Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Erkaufte Freiheit

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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Infopoint-Hochschullehre: Digitale Prüfungen“ habe ich kürzlich einen Online-Workshop zum Thema „Wandel der Prüfungskultur“ angeboten. 40 Personen waren angemeldet, gekommen sind dann aber nur rund 20. Veranstalter waren bzw. sind die Stiftung Innovation in der Hochschullehre und das Hochschulforum Digitalisierung (HFD)

Inhaltlich ging es um die Frage, was wir tun können, um die deutliche Kluft zwischen dem ausdifferenzierten hochschuldidaktischen Diskurs zu Prüfungen einerseits und der Prüfungspraxis jenseits von Projekten und Inseln mit besonders Engagierten andererseits endlich zu überwinden. Wie das gehen könnte, dazu habe ich einige Thesen mitgebracht, die ansatzweise schon im Blogbeitrag beim HFD (siehe hier) aufscheinen. Anders als die Beiträge vor mir in dieser Reihe, habe ich den synchronen Teil auf drei Stunden begrenzt und meinen Vortrag vorab asynchron zur Verfügung gestellt. Leider kann und will ich den Vortrag erst Mitte Januar 2022 frei zugänglich machen, da ich vorab noch einmal die Chance habe, meine Thesen online an der Universität Graz vorzustellen. Da wäre es nicht so gut, diesen jetzt schon kursieren zu lassen. Daher findet man auch auf der Seite der Workshop-Reihe meinen Beitrag (noch) nicht. Wer ihn ganz dringend jetzt schon haben will, kann mich aber gerne anschreiben.

Zurück zum Workshop: Für die Diskussion hatte ich drei verschiedene Formen von Austausch (im Tandem, in der Kleingruppe und in größeren Gruppen) mitgebracht. Ziel war es zu schauen, (a) wie die Workshop-Teilnehmerinnen selber die Ausgangslage beim Prüfen wahrnehmen (da muss man meine Beobachtungen ja nicht teilen), (b) wie sie die Beziehung zwischen den beiden großen Funktionsbereichen von Prüfungen (Selektionszweck und Lernzweck bzw. gesellschaftliche und didaktische Funktionen) einschätzen (hier ist meine Beobachtung, dass das gemeinsam NICHT unter einen Hut zu bringen ist, weshalb ich für eine Trennung von Prüfungen mit Rechtsfolgen und Assessment mit Feedback als Teil der Lehre plädiere) und (c) welche eigenen Ideen (neben den meinen) die Teilnehmer dazu haben, die Prüfungskultur zu verändern.

Es zeigte sich doch ein relativ großer Konsens darin, dass man die Quantität der Prüfungen wieder zurückzufahren müsste – ohne deswegen zu den alten Zuständen vor Bologna zurückzukehren. Weniger Prüfungen wären eine Chance für höhere Qualität von Prüfungen. Das Constructive Alignment, so ein weiteres Diskussionsergebnis, müsste man eher auf der Studiengangsebene (als auf der Veranstaltungsebene) praktizieren – jedenfalls auf einer Ebene, auf der man eben NICHT bei kleinteiligen und dann wieder überbordend vielen Prüfungen landet. Schnell wurde deutlich: Ein Wandel der Prüfungskultur verlangt nicht nur (was auch wichtig ist), dass einzelne Hochschullehrerinnen ihre gegebenen Spielräume mehr nutzen; vielmehr müsste man in einem kollektiven Unterfangen auch den formal-rechtlichen Rahmen von Hochschulprüfungen umbauen. Prüfungsalternativen für Studentinnen waren ein weiterer Vorschlag für eine veränderte Prüfungskultur – verbunden mit dem Argument, auf diesem Wege der studentischen Heterogenität besser gerecht zu werden. In diesem Punkt fürchte ich selbst allerdings, dass man da prüfungsrechtlich wieder Probleme bekommt.

Ich melde mich inhaltlich zum Thema „Wandel der Prüfungskultur“ nochmal im Januar – dann auch mit dem Link zum Vortrag.

Noch eine kleine Anmerkung nebenbei: Wenn mein Vortrag dann mal auch auf dieser Seite hier verlinkt sein wird, wird auffallen, dass dieser nicht im Einheitslayout der Stiftung und des HFDs gestaltet ist. Warum nicht? Weil ich das grundsätzlich sehr ungern mache – egal ob das jetzt das Layout der eigenen Uni oder von sonst jemanden ist. Früher (also ich meine jetzt tatsächlich schon Jahrzehnte, die zurückliegen) hatte ich mich immer darüber gefreut, dass wir an Universitäten, anders als in großen Konzernen, nicht ständig zu irgendwelchen Corporate Designs genötigt waren. Heute ist das anders: Man hat zunehmend nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern bitte auch seine Organisation zu präsentieren, indem man (oft ziemlich schlechte und unsinnige) Vorlagen benutzen soll. Mich beschleicht da immer mehr der Gedanke, dass wir heute als Wissenschaftlerinnen mitunter mehr FÜR Organisationen arbeiten (wie können wir mit unserer Drittmittelakquise und unseren Ergebnissen den Ruhm der Organisation mehren?) als umgekehrt Organisationen FÜR die Wissenschaft da sind (wie können Organisationen die Wissenschaftlerinnen in ihrer Forschung unterstützen?). Ja, das ist jetzt ein anderes Thema und nur eine Randbemerkung. Aber vielleicht noch so viel: Ich erkaufe mir die Freiheit vom Corporate Design zumindest anderer Organisationen manchmal dadurch, dass ich – wie im aktuellen Fall – einfach kein Geld nehme, womit sich jetzt endlich der Titel des Blogbeitrags erklärt ;-). (Ein Academic Corporate Design – ein Design, das uns als Wissenschaftlerinnen oder als Angehörige einer Disziplin kennzeichnet – ich glaube, das würde ich verwenden … :-))

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