Die Zeitschrift für Erziehungswissenschaft hat im Oktober ein Sonderheft herausgegeben mit dem Titel „Empirische Bildungsforschung. Der kritische Blick und die Antwort auf die Kritiker“ (Volume 19, Issue 1 Supplement, October 2016). Das Editorial beginnen Klaus-Jürgen Tillmann und Jürgen Baumert mit der Feststellung, dass die Entwicklung der empirischen Bildungsforschung in Deutschland seit den 1990er Jahren eine Erfolgsgeschichte sei – bis hin zu einer gestiegenen öffentlichen Aufmerksamkeit. Es ist von einer selbstbewussten Expansion die Rede, die aber auch kritische Stimmen hervorgerufen hat – polemische ebenso wie ernsthafte, so Tillmann und Baumert. Ungewöhnlich an der wissenschaftstheoretischen und wissenschaftspolitischen Kritik seien nun weder ihre Existenz noch die Schärfe und Zuspitzung, die man beobachten könne. Ungewöhnlich sei eher der Verlauf: „Während die erziehungswissenschaftlichen Kritiker der empirischen Bildungsforschung […] ihre Positionen in einer Vielzahl von Büchern und Aufsätzen formuliert haben, hat es bisher bei den Akteuren der empirischen Bildungsforschung nur eine eher verhaltene Reaktion auf diese Kritik gegeben“. In der Folge habe sich kein wissenschaftlicher Disput entfalten können. Eine Feststellung, der ich mich nur anschließen kann.
Das nun vorliegende Heft dokumentiert Beiträge eines wissenschaftliches Kolloquiums, das Ende 2014 an der Universität Hamburg mit 70 Bildungswissenschaftlern stattfand (wobei Tillmann und Baumert hier Bildungsforscher von Erziehungswissenschaftlern unterscheiden – warum eigentlich?). Leider geht es – wie zu erwarten – fast ausschließlich um Bildungsforschung im Kontext Schule, aber man könnte, wie ich finde, anhand der Beiträge auch eine Diskussion über die Forschung zu Bildung, Lehren und Lernen an Hochschulen anstoßen. In jedem Fall sind die Artikel sehr interessant und die dokumentierte Auseinandersetzung meiner Einschätzung nach enorm wichtig. Besonders gut hat mit der Text von Johannes Bellmann gefallen (Titel: „Datengetrieben und/oder evidenzbasiert? Wirkungsmechanismen bildungspolitischer Steuerungsansätze), der mit seinen Ausführungen versucht, begriffliche Klarheit im Umkreis der Evidenzbasierung zu schaffen (zu diesem Thema siehe auch hier).
Ich habe noch nicht alle Texte in der Gänze gelesen. Aber bereits die Lektüre einiger der Beiträge sowie die Zusammenfassungen legen nahe, dass wir die dabei angeschnittenen Themen unbedingt auch in der Hochschuldidaktik aufgreifen sollten.