Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Schönheit und Verständlichkeit

| 3 Kommentare

Es ist ein Minenfeld – das Gendern in Texten. Seit einigen Jahren bin ich dazu übergangen, in meinen Texten männliche und weibliche Formen abzuwechseln; selten verwende ich auch mal nur weibliche Formen, bei anderen Begriffen vermeide ich die weibliche Form (z.B. bei „Akteur“ – aus dem Französischen übernommen, sodass es weiblich an sich „Actrice“ heißen müsste). Meine Vorgehensweise wir nicht immer gern gesehen. Und so habe ich mich natürlich gefreut, als ich in der letzten Ausgabe der ZEIT vom 15. April 2021 gelesen habe, dass man dort nun eine ganz ähnliche Regelung getroffen hat.

Unter dem Titel „Die Sache mit dem Stern. Über den Umgang mit „gendergerechter Sprache“ in der ZEIT“ (DIE ZEIT Nr. 15, 15. April 2021, S. 12) wird berichtet, dass eine Regelung zur gendergerechten Sprache gefunden wurde, erarbeitet von einer Arbeitsgruppe, paritätisch besetzt mit Redakteurinnen und Redakteuren. Der Beschluss sei kein starres Regelwerk, sondern eine flexible Lösung; man wolle der Individualität Einzelner ebenso entgegenkommen wie der Veränderung der Sprache. Ich zitiere die Regeln:

„Eine kreative Form der gendergerechten Sprache in der ZEIT ist erwünscht und erlaubt, aber nicht verpflichtend. Sie bemüht sich um gleichberechtige Repräsentanz von Frauen und Männern in den publizierten Texten. Gleichzeitig versucht sie, Fragen von Lesbarkeit, Schönheit, Tradition und Effizienz zu berücksichtigen. Wir vermeiden heftig umstrittene Formen wie eine Schreibung mit Genderstern (Leser*innen), Unterstrich (Bürger_innen) oder eingefügtem x (Prüfxs für eine Gruppe von Prüfenden dreierlei Geschlechts …) Auch das große Binnen-I (JournalistInnen) wird nicht verwendet, da es – ähnlich den anderen Formen –nicht nur unnötig Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit vom eigentlichen Gegenstand der Texte ablenkt, sondern auch zu grammatikalischen Schwierigkeiten führt. Wenn Gastautorinnen oder -autoren auf einer diese Formen bestehen, wird der Sachverhalt in einer Fußnote erklärt. Beim ersten Benennen einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe, für die bislang das generische Maskulinum verwendet wird, werden zukünftig einmal weibliche und männliche Formen genannt; im Folgenden kann abwechselnd die weibliche oder männliche Puralform verwendet werden, die dann die jeweils andere mit einschließt („generisches Femininum“). Dabei eventuell entstehende Unklarheiten (sind jetzt wirklich nur die Ministerpräsidentinnen gemeint oder auch die Ministerpräsidenten?) können durch nochmalige Doppelnennung vermieden werden. Darüber hinaus ist jede Autorin, jeder Autor frei, kreative Lösungen zu finden, die die Schönheit und Verständlichkeit unserer Texte nicht beeinträchtigen. Es muss auch gar nicht oder an jeder denkbaren Stelle gegendert werden.“

Ich finde mich in dieser Regelung sehr gut wieder: Auch bei Herausgeberbänden habe in den letzten Jahren entschieden, dass jeder selber über den eigenen Text im Hinblick auf das Gendern entscheiden kann. Umgekehrt möchte ich mir auch nicht vorschreiben lassen, wie ich das zu tun habe. Dass in der ZEIT-Regelung neben gesellschaftspolitischen Ambitionen auch Schönheit und Verständlichkeit Kriterien sind, die ihre Berechtigung haben, gefällt mir sehr gut. Texte, so meine ich, sind nicht nur da, um schlicht Information zu vermitteln; sie müssen auch einen Klang haben, müssen zum Lesen einladen, dürfen auch mal Freude bereiten und ästhetischen Ansprüchen genügen wollen. Dies muss nicht gleichzeitig oder gar automatisch ignorant gegenüber Ungerechtigkeiten sein. Und wer es notwendig oder schön findet, *, I, x oder neuerdings : zu verwenden, sollte es eben tun. Eine gewisse liberale Gelassenheit finde ich bei diesem Thema sehr angenehm.

3 Kommentare

  1. Liebe Frau Reinmann,
    da bin ich voll bei Ihnen! Eine gute, unverkrampfte und pragmatische Lösung.
    Ein wie ich finde sehr schöner Text von Rieke Hümpel bringt das Problem m.E. gut auf den Punkt: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article227000843/Sprache-Gendern-das-erinnert-mich-inzwischen-an-einen-Fleischwolf.html
    Viele Grüße
    Lutz Breden

  2. Lieber Herr Breden,
    danke für den Link – ja, also, wie soll ich sagen: Ich hätte es mich inzwischen gar nicht mehr getraut, es so direkt zu sagen wie Rieke Hümpel …
    Gabi

  3. Ich glaube, als Biologin hat Frau Hümpel für solche Texte möglicherweise etwas mehr Bewegungsfreiheit. Das Feedback auf den Artikel ist jedenfalls ziemlich eindeutig: 2029 (gegenüber 47) Personen finden sich im Text wieder. Rieke Hümpels Message kam also offensichtlich an, das stimmt mich positiv.
    … Jemand schrieb „Ich aß heute Mittag einen Dönenden“. 😉
    Liebe Grüße nach Hamburg

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