Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Laute und leise Stimmen

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Eine Woche „digitale Lehre“ und damit eine Woche Lehren und Studieren ohne Präsenzkontakt unter Nutzung verschiedenster digitaler Technologien – und das flächendeckend – liegt hinter uns. Presseanfragen an Hochschulleitungen, meist weitergereicht an verschiedene Stellen, die sich an der Hochschule mit der Lehre und der Unterstützung von Lehrenden beschäftigen, gab es bereits kurz vor und kurz nach dem offiziellen Start der „Vorlesungszeit“ am 20. April: Wie läuft es? Was funktioniert und was nicht?

Mir leuchtet nicht ein, wie man das vorab oder nach wenigen Tagen sinnvoll sollte beurteilen können. Trotzdem ließen natürlich die ersten Artikel nicht lange auf sich warten, in denen von empörten Studierenden, generellen Klagen und vielen Fragezeichen die Rede war – laute Stimmen eben. All die, die am 20. April mit den ihnen verfügbaren Mitteln vergleichsweise gut gestartet sind, von denen manche die ersten Schritte mit digitalen Technologien getan haben, andere von bereits bestehenden Erfahrungen und Routinen profitierten, werden nicht erwähnt, weil sie ihre Stimme nicht erheben – was auch nicht verwunderlich ist, denn das, was da jetzt in Lehre und Studium passiert, kostet Zeit, ist aufwändig, ungewohnt und bindet die Aufmerksamkeit. Das gilt auch für diejenigen im Hintergrund, die sich darum bemühen, dass die Technik läuft sowie Beratung und Unterstützung zur Verfügung stehen, wenn es „brennt“.

Mit Blick auf meine eigene Lehre würde ich sagen, dass der Start soweit geglückt ist. Richtig ist, dass bereits am ersten Tag das von uns verwendete Learning Management System ausfiel, was erst einmal (auch bei mir) einen kleinen Panikschub auslöste und dann die Suche nach Überbrückungsstrategien aktivierte (in meinem Fall eine E-Mail-Benachrichtigung an die Teilnehmenden mit Anhängen und Links zur Kompensation des Ausfalls). Doch schon mittags die Erleichterung: Das LMS funktionierte wieder. Zwei synchrone Videokonferenz-Termine (an den Rändern des Tages) im Verlauf der Woche funktionierten bestens, über meine kurze Überblicksvideos hat sich zumindest niemand beschwert, alle Ressourcen sind digital verfügbar, und alle Teilnehmenden haben sich gewissenhaft an die ersten Aufgaben gemacht, die ich für die Beschäftigung mit der aktuellen Themeneinheit vorbereitet hatte – und das ist jetzt freilich einfach nur EIN Beispiel.

Es wird immer mal wieder Technikausfälle geben , einige Teilnehmenden werden (wie sonst auch) wegbrechen , Aufgaben werden sich als nicht optimal instruiert herausstellen, organisatorische Probleme werden auftreten etc. Immer mit einem kleineren oder größeren Zeitverzug werden wir wissen, was man vorab besser hätte konzipieren oder vorbereiten sollen – und das gilt für Rechen- und Medienzentren, Fakultäten und einzelne Lehrende gleichermaßen. Das ist im Moment ein großes Feldexperiment, was wir in der Hochschullehre (und natürlich nicht nur da) machen, und wir können, wenn wir das ernsthaft wollen, alle eine Menge davon lernen. Ein gewisses Maß an Gelassenheit, Improvisationsbereitschaft und Selbstverantwortung aber brauche wir jetzt alle: Lauthals die Presse einzuschalten, wenn ein System zusammenbricht, alles schlecht reden, wenn Lehrende nicht sofort antworten, unsachgemäße Verallgemeinerungen von sich geben statt Beteiligten eine echte Chance zu geben, auftretende Probleme zu lösen – das ist in jedem Fall der falsche Weg, und die meisten bestreiten diesen auch nicht.

Umso wichtiger scheint es mir sein, den lauten Stimmen der wenigen kontinuierlich etwas entgegenzusetzen und die aktuelle Krise auch in der Hochschullehre produktiv zu nutzen und darüber zu berichten. Damit ist nicht gemeint, alles schön zu reden. Es gilt selbstverständlich, kontinuierlich zu hinterfragen, was wir gerade tun. Im besten Fall experimentieren wir gemeinsam, lernen aus Fehlern und finden heraus, wie wir auch nach Corona die Hochschullehre unter Nutzung digitaler Technologien besser machen können.

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