Fetisch und Folklore

Im November 2024 habe ich (hier) von der Gründung der Gesellschaft für Didaktik der Rechtswissenschaft (GfDR) berichtet und diese fachdidaktische Initiative auf hochschulischer Ebene als gutes Zeichen für die Wissenschaftsdidaktik bezeichnet. Nun war Julian Krüper, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Verfassungstheorie und interdisziplinäre Rechtsforschung an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender des Vorstands der GfDR, kürzlich im Online-Forum zu Gast, das ich im Rahmen des Professor:innen-Programms an unserer Uni anbiete. Allerdings hatte ich diesmal (aufgrund zu weniger Anmeldungen) das Forum geöffnet – und zwar für Personen mit Interesse an Wissenschaftsdidaktik, denn: Die Intention meiner Einladung war, etwas mehr über die Gründung dieser Gesellschaft als mögliches (wissenschaftsdidaktisch interpretierbares) Modell für andere Disziplinen zu erfahren.

Die Öffnung hat sich als richtige Entscheidung erwiesen. Wir waren insgesamt 19 Personen und neben Hochschuldidaktikern waren höchst verschiedene Disziplinen vertreten. Ich versuche, ein paar inhaltliche Eindrücke zusammenzufassen:

Die Gesellschaft für Didaktik der Rechtswissenschaft versteht sich, so Krüper, als akademische Fachgesellschaft, die sich dafür einsetzt, dass sich eine Fachdidaktik der Rechtswissenschaft entwickelt und verbreitet. Sie richtet sich an alle, die mit Fragen der juristischen Ausbildung befasst sind, also an Personen nicht nur an Universitäten und Hochschulen, sondern auch an solche aus der juristischen Praxis. Didaktisches Handeln professionalisieren, Reflexion und Diskurs, aber auch Forschung zur juristischen Ausbildung anregen, Reformen institutionell verstetigen sowie Beteiligte vernetzen – all das erhoffen sich die Gründungsmitglieder. Die Gesellschaft ist noch im Aufbau; geplant sind verschiedene thematische Ausschüsse, Veranstaltungen und andere Formate zum Austausch; auch Akteure aus Politik und Praxis sollen für die gemeinsame Arbeit gewonnen werden.

Ausführlich ist Julian Krüper auf die Motive hinter der Gründung der Gesellschaft eingegangen: Diese wurzeln in unterschiedlichen Unzufriedenheiten mit der juristischen Ausbildung, in verfestigten „Erzählungen“, was ein Jurastudium prägt (z.B. Angst, Überforderung, Stress), und in einer ausgeprägten Fokussierung des Staatsexamens als „Fetisch und Folklore“ – so Krüper. Didaktische Konzepte seien in der juristischen Lehre wenig verbreitet; dazu komme in der Disziplin eine „unklare Wissenschaftsposition“. Hinter der Gründung der Gesellschaft für Didaktik der Rechtswissenschaft liegen also viele und vielfältige Gründe sowie eine enorme „praktische Virulenz“, der wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zum Lehren und Lernen in der Rechtswissenschaft gegenüberstehen.

Die anschließende anregende Diskussion nahm Bezug sowohl auf die beschriebenen Spezifika in rechtwissenschaftlichen Studiengängen, die als professionsorientiert gelten, als auch auf Ähnlichkeiten und Unterschiede angesprochener Aspekte im Vergleich zu anderen Fächern und deren Lehre. Zudem wurden einige interessante Kommentare beigesteuert, etwa dazu, wie wichtig es für die Hochschullehre ist, dass Didaktik in den Fächern ernst genommen wird und fachwissenschaftliche Lehre didaktisch beforscht wird. Es gab auch kritische Rückfragen, inwiefern eine Gesellschaft für hochschulische Fachdidaktik, wie sie die Rechtswissenschaft nun initiiert hat, spürbare Wirkung entfalten kann – zumal, wenn die Problemlagen multifaktoriell bedingt sind. Meine persönliche Einschätzung dazu ist, dass solche Fachgesellschaften ein wichtiger Anfang sind, selbst dann, wenn man nicht schon von Beginn an eine „Wirkungsgarantie“ hat. Zusätzlich wären vermutlich Professuren für fachspezifische Wissenschaftsdidaktik effektiv, die allerdings auch auf Dauer angelegt sein müssten.

Fazit: Es hatte sich „gelohnt“, Julian Krüper einzuladen. Seine Erfahrungen aus der Rechtswissenschaft haben sich als anregend herausgestellt und die Gesellschaft für Didaktik der Rechtswissenschaft ist ein gutes Beispiel, wie man eine fachspezifische Wissenschaftsdidaktik anstoßen kann.

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