Nicht wenige Journalisten der sogenannten Qualitätspresse scheinen sich sehr bedroht zu fühlen vom gemeinen Web-User, von den Bloggern und sonstigen „Ideologen des Internets“, die sich – so das Feindbild – in einem gigantischen rechtsfreien Raum tummeln und kriminelle Machenschaften in anarchistischer Grundstimmung billigend im Kauf nehmen. Mir ist die letzte ZEIT-Ausgabe fast aus der Hand gefallen, als ich den Artikel „Wider die Ideologen des Internets!“ von Heinrich Welfing gelesen hatte: Gehöre ich als intensiver Nutzer des Internets zu einer wachsenden Gruppe von Personen, die nach dem Motto lebt „Im Namen der Freiheit wird der Austritt aus dem Recht propagiert“? Nur der nebenstehende kürzere Beitrag über die „Geistesaristokratie“ von Gero von Randow, der sich zu einer differenzierteren Argumentation aufgerafft hat, hat dazu geführt, dass die ersten Seiten der ZEIT nicht sofort im Mülleimer der Bahn gelandet sind. Die hier deutlich werdende „unerträgliche Seichtigkeit der deutschen Internet-Debatte“ hat Marcel Weiss in einem längeren Kommentar zu diesem absolut verunglückten Artikel sehr gut auf dem Punkt gebracht. Ich empfehle die Lektüre dieses Beitrags sehr, dem erst mal nicht viel hinzuzufügen ist.
Anders als Weiss interessiert mich allerdings schon, wie es dazu kommt, dass man bei der Lektüre von Zeitungen wie der ZEIT bei diesen Themen zunehmend das Gefühl hat, dass das Internet zu einem Feind und Gegner (jetzt: Gegner des Rechts) hochstilisiert wird: Wovor genau hat man Angst? Was steckt hinter der Polemik, die inzwischen beleidigende Züge annimmt? Wie kommt es, dass sich hier ansonsten gut recherchierende Journalisten mit Politikern verbünden, denen nicht mehr als Stammtisch-Vorschläge zur Lösung gesellschaftlicher (nicht technischer!) Probleme einfallen? Überhaupt kann ich nicht verstehen, warum man hier in der Politik nicht offensiver ist und ein paar alte an Netz-Phobie leidenden Herren (und Damen) mit Vertretern aus internetaffinen und -erfahrenen Bereichen der Ökonomie, Kultur und Wissenschaft ersetzt, die echte Lösungen für neue Gefahren und Risiken erarbeiten, die eine wohl noch lange nicht abgeschlossene digitale Entwicklung für unsere Gesellschaft ohne Zweifel mit sich bringt. Pseudo-Lösungen wie Internet-Sperren und Kriegserklärungen gegen aktive Netz-User sind wirklich fehl am Platz. Und die mediale Unterstützung solcher Tendenzen ist schon ziemlich enttäuschend.
Ich habe die letzte „Berichterstattung“ der Zeit als platte Kampfschrift aufgefasst. Mir hat das Ziel der Artikel gefehlt ebenso wir Ansätze zur Verbesserung der propagierten „Probleme“ wie z.B. eine Förderung von Medien- und Informationskompetenz oder Bildung der Lehrer und Eltern. Zudem fallen mir auf Anhieb mehr „geistesaristokratische“ Internetseiten mit qualitativ hochwertigen Inhalten ein als Zeitungen in Deutschland 🙂
Einmal Feind, immer Feind.
Ich befürchte, dass Journalisten „das Web“ einmal als Feind, da kostenlose Alternative, in die Köpfe gebrandmarkt wurde und sie daraufhin negative Aspekte suchen/gesucht haben, sich immer stärker auf diese Haltung versteift haben und es nun sehr schwer fällt, offen zu sein, was das Web sein könnte und seine Meinung zu ändern.
Zeitungen wollen nicht ihre Autorität gefährden, indem sie veröffentlichen, dass die negative Berichterstattung der letzten Jahre, so nicht richtig war. Auch nicht wenn sie eine angebliche Qualitätszeitung sind.
(Natürlich sind nicht alle Journalisten so und es gibt auch Zeitungen, die tatsächlich versuchen sich der Wahrheit anzunähern. Hoffe ich zumindest.)