdings habe auch ich ein Gefühl (nicht schon immer, aber immer mal wieder), nämlich dass für das beliebte Didaktik-Bashing, wie wir es bei Wittke lesen, verkürzte Didaktik- und Bildungsbegriffe herangezogen werden, die sich dafür eignen, verschiedene, an sich zusammengehörende, Aspekte gegeneinander auszuspielen. Ob uns das weiterbringt? Ich meine nicht. Die Prophezeiung, dass man „unter der Flagge der Didaktik gen Untergang segeln“ würde, ist einfach Quatsch, denn: Wer Bildungsinstitutionen nicht abschaffen und uns in mittelalterliche Verhältnisse zurückversetzen will, muss auch akzeptieren, dass es Unterricht in dem Sinne gibt, dass sich Menschen untereinander in systematischer Weise versuchen, etwas beizubringen. Und in solchen Konstellationen kann man nicht anders als didaktisch handeln. Jede Entscheidung in solch einem Setting ist eine didaktische Entscheidung – die Frage ist dann, WELCHE didaktischen Entscheidungen man trifft (die können leider auch ziemlich schlecht sein) – nicht aber, OB man sie trifft.

„Was wir bräuchten wäre eine völlig neue Diskussion im Bereich EdTech, die nicht aus den Hochschulen kommen sollte, sondern aus den Inkubatoren der StartUp-Szene“, meint Wittke noch. Nun ja, wenn die Universitäten so weitermachen wie bisher, verlieren sie vielleicht tatsächlich irgendwann ihren Status als einen Ort des neugierigen Fragens und Suchens, des unabhängigen Forschens und Experimentierens jenseits der Exzellenzdebatte, und DANN mag man sie aus den wirklich relevanten Fragen unserer Gesellschaft entfernen – ich hoffe es nicht, aber möglich wäre es. Solange das aber noch nicht der Fall ist (und es ist an uns, das zu verhindern), kann ich nicht sehen, warum universitär Forschende beim Thema „EdTech“ rausgekegelt werden sollen. Aber vielleicht liefert Wittke die Antwort selbst: Das Problem nämlich ist aus seiner Sicht, dass „die Gesellschaft zunehmend technologisiert wird, aber die Bildung weiterhin das Analoge als Leitmedium sieht. Hier spaltet sich Bildung und Alltag. Jeder von uns kennt inzwischen die Alltagsprobleme, wie WLAN-Router anschliessen, Apps installieren, Online-Banking, Netflix bedienen, Navi einstellen oder Bluetooth Boxen anschliessen. Das sind alles Themen, die uns täglich Zeit und Nerven kosten, aber nicht vermittelt werden.“ Also wenn es DARUM geht (um Netflix und Navi), dann kann man vielleicht tatsächlich Firmen, Start-Ups und Bertelsmänner ranlassen. Wenn das die Probleme der EdTech-Szene sind, dann bekomme ich noch ganz andere Gefühle …

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