Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Goodbye, Best Practices

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Josh DeSantis und Stacey Dammann stellen in The National Teaching & Learning Forum (hier) eine provokative These auf, wenn sie behaupten, dass die Zeit für die Suche nach und der Arbeit mit sogenannten Best Practices in der Hochschullehre vorbei sei. Ihre Argumentation:

Best Practices, ein Konzept aus der Wirtschaft, sind in den letzten Jahrzehnten zum Standard-Instrument für nahezu alle Entscheidungen geworden: Best Practices bieten Lösungen, die von anderen in ähnlichen Entscheidungssituationen ausgearbeitet wurden, übernommen werden und einen davor bewahren, das Rad neu zu erfinden. Neue Entscheidungssituationen, wie sie die COVID-19-Pandemie den Hochschulen beschert hat, sind beispiellos, also (unter vergleichbaren Bedingungen) nie dagewesen, sodass es keine Best Practices gibt, auf die man zurückgreifen kann. Dazu kommt der immense Zeitdruck, was insgesamt zu einer „gestressten Praxis“ führt.

Aus dieser kurzen Analyse folgern DeSantis und Dammann die Notwendigkeit einer zukunftsgerichteten Entscheidungsstrategie und einen Abschied von rückwärtsgewandten Best Practices. Sie fordern Kreativität ein, die sie durch ein alleiniges Vertrauen auf Best Practices grundsätzlich gefährdet sehen, und sprechen von einer Entscheidungskultur nach dem Motto „Was kommt als Nächstes?“

Nun kann man an diesem kurzen Beitrag kritisieren, dass er über das Ziel hinausschießt: Wenn Hochschulen für Studium und Lehre beispielgebende Konzepte, Ansätze etc. zur Verfügung stellen können, wenn sich Hochschullehrende mit ihren „Lösungen“ für verschiedene Anforderungen in der Hochschullehre austauschen und man nach Wegen suchen, diese bei sich selbst (mit Anpassungen) zu übernehmen, dann wird es schwer, überzeugende Gegenargumente zu finden. Aber die mit der Übertreibung verbundene Provokation hat aus meiner Sicht trotzdem eine wichtige Botschaft: Allein die Vorstellung, dass es wirklich „Best Practices“ gibt, das Kleben an solchen „Wunderlösungen“ oder das Streben danach, sich untereinander mit immer „besseren Lösungen“ auszuzustechen, um als „Benchmark“ zu gelten, dürfte mindestens genauso sinnentleert sein wie das bekannte „Not-Invented-Here-Syndrom“. Dass eine rigide Orientierung an Best Practices oder auch nur Good Practices darüber hinaus, kreative Eigenleistungen verhindern können, halte ich ebenfalls für ein Argument, das man bedenken sollte.

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