Neue Zeiten, neue Formate: Das Professorenprogramm fand am 30. Juni 2020 als digitale Session statt – mit erstaunlich vielen Anmeldungen. Fokus des Gesprächs im Rahmen einer Videokonferenz war natürlich die Lehre in Zeiten einer Pandemie … und danach. Verändert die Pandemie die universitäre Lehre? Sind etwaige Veränderungen vorrangig Reaktionen auf äußere Anforderungen? Oder geben sie auch Impulse für gestaltendes Handeln? Was von dem, das die Hochschullehre vor der Pandemie kennzeichnete, könnte man gar hinter sich lassen oder langfristig verändern? Welche neuen Optionen könnten sich auftun?
Als Impuls diente der Essay „Universitäre Lehre in einer Pandemie – und danach?“ Zwölf Professorinnen und Professoren quer durch (fast) alle Fakultäten diskutierten die obigen Fragen, brachten ihre Erfahrungen aus dem „digitalen Sommersemester 2020“ ein und teilten ihre Vorstellungen von der Zukunft der Hochschullehre.
Ich persönlich habe aus der Diskussion mitgenommen, dass erstaunlich viele gute Erfahrungen mit digitaler Lehre gemacht werden, und der Wunsch und die Bereitschaft groß sind, zu prüfen, was davon auch an einer Präsenzuniversität nach Aufhebung aller Restriktionen beibehalten werden sollte. Positiv hervorgehoben wurde zudem, dass die Pandemie den Stellenwert der Lehre deutlich gemacht hat. Man spricht nun sehr viel über Lehre, es gibt Austausch und gegenseitige Unterstützung – und das kann man als einen, konstruktiv zu nutzenden, Schub sehen: Lehre ist ein Thema (geworden) – wenn auch nicht in allen Fachkulturen in gleicher Weise. Gleichzeitig aber wurde im Gespräch deutlich, dass die aktuelle Situation in mehrfacher Hinsicht für alle Beteiligten sehr belastend ist: Entgrenzung (mit Folgen für Gesundheit und kreatives Arbeiten) und der weitgehende Wegfall informeller Begegnungen und sozialer Kontakte (was vor allem für Studierende ein sehr großes Problem ist, da die Sozialisation in die Hochschule neben dem Lernen eine wichtige Rolle spielt) sind hier nur exemplarisch zu verstehen.
In Bezug auf die Frage, was wir von dem, das wir aktuell tun, nach der Pandemie „retten sollten“, wurde von mehreren Seiten die ansonsten (in der Hochschuldidaktik) so viel gescholtene Vorlesung vehement verteidigt – wenn sie denn engagiert und gekonnt praktiziert werde. Als Taktgeber und sozialer Ort im Studium wie auch als Bühne für den Lehrenden scheinen viele dieses Format aufrecht erhalten zu wollen, obschon die Vorlesung seit ihrer Entstehung in der Kritik steht (im Herbst erscheint ein neues Buch zur Vorlesung, siehe hier).
Viel war außerdem die Rede von der synchronen Lehre, die im Zuge der Ad-hoc-Digitalisierung für viele (nachvollziehbarerweise) die erste Option war, um die Lehre aufrechtzuerhalten: Unter Zeitdruck und ohne zusätzliche Ressourcen erscheint es kaum möglich, aufwändigere Lernumgebungen als die Simulation der Präsenz im digitalen Raum zu konzipieren. Um über das derzeit viel praktizierte „Emergency Remote Teaching“ hinauszukommen, wären definitiv mehr Zeit, mehr Geld und auch formale Anerkennung (z.B. über Semesterwochenstunden) erforderlich – auch das war ein deutliches Ergebnis des Austausches.
Ein kurzes Fazit zum Format: Wenn ich daran denke, wie viel Aufwand ich in den letzten beiden Jahren hatte, um eine kleine Gruppe von drei bis sieben Kolleginnen für solche Austauschrunden zu motivieren, war die Akquise dieser Runde ein Spaziergang: nämlich eine Ankündigung auf unserer HUL-Web-Seite und eine E-Mail über den Verteiler der Professorinnen. Ist der digitale Austausch eine kleinere Hürde – obwohl wir uns alle nach physischer Präsenz zurücksehnen? Oder lag es an Thema oder daran, dass wir inzwischen eh alle ganztägig vor dem Bildschirm sitzen?