Kann man den Bogen auch überspannen mit Design-Based Research (DBR)? Ja, kann man vermutlich. Ich erinnere mich noch gut an den Vorwurf eines Kollegen (ich meine es war 2008), ich würde DBR wie eine Monstranz vor mir hertragen. David Klahr geht mit Vertretern von DBR nicht ganz so hart ins Gericht und unterstellt ihnen keine methodologische Heiligenverehrung, macht aber auf einen anderen kritischen Punkt aufmerksam, den ich durchaus teile.
Klahrs Text trägt den Titel „Learning Sciences Research and Pasteur’s Quadrant“. Der Titel macht bereits deutlich, woran Klahr seine Argumentation festmacht: am Quadranten-Modell von Donald Stokes aus dem Jahr 1997. Dieses Modell ziehen Lernforscher gerne heran, um sich zu verorten – so auch DBR-Vertreter. Ein paar Worte zu diesem Modell in Anlehnung an Klahrs Darstellung:
Stokes unterscheidet mit seinem Modell zwei Arten grundlegender „Inspirationen“ für die Forschung: die eine ist ein Streben nach Verständnis (Grundlagenforschung) und die andere ist die Generierung praktischen Nutzens (angewandte Forschung). Zugrunde liegt dem Modell die Beobachtung, dass sich viele Forschungsarbeiten an der Schnittstelle beider Forschungsarten ansiedeln lassen. Daher kombiniert Stokes beides als Dimensionen, und so entstehen vier Quadranten: Zum einen die beiden Quadranten für Grundlagenforschung und angewandte Forschung, veranschaulicht mit Bohrs Arbeit (pure basic) und Edisons Arbeit (pure applied) und zum anderen der berühmt gewordene Quadrant mit Pasteurs Arbeit (use-inspired basic research). Der vierte Quadrant ist unbenannt, aber keineswegs leer: Hier diskutiert Stokes Beispiele für Forschung, die weder die Grundlagenforschung voranbringen noch praktische Probleme lösen, aber beispielsweise dazu beitragen, systematisch ein bestimmtes Phänomen zu erfassen – getrieben von der Neugier des Forschenden für bestimmte Dinge.
Klahr wendet sich nun explizit gegen eine Deutung von Stokes Modell, wonach die Lernforschung generell in den Pasteur´schen Quadranten zu wandern habe, weil darin sozusagen das Heil läge (und da würde dann auch tatsächlich die Monstranz ins Bild passen). Dies, so stellt Klahr fest, hätte Stokes nicht im Sinne gehabt: Er habe eher für eine Vielfalt von Forschung plädiert, die sich letztlich auf alle Quadranten verteilt und sich zudem zwischen den Quadranten bewegen kann, indem Forschung aus dem einen Quadranten Forschung in einem anderen Quadranten inspiriert.
Exemplarisch kritisiert Klahr eine Reihe DBR-Autoren für deren Botschaft, dass der Pasteur´sche Quadrant grundsätzlich zu bevorzugen sei, wenn es darum geht, Lehren und Lernen zu erforschen. Stokes, so Klahr, habe nicht die Absicht gehabt, einen der vier Quadranten zu bevorzugen. Ich meine, hier ist Klahr zuzustimmen. Meine eigene Überzeugung ist die, dass sich DBR zum Beispiel für die hochschuldidaktische Forschung in hohem Maße eignet, in der es aber selbstverständlich auch wissenschaftliche Fragestellungen gibt, für die andere methodologische Rahmenkonzepte besser geeignet sind. DBR ist meiner Einschätzung nach weniger alternativ, als vielmehr komplementär zu anderen Strategien und Ansätzen des Forschens zu sehen.