In einem Interview mit Zeit Campus (hier) beleuchtet der Soziologe Hartmut Rosa zum einen das heutige Lebensgefühl von Studierenden und zum anderen den Zustand unserer Universitäten, der dazu beitrage (danke an Sebastian für den Link-Tipp). Psychische Probleme und deren Folgen für das Studium führt Rosa unter anderem auf den Zeitgeist zurück, der Studium und Lehre (man könnte ergänzen: auch Forschung) seit Beginn der Bologna-Reform erfasst hat: Es werde, so Rosa, an Universitäten eine stromlinienförmige Geschäftigkeit gefördert: „Vieles läuft unter dem Begriff des Qualitätsmanagements, das Sicherstellen und Verfügbarmachen von Leistungen und Portfolio-Kompetenzen“. Die Folge sind zu viele Erwartungen, die in eine zu kurzer Zeit gepresst werden.
Schlagwort: Reflexion
Von der Reflexion zur Selbstreflexion
Gerade noch rechtzeitig zum Jahresausklang ist die von Thomas Häcker, Wolf Hilzensauer und mir herausgegebene Ausgabe der Online-Zeitschrift Bildungsforschung zum Thema „reflexives Lernen“ online gegangen. Ich hatte mich dazu bereit erklärt, weil ich (a) auf diese Weise Thomas Häcker und seine Position näher kennenlernen konnte (der mir auf dem Papier bzw. digital mehrmals schon beim Thema E-Portfolios „begegnet“ war) und weil ich selbst eher Schwierigkeiten mit dem Begriff des „reflexiven Lernens“ habe. Ja, ist das denn die rechte Voraussetzung für die Mitherausgeberschaft eines Themenhefts? Nun, die intensivere Auseinandersetzung mit einem Thema in Verbindung mit Lehrveranstaltungen und Publikationen anzugehen, ist im Wissenschaftsbetrieb sicher nicht ungewöhnlich und ein durchaus interessantes Prozedere (das meines Wissens wissenschaftssoziologisch oder -psychologisch noch nie ernsthaft untersucht wurde – warum eigentlich nicht?). Oft ist es ja so, dass diejenigen Lehrveranstaltungen (auch Publikationen?) am besten zu verstehen sind, bei denen man selbst als Novize gestartet ist ;-).
Dass es im Editorial heißt: „Reflexives Lernen als Grundlage Lebenslangen Lernens ist nicht nur aus pädagogischer Sicht interessant, sondern auch aus historischer, philosophischer, psychologischer und praktischer Perspektive“, steht da nicht von ungefähr: Ziel war es, verschiedene wissenschaftliche Zugänge zum „reflexiven Lernen“ zusammenzustellen, wobei von vornherein klar war, dass damit auch verschiedene Auffassungen dazu verbunden sind, was unter „reflexivem Lernen“ denn nun eigentlich zu verstehen ist. Meine anfängliche und nach wie vor bestehende Position dazu ist die, dass mit Ausnahme des „Reiz-Reaktion-Lernens“ behavioristischer Manier jedes Lernen auch Reflexionsmomente bedarf – sonst würde man wohl nicht von Lernen sprechen können, das diesen Namen auch verdient. Wohl aber gibt es sehr unterschiedliche Grade, vielleicht auch Qualitäten von Reflexion – und das, so meine ich, zeigen auch die in diesem „Heft“ versammelten Aufsätze.
Gefreut hat mich, dass auch Tobias einen Beitrag geliefert hat („Ganzheiltiche Reflexion auf dem Weg zu Selbstorganisiertem Lernen„): In diesem Beitrag führt er auch unser Begleitstudium und die darauf gerichteten (qualitativen) Studien an, die dazu bereits durchgeführt wurden. Die damit verbundenen kritischen Einschätzungen unserer Versuche, Studierende auch im knappen Bachelor-Studium zu projektorientiertem Arbeiten und einer darauf bezogenen Reflexion zu bewegen, hat zu einigen Turbulenzen und internen Diskussionen geführt – und die haben ganz gewiss eine ganze Reihe Reflexionsprozesse ausgelöst. Auch wenn das anstrengend ist (zumal dann, wenn man in die Rolle des Mediators gerät), sind das für mich genau die Dinge, die ich an sich an einer Universität erwarte: Kritische Auseinandersetzungen, das Ringen um die rechte Darstellung und Folgerung, Selbstzweifel und Aushandlungsprozesse – was zwar psychologisch für die Betroffenen nicht immer einfach, aber langfristig genau die fruchtbaren Prozesse sind, die man getrost als reflexives Lernen bezeichnen kann.
Danke an der Stelle an die Herausgeber/innen der Zeitschrift Bildungsforschung für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.