Mit Podiumsdiskussionen kann man es niemandem Recht machen: Entweder sie sind langweilig, weil sich endlose Monologe ohne gegenseitige Bezugnahme aneinanderreihen, oder die Diskussion gerät aus dem Ruder, was – die richtigen Diskussionspartner mal vorausgesetzt – mitunter noch den höchsten Unterhaltungswert hat. Beides fand während der abschließenden Podiumsdiskussion auf der GMW 2009 dank einer dominanten und durchgestylten Diskussionsleitung nicht statt: Die Moderatorin (Verena Metze-Mangold) hatte die Diskutanten ziemlich im Griff und zudem selbst einen recht hohen Redeanteil. Das ist schade, zeigten sich doch in den einzelnen Aussagen von Heidi Schelhowe, Horst Niesyto, Peter Baumgartner, Oliver Vornberger und Thea Payome durchaus recht unterschiedliche Positionen, die man durch geschickte Fragen (die man halt spontan hätte stellen müssen) aus meiner Sicht durchaus deutlicher hätte herausarbeiten können. Dann wäre wohl auch ein beträchtliches Streitpotenzial zum Vorschein gekommen, das einen zumindest gedanklich etwas weiter gebracht hätte. Ein paar Beispiele:
- Dass niemand was gegen Medienkritik als eine Komponente von Medienkompetenz hat, dürfte klar sein. Welchen Stellenwert das aber heute in Schule und Hochschule tatsächlich hat und inwiefern das von gesellschaftlichen Gruppen (u.a. von Vertretern der Wirtschaft) wirklich gewünscht und gefördert wird, ist sicher alles andere als klar.
- Keiner hat nachgehakt, was Peter Baumgartner denn eigentlich genau unter „user-generated context“ versteht: Ist das jedem klar gewesen? Mir nicht – aber das Publikum hat leider keine Chance erhalten, selbst Kommentare oder Fragen zu formulieren.
- Lernen aus der Praxis – so ein Motto auf die Frage, wie denn der optimale „virtual classroom“ aussieht (wobei man die Frage selbst schon hätte auseinandernehmen können) – schien konsensfähig zu sein. Aber ist das das wirklich? Gleichzeitig nämlich wurde betont, wie wichtig „Orientierungswissen“ ist: Was ist denn das für ein Wissen und in welchem Verhältnis steht es zur Praxis? Wissen wir das? Ich weiß es nicht. Ich frage mich das bei jeder Lehrveranstaltung, die ich mache, aufs Neue: Was sollte man nur mal gehört haben, was sollte man zumindest wiedererkennen und was sollte man wirklich in dem Sinne „wissen“, dass man es artikulieren und anwenden kann? Orientierungswissen – das sagt sich so leicht, klingt gut und scheint uns von der Mühe zu entlasten, inhaltlich zu werden.
- Auch in der Diskussion wurde klar, dass wir didaktischen Anforderungen kaum mehr ohne gleichzeitigen Blick auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen begegnen können. Folgerichtig fiel auch das Stichwort von der „Ökonomisierung der Bildung“ – eine Steilvorlage, die mehr als eine spannende Nachfrage ermöglicht hätte. Man begnügte sich mit der Klage, dass der Begriff Bildung im „Kanzlerduell“ kaum eine Rolle spielte und der Bachelor nur mehr zur Berufsausbildung diene.
- Es klang an, dass die Hochschullehrer daran nicht ganz unschuldig sind (was auch stimmt): Sie würden keine Lobbyarbeit betreiben (man könnte nachfragen: Sind wir Politiker?) und sie würden sich unverständlich artikulieren (man könnte nachfragen: Sind wir Journalisten)? Ja, natürlich wär es super, wenn wir Forscher, Lehrer, Politiker und Journalisten in einem wären. Manche bekommen das ja auch hin – aber ist das eine flächendeckende Lösung für Probleme in der Hochschullandschaft? Dazu hätte ich gerne die Meinung der Diskutanten gehört – unter anderem.
Ich will jetzt die Podiumsdiskussion und vor allem auf keinen Fall die Teilnehmer/innen schlecht machen, die meiner Ansicht nach sorgfältig ausgewählt waren. Gute Podiumsdiskussionen sind vielleicht auch ein Glücksfall – zu viele Faktoren müssen stimmen, damit das wirklich gelingt. Worauf ich aber hinweisen wollte, sind die aus meiner Sicht nicht eben wenigen offenen Fragen, die man hätte aufgreifen und als Anker für einen weiterführenden Meinungs- und Ideenaustausch hätte nutzen können, wenn (a) etwas mehr Zeit gewesen wäre, (b) die Moderatorin etwas sensibler und zurückhaltender gewesen wäre und (c) am Ende noch Raum für Publikumsfragen gewährt worden wäre.
Eine Podiumsdiskussion mit Experten gut zu moderieren, ist wohl das schwierigste Geschäft überhaupt und erfordert nicht nur eine hohe Moderationskompetenz sondern auch eine solide eigene Expertise zum Gegenstand. Was die Einbeziehung des Publikums angeht, finde ich Christian Spannagels Vorschlag, die Ergebnisse einer Twitterwall mit in die Moderation einzubeziehen ganz hervorragend. Vgl: http://is.gd/3z8qi
Auf der Bildungsexpedition http://www.bildungsexpedition.de/ hat das Team vorgeführt, wie man die Zuhörer wirklich partizipieren lassen kann und welche Vergrößerung des Outcome so erreicht werden kann. Die Moderation dort hatte immer eine „Netzassistenz“ (meist Melanie, die das hervorragend machte), die aus der Fülle von Zuschauerfragen eine Auswahl traf, die sie regelmäßig in die Diskussion einspeiste. Voraussetzung dafür ist natürlich: ein gut eingespieltes ModeratorInnen-Tandem, so wie bei Christian und Melanie. Soetwas ließe sich als good practice einer entstehenden Moderationskultur 2.0 auf f2f-Podiumsdiskussionen übertragen. Wenn die Anzahl der Tagungstwitterer in den nächsten Jahren gewachsen ist, wird das sicher auch häufiger vorkommen. In twitter hatte ich verfolgt, dass die Möglichkeit, eine Twitterwall bereitzustellen, von den Twitterern herbeigetwittert worden war.
Da hatten wir es doch neulich schon’mal mit dem Thema „Orientierungswissen“.
Etwas grundlegender wird das hier behandelt (leider nur in Folienform):
http://www.uni-konstanz.de/FuF/Verwiss/scherer/downloads/VorlOrgaWS00_01/VOrga3.PDF
Aber man ahnt, worauf es hinausläuft. Jedenfalls NICHT darauf, sich mit einem anspruchslosen Wissensbgriff schnell aus der Verantwortung zu stehlen.
Moderation ist nicht leicht. Mein Fazit aus 10 Tagen Bildungsexpedition. Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön an Lisa Rosa für das Feedback, denn alles was mit Netzpräsenz zu tun hat ist im Grunde genau darauf angewiesen.
Ich muss Gaby Reinmann recht geben, wenn es darum geht, dass Podiumsdiskussionen sehr stark von einem optimalen Setting abhängen. Dazu gehört eben auch, dass die Moderation sich mit dem Thema auskennt und viel wichtiger, ein Gespür für relevante Aspekte hat. Dieses Beispiel hätte auch für den Bildungskongress in Düsseldorf der Metro AG passen können. Schlechte Moderation im Einklang mit viel zu interessantem Panel… da werden Ressourcen verschwendet. Schade! Wie gut, dass wir im Nachhinein über die Blogosphäre dennoch spannende und fruchtbare Aspekte herausgreifen können.