Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Kultur des Klagens

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Auf meinen Blogbeitrag „Teil des Establishments“ gab es einen Kommentar, in dem ich auf einen Beitrag von Rolf Haubl und Günter Voß aufmerksam gemacht worden bin. Der Text mit dem Titel „Psychosoziale Kosten turbulenter Veränderungen“ beinhaltet die Kurzdarstellung einer qualitativen Befragung von Supervisor/innen zum „Innenleben von Organisationen in Deutschland“. Die dort skizzierten Ergebnisse stellen in der Tat eine generelle Zustandsbeschreibung von Organisationen dar, in die man die Beobachtungen und Erfahrungen an Universitäten (wie im oben genannten Blogbeitrag beschrieben) sehr gut und fast schon nahtlos einordnen kann. Die Autoren verweisen auf zahlreiche Punkte, die auch für die Arbeit von Professoren und Mitarbeitern an den Universitäten gelten:

Nennen kann man etwa die wachsenden Dokumentations- und Evaluationspflichten, die zu Lasten der Arbeits- und Leistungsqualität gehen, den steigenden Effizienzdruck und das unangemessene Innovationstempo, wobei angemerkt wird: „Übersteigt das Innovationstempo die Anpassung der Beschäftigten, neigen sie dazu, lediglich die Rhetorik zu wechseln, um sich selbst zu schützen …“ – wie wahr! Auch Misstrauen und fortschreitende Entsolidarisierung sind Phänomene, die an Universitäten ebenfalls zu erkennen sind. Führungskräfte scheitern auch an den Unis an widersprüchlichen Anforderungen, fehlenden Ressourcen und einer gewissen Machtlosigkeit. Zielvereinbarungen, die im Text ebenfalls besprochen werden, haben in der W-Besoldung von Professoren längst Einzug gehalten. Dass diese, wie Haubl und Voß betonen, „hohe Selbsterkenntnis“ (S. 6) voraussetzen, aber keineswegs bedeuten, dass Leistung wirklich belohnt wird, weshalb „Enttäuschungsprophylaxe“ (S. 7) angezeigt sei, gilt wohl für Unternehmen und Universitäten gleichermaßen. Eine „Kultur des Klagens wegen anhaltender Überforderung“ (S. 6) aber – so die Folgerung der Autoren – sei keine angemessene Reaktion, denn sie diene lediglich der Ritualisierung der Probleme. Dass Jammern nicht hilft, hatte ich ja auch schon festgestellt, aber wissen wir, was denn nun tatsächlich helfen könnte? Haubl und Voß hoffen, dass die Finanzkrise eine Chance sein könnte, ehrlicher mit diesen Problemen umzugehen, was ein erster Lösungsschritt wäre. Nun ja, Krisen gibt es auch an den Universitäten zuhauf – vielleicht können wir sie nutzen?

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