Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wenn es doch (so) einfach wäre …

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Meine Aufgabe am Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) an der Universität Hamburg (UHH) ist es, mich um das Thema Hochschuldidaktik in Lehre und Forschung zu kümmern sowie für die didaktische Qualifizierung und Beratung der Lehrpersonen an der UHH zu sorgen. Ich mache das aus Überzeugung und mit Leidenschaft – eigentlich … Im Moment aber – und das ist (Vorwarnung) der Auftakt zu einem sehr offenen Blogbeitrag – erlebe ich eine gewisse Ratlosigkeit und fühle mich ideenlos. Eine gewisse (mentale) Erschöpfung? Drei abgelehnte Forschungsanträge innerhalb von einigen Monaten, ein Einbruch bei den Bewerbungen unseres Masterstudiengangs Higher Education und (leicht) sinkende Zahlen wie bei der Teilnahme an Qualifizierungsprogrammen (vor allem am Professor:innen-Programm „Wissenschaftsdidaktik im Gespräch), ernüchternde Rückmeldungen in unserer letzten Lehrendenbefragung (derzeit noch im Auswertungsprozess): Habe ich mich zu wenig angestrengt? Kann ich jetzt nicht bejahen. Ist das einfach nur Pech? Glaube ich auch nicht. Darf man überhaupt darüber sprechen (oder gar schreiben)? Vermutlich nicht, aber ich mache es trotzdem.

Bei nüchterner Analyse ist das alles sicher nicht dramatisch – es sind Tendenzen, mit denen man darüber hinaus nicht mal alleine ist. Außerdem muss man abgelehnte Anträge sowie (kleinere und größere) Flauten bei didaktischen Angeboten für Lehrpersonen getrennt betrachten, obschon es inhaltlich durchaus Bezüge gibt (nämlich über die Themen Design-Based Research und Wissenschaftsdidaktik). Ich bleibe jetzt erst mal bei den Lehrangeboten und unseren und meinen Bemühungen, die Hochschullehre (an der UHH) weiterzuentwickeln und besser zu machen. Vielleicht sind wir alle mehr oder weniger erschöpft, unter Umständen auch desillusioniert angesichts immer wieder enttäuschter Erwartungen, dass die „Normalität“ von vor Februar/März 2020 einfach nicht so recht zurückkehren will (zum Thema Lehren unter Unsicherheit siehe hier) und stattdessen eine Krise der nächsten folgt? Für mich kommt freilich trotzdem nicht in Frage, mich resigniert zurückzuziehen. Aber nachdenklich bin ich derzeit schon sehr und entsprechend auf der Suche, wie man da wieder herauskommen kann – grundsätzlich wie auch ganz konkret, was meine Arbeit am HUL betrifft. Vermutlich ist es das Beste, erst einmal zu sondieren, was mir wirklich wichtig ist, welche Überzeugungen dahinterstecken und was ich aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt habe. Ich versuche es:

Hochschulbildung und damit auch Hochschullehre haben eine, wenn auch oft indirekte, essenzielle Rolle in unserer Gesellschaft (da ich an einer Universität lehre und forsche, habe ich insbesondere die universitäre Lehre im Blick); ich denke also schon, dass das, was mich beschäftigt eine gewisse Relevanz hat. Ich bin überzeugt davon, dass wir bei einer fachübergreifenden Hochschuldidaktik (die wir auch brauchen) nicht stehenbleiben dürfen, sondern eine Wissenschaftsdidaktik etablieren müssen, die zum einen Lehrpersonen als gleichzeitig forschende Personen versteht und zum anderen Lehre als mit der jeweiligen Fachwissenschaft und deren Forschung verknüpft sieht. Ich bestreite nicht, dass es (zu) viel schlechte Lehre gibt, was unterschiedlichste Gründe hat. Es gibt aber gleichzeitig auch gute Hochschullehre und zahlreiche höchst engagierte Lehrpersonen. Daher halte ich nichts von pauschalen Urteilen in die Richtung, dass Hochschullehre zu wirkungslos und rückständig oder unmodern und nicht innovativ genug sei. Der ständige Ruf nach Lehrinnovationen wird universitäre Lehre ebenso wenig grundsätzlich besser machen wie einfach nur mehr Wissen oder Evidenz aus empirischer und experimenteller Bildungsforschung. Wenn ich mal die letzten beiden Jahrzehnte Revue passieren lasse, komme ich persönlich zu dem Schluss:

Das Wichtigste sind die Lust an der Lehre, der aufrichtige Wunsch, denen, die etwas lernen wollen, eben dies beizubringen, und dabei eigenes Wissen und Können weiterzugeben, die Freude daran, anderen dabei zu helfen, einen Weg – ihren eigenen Weg – in eine Fachwissenschaft zu finden, der Mut, dazu immer wieder auch zu experimentieren, wie das am besten gelingen kann, idealerweise gepaart mit Gelassenheit gegenüber all den Dingen, die dabei nicht so funktionieren, wie man das gerne hätte, und einer gewissen Demut gegenüber der Sache und dem Umstand, dass Bildung am Ende vor allem von den Menschen abhängt, die sich bilden wollen (oder sollen?): den Studentinnen und Studenten.

Wenn ich (für mich) feststelle, dass letztlich also die Haltung zur Lehre das Wichtigste ist, dann meine ich damit: Das ist der Boden, den man zum einen braucht, damit z.B. didaktische Angebote überhaupt eine Chance haben aufzugehen, und der zum anderen mintunter schon ausreicht, um aus eigener Kraft als forschende und lehrende Person beeindruckende didaktische Leistungen hervorzubringen. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass viele Lehrpersonen sich diesen Boden erhalten, ihn ausbauen oder aber noch finden und dann schätzen lernen. Wie aber stellt man das an? Ich habe das Gefühl, dass es mir ganz besonders in diesem so essenziellen Punkt bislang nicht gelungen ist, irgendeine tragfähige Idee zu entwickeln geschweige denn erfolgreich umzusetzen.

Auf der nächsten Stufe (und den skizzierten Boden voraussetzend) sehe ich die hochschuldidaktischen Angebote, die auch wir so machen: Hier leisten die Mitarbeiterinnen am HUL sehr gute Arbeit, und es wäre wirklich vermessen, würde man mit der kritischen Reflexion dieses Tuns, so notwendig sie grundsätzlich ist, die vielen kleinen Erfolge an den Rand drängen. Selbst habe ich mich zudem in den letzten beiden Jahren intensiver mit der Frage beschäftigt, wie man Lehren als eine design-basierte reflektierte Praxis konzipieren kann, um den schon interessierten und motivierten Lehrpersonen noch besseres Hand- und Denkwerkzeug verfügbar zu machen, mit der sie ihre Lehre kontinuierlich weiterentwickeln können. Wenn ich das hier so niederschreibe, merke ich, dass wir hier durchaus Fortschritte machen und uns auch selbst weiterbewegen und so schlecht vermutlich nicht sind, wie es sich unter der Glocke der allgemeinen Ratlosigkeit und persönlichen Ideenlosigkeit aktuell anfühlt. Das gilt allerdings nicht für das von mir selbst verantwortete Professor:innen-Programm, mit dem ich nicht zufrieden sein kann und darf. Es ist ja auch paradox: Auf meine eigene Situation in der Rolle als Professorin blickend, weiß ich um die ewige Zeitnot, die sich auftürmenden Anforderungen und Erwartungen, die ständig wachsende zeitfressende Bürokratie und das Erleben, für genuin eigene Forschungsinteressen immer weniger Energie übrig zu haben. Gleichzeitig wünsche ich mir freilich mehr Resonanz auf Gesprächsangebote, die ich mache. Daher frage ich mich auch hier: Was kann ich anderes tun? Denn es bedeutet mir ausgesprochen viel, mit den Kolleginnen und Kollegen in einen Austausch zu kommen – nämlich über ihre Lehre sowie über das Lehren generell und das wissenschaftliche/akademische Dach, unter dem Forschung und Lehre in Kontakt treten (können und müssen). Was wäre ganz einfach, unkompliziert und trotzdem in sich komplex und wirksam? Ein Design-Problem letztlich – und mir fehlt derzeit offenbar selbst die Muße (!), um auf wirklich gute Ideen zu kommen.

Gestern habe ich zum wiederholten Male Ludwig Hubers Aufsatz zu Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) und Wissenschaftsdidaktik gelesen (der Aufsatz befindet sich hier in diesem Heft ab Seite 33)– auf der Suche nach Hinweisen, die ich vielleicht bisher immer überlesen habe. Denn dieser Text beschreibt treffend, was aus wissenschaftsdidaktischer Sicht nicht nur, aber besonders für die universitäre Lehre wichtig wäre: nämlich nicht nur eine positive Grundhaltung zur Lehre, wie oben beschrieben, nicht nur hochschuldidaktische Qualifizierung, wie skizziert, sondern ebenso eine letztlich forschende Zugangsweise zur eigenen Lehre in einem weiten Sinne. Auch dazu habe ich mir in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht und es sind einige Texte (unter anderem ein Buchprojekt, das in Arbeit ist) entstanden: Relevant wird hier auch Design-Based Research als ein Forschungsansatz, der nah am Lehren als einer design-basierten reflektierten Praxis dran ist und daher aus meiner Sicht (theoretisch!) besondere Chancen hat, in Kontext der Hochschullehre zum Zuge zu kommen.

Das nochmalige Lesen von Ludwigs Text hat mich aber auch noch einmal darin bekräftigt, dass wir auf dieser Stufe ein sehr breites Verständnis davon brauchen, was es heißt, die eigene Lehre forschend zu sehen und zu bearbeiten: Dazu gehört einerseits ein wissenschaftliches Nachdenken über Lehre und zwar möglichst im Dialog miteinander – ein Nachdenken, das nicht abgekoppelt vom Fach und der Forschung, sondern eng damit verbunden ist; ein solches Nachdenken liegt jenseits der Suche nach schnellen Lösungen für einzelne Probleme in der Lehre. Andererseits gehört dazu ein experimentell-gestaltendes Handeln und zwar verbunden mit Reflexion und Evaluation – ein Design-Handeln, das ebenfalls im eigenen Kontext verankert ist und trotzdem darüber hinausweisen kann, sofern man hier wiederum die Kommunikation mit anderen sucht. Es ist schwer, vermutlich unmöglich, das eben mal nebenher zu machen; der nötige Aufwand lässt sich nicht kleinreden. Noch mehr also stellt sich hier das Problem, wie eine solche Vorstellung von Hochschullehre Wirklichkeit werden könnte – also für mehr als wenige Pioniere: Ist das illusorisch und daher ad acta zu legen? Oder ist das derzeit zwar weitgehend „nur“ ein Ideal, dem man sich aber durchaus annähern könnte? Käme man mit kleinen, vom Aufwand her vertretbaren, Schritten auch irgendwie zu einem so großen Ziel? Oder bräuchte man ganz andere Strategien als die bisherigen im Kontext von Lehre und Didaktik an Universitäten? (Nur am Rande sei bemerkt: Einer der abgelehnten Forschungsanträge – der größte – hätte sich mit Grundlagen zu möglichen Antworten auf diese Fragen beschäftigt; immerhin hätten drei Gutachter:innen dieses Vorhaben gefördert; ein ablehnendes Gutachten aber war am Ende ausschlaggebend).

Eine Haltung zur Lehre, die Leidenschaft, Experimentierfreude und Demut umfasst, als Nährboden – hochschuldidaktische Angebote als Einladung, diesen Boden zu bestellen – eine schließlich auch forschende Herangehensweise im Denken und Handeln, bei der Lehre als zur wissenschaftlichen Identität gehörend praktiziert wird … das wäre also meine persönliche Bestandsaufnahme zu dem, was mir wichtig ist in meiner Arbeit. Alle drei Stufen betrachtend komme ich zu einer gemischten Bilanz, was mir in den letzten Jahren gelungen ist anzustoßen. Was habe ich in diesem Zusammenhang nun in der Pandemiezeit noch konkret dazugelernt? Ich habe gelernt: Selbst Begriffe, Konzepte, Methoden, Botschaften und (Reflexions-)Fragen, von denen ich zunächst meinte, dass sie unmissverständlich und einladend sind, werden mitunter ganz anders verstanden und genutzt oder bleiben gar unverstanden oder aus anderen Gründe ohne nennenswerte Resonanz – und natürlich: Das ist dieselbe Erkenntnis, die man auch in der Lehre mit Studentinnen und Studenten macht und dazugehört, wenn man sich gemeinsam in Bildung versucht; und wir üben uns im besten Fall ebenfalls in Selbstbildung, wenn wir hochschuldidaktisch (zusammen)arbeiten. Und was folgt daraus? Im Moment reihen sich an diese Einsicht eher Fragen als Ideen: Wie schafft man es, einfach, klare und trotzdem keineswegs triviale Angebote an Lehrpersonen zu machen? Wie erzeuge ich Resonanz, ohne zu überfordern? Wie können wir uns verständigen und eine Sprache finden, die die Fachwissenschaften und die Didaktik gemeinsam sprechen?

2018 hat Ludwig in seinem Text zu SoTL und Wissenschaftsdidaktik die Lage mit Umschreibungen gekennzeichnet wie: „stotternder Start“, „schleppender Lauf“, „zögerliche Entwicklung“: Das ist jetzt vier Jahre her und ich denke, die allgemein zu beobachtende Erschöpfung hat diese Situation nicht eben verbessert: Auf beeindruckende Neustarts im ersten und zweiten Pandemiesemester scheinen mir Stillstand und Stagnation aktuell nicht unwahrscheinlich. Umso mehr drückt es auf meine Stimmung, dass ich dem im Moment nicht wirklich etwas entgegenzusetzen habe – außer vielleicht eine gewisse Hartnäckigkeit … was aber sicher nicht reichen wird. Und so hoffe ich, dass die kommenden Frühjahrs- und Sommermonate buchstäblich mehr Licht auf die blinden Flecke werfen und dann auch Ideen wieder entstehen und wachsen und mit ihnen die eigene Experimentierfreudigkeit.

3 Kommentare

  1. Meine Erkenntnisse der letzten Zeit fasse ich für den Moment so zusammen:

    – Eine „Normalität“ von vor Februar/März 2020 kommt nicht zurück – und ich will sie auch nicht zurück: ich will das Beste aus der analogen und virtuellen Welt miteinander verknüpfen; meine Lernkurve als 62 jähriger alter weißer Mann ist hoch und ich genieße es.
    – „Krise“ ist nicht erst seit Corona der Normalzustand und wir werden uns darauf einstellen müssen, zeitgleich mit mehreren Krisen umzugehen, und dabei zu merken, dass jede „Lösung“ viele weitere Herausforderungen mit sich bringt. („Wicked Problems“) (Pandemien, Klimaveränderungen, Kriege etc.)
    – „Fragen stellen und suchen“ sind mehr denn je angemessene Haltungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ich bin erstaunt wie viele von unseren Kolleginnen und Kollegen versuchen, ein Selbstbild aufrecht zu halten, Antworten geben zu müssen.

    Für die Hochschuldidaktik gehen mir für die nächste Zeit diese Gedanken durch die Sinne:

    Menschen / Lehrende stärken
    – Angebote zum Austausch machen in denen Lehrende „sprachlos“ sein dürfen, keine Antworten haben müssen, in denen Fragen ausprobiert werden können, in denen eine gemeinsame Suchbewegung (eine alte Idee aus der Erwachsenenbildung) stattfindet.
    – Lehrende ermutigen, mit ihren Studierenden gemeinsam „sprachlos“ zu sein und, durchaus fachspezifisch, auf die Suche zu gehen.
    – Lehrende begleiten und einen Austausch in kleinen, verbindlichen Gruppen ermöglichen, in denen Vertrauen wachsen kann

    Krisen thematisieren, nicht verdrängen
    – unsere wissenschaftlichen Werkzeuge, Tools, Instrumente, Theorien, Prkatiken nutzen, um die Krisen, ihre Symptome, ihre Ursachen zu analysieren, ohne gleich allgemeingültige Antworten finden zu müssen
    – gemeinsam Utopien, Visionen entwickeln – think big

    Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzen zusammenbringen
    – Angebote zum interdisziplinären und transdisziplinären Austausch machen und moderieren

    Vielleicht ist jetzt nicht die Zeit für feste Kursstrukturen, die in der Hochschuldidaktik bislang eine große Rolle gespielt haben (Programme und Zertifikate) sondern eher für offenere Austauschformate auf der einen Seite und verbindliche Begleitformate auf der anderen.

    Hinter diesen Überlegungen steht die Theorie und Praxis der „Themenzentrierten Interaktion“, „TZI“, in der es u.a. um ein ständiges dynamisches Balancieren von vier Einflussgrößen geht:
    • Berücksichtigung der Rahmenbedingungen (curricular, kulturell, zeitlich, räumlich etc) (organisationale und kontextuale Ebene) konkret jetzt: wach werden und bleiben für das was jetzt ansteht.
    • Wahrnehmung und Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse sowohl von uns Lehrenden als auch aller Studierenden (personale Ebene) konkret: sprachlos sein dürfen, suchen dürfen, ohne finden zu müssen. In Resonanz gehen (H. Rosa)
    • fachliche, inhaltliche, wissenschaftliche Anforderungen (sachlich – fachliche Ebene): konkret: Krisen thematisieren und analysieren; Visionen entwickeln
    • angemessene Interaktionen im Austausch und im Diskurs zwischen Lehrenden und zwischen Lehrenden und Studierenden (kommunikative, interaktionale – soziale Ebene): konkret jetzt: Austausch suchen und pflegen

  2. Danke, lieber Jochen Spielmann, für den Einblick in Ihre Gedankenwelt und die Ergänzungen!
    Gabi Reinmann

  3. Liebe Frau Reinmann,

    auch wenn Ihnen das in der gegenwärtigen Situation nicht direkt weiterhilft, kann ich zumindest sagen, dass es als Nachwuchswissenschaftler (mit einer Affinität zum DBR und zur Hochschuldidaktik) absolut wohltuend ist, auch von renommierten Wissenschaftler*innen einmal Geschichten des „Scheiterns“ zu lesen.

    Inhaltlich kann ich mich vielen genannten Punkten anschließen und möchte folgende Gedanken hinzufügen (ohne jetzt ein zu pauschales Urteil zu fällen):

    Wie sollen auch Studierende mehr Freude an einer forschenden Praxis entwickeln – sei es tatsächlich in der Wissenschaft oder einfach im forschenden Lernen hinsichtlich ihrer eigenen studentischen und beruflichen Tätigkeiten -, wenn Hochschullehrende selten Freude, Natürlichkeit, Fehlertoleranz oder einen offenen und reflexiven Habitus mit in die Lehre bringen? Ich erlebe diese Paradoxie so häufig, dass Lehrende erwarten, dass doch Studierende eine Freude an den Themen und der Forschung entwickeln sollen, sie selbst diese Attitüde aber überhaupt nicht ausstrahlen (können). Gleichzeitig wird dann (noch zu häufig) ein in Bahnen gelenkter Perfektionismus angestrebt, der mit lebendiger Forschung nichts zu tun hat. Hier knüpfen für mich genau diese Werte von Leidenschaft, Experimentierfreude und Demut an, die eine gelungene Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik braucht.

    Ich selbst habe in den hochschuldidaktischen Angeboten der Uni Jena (https://www.lehrelernen.uni-jena.de/) sehr positive Erfahrungen gemacht, sei es hinsichtlich des einfachen Austausches unter Kolleg*innen oder der ganz konkreten Reflexion des eigenen Lehrhabitus.

    Gleichzeitig erlebe ich aber auch, dass sich jetzt keine Zeit genommen wird, die Erfahrungen aus zwei Jahren Covid-19-Pandemie angemessen zu reflektieren und zu diskutieren (am besten auch mit Studierenden gemeinsam). Stattdessen muss nun ganz schnell alles wieder „funktionieren“ – als hätte es das vorher …

    Abschließend will ich aber auch davor warnen, zu viel Fehler und Hürden in der eigenen Arbeit zu suchen, sondern stets auch die systemischen Fehlwirkungen in den Blick zu nehmen. Im Hintergrund stehen nun einmal immer kapitalistische Zwänge, Bürokratie, Karrieredenken und eine dramatisch fehlgeleitete Bildungspolitik, die allesamt zu einer erlernten Hilflosigkeit führen.

    Aber ein Optimist, dessen Erwartungen sich nicht erfüllen, hat allemal ein sinnvolleres Leben geführt als ein Pessimist, der sich bestätigt sieht (Precht). Also sollten wir – wie schon von Ihnen gesagt – mit Vorfreude auf den Frühling und das neue Semester schauen.

    Viele Grüße
    Falko (Schmidt)

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