„Die Universität nach der Pandemie wird nicht mehr die Universität vor der Pandemie sein. Sie kann durch diesen relativ langen Laborkurs nun besser einschätzen, wann das Analoge und Digitale ausschließlich oder in Kombination gewinnbringend eingesetzt werden kann. Aber wann wird das sein?“ Zu dieser Diagnose und abschließenden Frage kommt in einem Artikel (hier) mit dem Titel „Im Wartestand“ Michael Jäckel, Professor für Konsum- und Kommunikationsforschung und seit vielen Jahren Präsident der Universität Trier.
Zuvor beschreibt Jäckel treffend, was man derzeit an unseren Universitäten wahrnehmen kann: eine melancholische Stimmung und ein Gefühl von Einsamkeit: „Man blickt auf die Infrastruktur und hofft, dass ihre Wiederbelebung bald anstehen wird. Geringste Formen der Verwahrlosung wirken wie Alarmzeichen: Müll, Unkraut, neue Graffitis“. Es gäbe aber auch einen „Effekt der Gewöhnung an diese Einsamkeit, ob im Büro oder Homeoffice, an diesen täglichen Blick in die Leere des Raums“. Inzwischen, so Jäckel, werde es schwieriger und allmählich eine Kunst, sich selbst „bei Laune zu halten“, obschon doch der Möglichkeitsraum weiter wird: „Denn der Drang, die Dinge gestalten zu wollen, nimmt spürbar zu. Da noch kein Zeitpunkt benannt werden kann, zu dem eine realistische Chance der Umsetzung der vielen Ideen gegeben ist, geht es uns wie den Menschen in einer Warteschlange, die nicht darüber informiert werden, wie lange sie noch Geduld aufbringen müssen. Unsere Disziplin wird strapaziert“.
Ich finde, dass das eine gute Beschreibung dessen ist, was wir als Hochschullehrende derzeit erleben – und das ist vielleicht auch ein (schwacher) Trost an die Studierenden, die ebenso ausharren müssen in dieser Warteschlange, deren Ende man zunehmend aus den Blick verliert. Wichtig scheint mir auch der kleine Hinweis auf den möglichen Effekt der Gewöhnung an manche Aspekte dieser sonderbaren Situation – ein Effekt, gegen den man auf der einen Seite sicher ankämpfen sollte (vereinsamen und verwahrlosen wollen wir sicher nicht), den man auf der anderen Seite aber wohl auch genauer betrachten sollte, um zu verstehen, woran man sich warum gewöhnen könnte, was man vermisst und was vielleicht auch nicht … Und so verstehe ich auch Jäckels Feststellung, dass die Universität nach der Pandemie nicht mehr die Universität vor der Pandemie sein wird. Was sie aber nach der Pandemie sein kann, sollten wir unbedingt auch selber in die Hand nehmen.
Wie ich auf diesen Satz gewartet habe: „Was sie aber nach der Pandemie sein kann, sollten wir unbedingt auch selber in die Hand nehmen.“ Er könnte eine Trendwende einläuten, liebe Gabi!
Gewundert haben wir uns nun doch weiss Gott genug, Irritationen wurden geäussert, neue Begriffe wurden gefunden und ja: Auch beschrieben, wie es uns beim Anblick leerer Hörsäle geht, haben wir. Jetzt ist die Zeit gekommen, eine klare (didaktische) Sicht zu entwickeln, wie die Hochschulen nach einer Pandemie sein sollen.
Sammeln wir doch gemeinsam Vorstellungen, wie diese Zeit sein soll. Worauf freut ihr euch, dass es nach der Pandemie weitergeht? Ich freue mich auf effiziente (administrative) Sitzungen per zoom, ich freue mich auf videographierte Vorlesungen, die man in Annotationsgruppen verarbeitet, ich freue mich, meine neu entwickelten Strategien gegen die Entgrenzung des Lernens einzusetzen, ich freue mich, auf die Teilnahme an Kolloquien, die 860km nördlich von meinem Zuhause stattfinden (und darum nie (physisch) anreisen könnte)…
Ich freue mich aber auch darauf, dass Präsenzveranstaltungen nach der Pandemie den Wert der Präsenz konsequent in den Mittelpunkt rücken, dass die Interaktionen der Studierenden eine deutliche Aufwertung erfahren werden, dass die Anwesenheit für gemeinsames Ringen um Positionen, Entwickeln von neuen Ideen und kreative Prozesse verwendet wird (weil der Wissensaufbau bereits vorher orts- und zeitunabhängig stattgefunden hat), ich freue mich, dass die breit eingeübten Techniken genutzt werden, für einen nie geahnten Ausbau personalisierter Lehre…
Ich freue mich auf viele Überlegungen von Hochschullehrenden zur „Zeit danach“. Nur etwas sollte es nicht sein: Ein Einstimmen in den „Wann-wird’s-wieder-wie-früher-Blues“. In den alten Trott verfallen wir wieder wie von selbst – wenn wir nichts dafür unternehmen, gemeinsam weiterzukommen!
Lieber Klaus,
das ist ein sehr schöner, vor allem aber wichtiger und richtiger Aufruf, Klaus, dem gar nichts mehr hinzuzufügen ist.
Gabi