So, nun ist der nächste Antrag gescheitert (Wissensmanagement im Sport bzw. genauer: bei Trainern im Leistungssport, wobei das schwer artikulierbare Erfahrungswissen im Mittelpunkt stand), der zumindest in der zweiten Runde war. Offenbar waren auch alle zentralen Kriterien erfüllt, denn die Begründung für die Ablehnung (ein Satz!) wirkte denn doch etwas an den Haaren herbeigezogen. Okay – 2008 ist an sich ein gutes Jahr: Obama hat die Wahl gewonnen (und so sieht der Jubel aus: hier) und wen kümmern da (meine Person mal ausgenommen) abgelehnte Anträge aus einem Fach, dessen Beitrag zu Innovation und Wirtschaftskraft unseres Landes nicht eben hoch gehandelt wird.
Aber zum Verzweifeln ist es trotzdem: Noch nie habe ich so viele Anträge mit verschiedenen Strategien und Partnerschaften auf den Weg gebracht wie dieses Jahr (mir dabei Ostern und einen Teil meines Sommerurlaubs um die Ohren geschlagen) und noch wie war die Drittmittel-„Ausbeute“ so klein (oder besser mickrig) wie dieses Jahr. Also es ist ja ein Glück, dass ich meine Identitätskrise mit dem Übergang ins zweite Lebensjahrzehnt und das Scheitern meiner Ehe im Übergang zum dritten Lebensjahrzehnt hinter mich gebracht habe, so dass ich jetzt zumindest nicht flankiert von persönlichen Tiefs ins vierte Lebensjahrzehnt eine Art berufliche Krise mitnehme (ja okay, ich bin schon 43). Denn ein bisschen kommt mir das schon so vor: Sowohl in der Lehre (Stichwort Bologna) als auch in der Forschung (Stichwort Fördergelder) wird der Scherbenhaufen vor meinen Füßen größer. Was Bologna angeht, so bin ich bald soweit, dass ich meine Aussagen, die ich noch 2006 gemacht habe, revidiere: Was man via Akkreditierung aus der Bologna-Idee macht, kann man an sich als vernünftiger Mensch nicht mehr mittragen wollen (dass man dann quasi dazu gezwungen wird, es doch zu tun, fördert nicht gerade das persönliche Wohlbefinden). Und was die Forschungsförderung betrifft, so schwanke ich zwischen Resignation, Wut und Selbstbeschwichtigung, dass es zum einen keinen Sinn hat, sich aufzuregen und den Eindruck zu erwecken, beleidigt zu sein, und dass es zum anderen wahrscheinlichen vielen wie mir geht (und nur wenigen anderen eben anders).
Vielleicht sollte man eine Datenbank eröffnen mit gescheiterten Anträgen? Aber das hätte womöglich nur eine Art Friedhofscharakter. Dann vielleicht ein Portal mit „low budget-Projekten“, bei denen man potenziellen Förderern zeigt, was man schon geleistet hat, statt nur zu versprechen, was man mit Geld alles leisten könnte? Das wäre vielleicht konstruktiver. Und das könnten wir dann mit dem Titel belegen: „Wer glaubt an uns (und unser Institut) und fördert unsere Arbeit und Ziele?“ Wenigstens glauben die Amerikaner an Obama – und das ist freilich wichtiger – jetzt ohne jede Ironie! 🙂
hi gabi,
auch wir mach(t)en diese leidvollen erfahrungen, was dazu führt, dass anträge nur mehr halbherzig geschrieben werden und versucht trotzdem weiterzumachen …
bildung und erziehung ist ein wichtiges gut, was mir aber manchmal bei entscheidungsträgern nicht so vorkommt ..
lg aus graz
Liebe Gabi,
kann nur hoffen, dass der momentane Frust schnell überwunden ist und Motivation für neue Anläufe wächst!
Ich nenne das, womit du dich aufreibst, den „modernen Fünfkampf“ der Hochschullehrer, also Bolognaprozess, Exzellenzinitiative, Antrags(UN)wesen, Globalhaushalte – und dann noch E-Learning 😉
Ach ja, und dann noch so lapidare Ablehnungskommentare. Das ist hierzulande eine Unsitte. Wenn ich da z.B. an Einreichungen bei englischsprachigen Journals denke, da habe ich schon Rezensionen zurück bekommen, die waren halb so lang wie das Paper. Selbst im Falle einer Ablehnung ist man da noch erfreut über den Diskurs.
Nun bin ich ja nochmal ne Ecke älter als du, trotzdem würe ich mir bei uns mal so eine Aufbruchstimmung wünschen, wie derzeit drüben durch Obama erzeugt; mich erinnert das an Brandts Wahl zum Kanzler, da war das auch zu spüren. Also nicht die Hoffnung aufgeben …
Gruß, Joachim
Die Idee mit der Datenbank gescheiterter Anträge finde ich gar nicht so schlecht. Noch besser: Eine Datenbank mit gescheiterten UND erfolgreichen Anträgen, sozusagen Positiv- und Negativbeispiele. Und bei den Negativbeispielen gleich die Begründungen mit dazugepackt, damit man daraus lernen kann.
Wären der Aufbau und die Evaluation einer solchen Datenbank nicht einen Antrag wert? :-))
Aus dem letzten Kommentar spricht noch der Glaube, dass man von guten Begründungen und Lernpotenzialen ausgehen kann. Aus mitunter nur EINEM Satz Begründung, aus dem eher Begründungsnot als alles andere herausspricht, kann man leider nichts lernen (außer, dass die Spielregeln leider intransparent sind). Und solche „Begründungen“ häufen sich – nicht nur bei uns. Ich habe auch lange geglaubt, es gelten da nur Leistungsstandards, aber ich denke, oft (sicher keineswegs immer!) sind es eher irgendwelche politischen Standards, die da einzuhalten sind.
Gabi
Mal ehrlich, eine Datenbank darüber aufzubauen, ist gar keine blöde Idee. Am besten eine in der meine 10 Lieblingsanträge, die man immer schon mal stellen wollte einfach kontinuierlich weiterpflegt, und dann soll doch die Förderer selbst die Anträge kontinuierlich checken und sich welche raussuchen, wo sie Geld „drauf werfen“.
Und ein Friedhof ist auch nicht so dumm. Wäre ja mehr eine echte Dokumentation von der vielen nutzlos geleisteten Arbeit des büroratischen Overhead. Man könnte auch zum trauern hingehen, der Trauerprozess ist ja schließlich eine ziemlich grundlegende menschliche Angelegenheit.
Hätte auch sowas wie eine Reputationsfunktion, weil Transparenz über die eifrigen Antragsteller entsteht. Quasi eine Highscore-Liste, und sowas muntert ja den einen oder anderen vielleicht wieder auf.
Baut doch ein Antragsportal mit dem Namen „The Science Rally“ oder so, auf (zur Aggregation von Anträgen für Deutschland). Wir selbst müssen schließlich die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.
…na oder halt warten, bis das Finanzdingsbums zusammengefallen ist und der Neustart eingeleitet wurde. Dann wird es wieder normal.
schönen Sonntag allen.
Ich denke drüber nach …
Gabi
Also nochmal: eine Datenbank für gescheiterte Anträge? Ne, das ist zu passiv, dann hat man in der Tat einen Friedhof. Aber: eine Datenbank für „Ideen und soziale Konzepte“, vielleicht auch mit ersten Software-Prototypen und Partnervorschlägen. Also eine echte Alternative zum klassischen Antrags-„Wesen“ aufbauen. Ja klingt utopisch ich weiß. Richtig ist aber auch, dass vieles (wie auch bei Helge) im Keller liegt, mehr oder weniger explizit, da dümmpelt es vor sich hin und erzeugt keinen Mehrwert. Ich meine ja immer noch, dass wir ein Patentamt für soziale Innovationen brauchen, ein europäisches Patentamt, sonst wird das mit dem Wettbewerb, mit Ruck, mit dem Aufbruch nix. Auch sozialen Ideen sollte man nach dem Kriterium der Erfindungshöhe beurteilen und mit Schutzrechten (unterschiedlicher Grade) ausstatten können.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass eine solche Datenbank, die natürlich nicht nur die abgelehnten Projekte dokumentieren soll, sondern wie Frank meinte, gleichzeitg Vorschläge zur Umsetzung und möglicher Kooperationspartner liefert, durchaus sinnvoll ist.
Ich musste dabei auch gleich an den sog. „iPhone Application Graveyard“ (http://boredzo.org/killed-iphone-apps/) denken. Dort werden zwar die von Apple gelöschten oder gar nicht erst in den iTunes AppStore gelassenen Applikationen nur passiv aufgezählt, aber einen Mehrwert hat die Seite trotzdem: Viele iPhone-Entwickler schauen sich die „getöteten“ Apps an, programmieren etwas Ähnliches und stellen dies dann anderweitig kosntenlos/kostenpflichtig zur Verfügung bzw. beantragen schlicht eine neue Zulassung für den AppStore.
Damit wollte ich nur aufzeigen, dass eine solche Datenbank durchaus Sinn machen kann. Es gibt also Hoffnung – auch ohne Obama 🙂
Eine Gruppe, die die Leistung würdigt, sind die Studenten bzw. die, die es werden wollen. Die Nachfrage ist seit Jahren auf konstant hohem Niveau (details). Wo sind nun diejenigen, die gerne Markt, Wettbewerb und Leistungsprinzip ausrufen? Eine solche Nicht-Förderpraxis war in den USA wohl schon vor dem versprochenen „Change“ un-denk-bar, wie mir ein Kenner der Szene 😉 jüngst versicherte.
Nun hat das zwar zunächst weniger mit der angesprochenen Forschungsförderung zu tun, als mit dem Titel des Beitrags. Eine Verbindung lässt sich in Deinem Fall über die Selbstanwendung innovativer Lehr-Lern-Konzepte herstellen, die offensichtlich „am Markt“ (nicht aber in den Ministerien und Gremien) große Resonanz finden.
Nichts, was nicht schon gedacht wurde… von wegen Datenbank für nutzlose Anträge usw…
„Datenbank des nutzlosen Wissens“
http://wissen.schoelnast.at/