Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Wissenschaft 2.0?

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Unter dem Titel „Forschen und Lehren in der Öffentlichkeit“ hat Christian Spannagel vor knapp zwei Wochen in Hamburg einen Vortrag in der Ringvorlesung „Medien und Bildung“ gehalten. Dabei hat er ein aus meiner Sicht sehr spannendes Thema aufgegriffen, das an anderer Stelle (nämlich hier) auch als „Öffentliche Wissenschaft“ bezeichnet wird. Ich habe mir Christians Vortrag angehört, dann auch dank Googles verwerflicher (?) Digitalisierungswut in Peter Faustichs Herausgeberband „Öffentliche Wissenschaft“ herumgeblättert und mir ein paar Gedanken dazu gemacht. Ich komme momentan auf mindestens fünf verschiedener Lesarten bzw. Intentionen von „öffentlicher Wissenschaft“:

  • Erstens kann der klassische Wissenstransfer als Ziel im Fokus stehen, also der Versuch, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis nutzbar zu machen, wofür es natürlich zahlreiche Wege gibt: von der wissenschaftlichen Weiterbildung bis zur Wissenssendung.
  • Zweitens kann man primär den öffentlichen Zugang im Sinne von Open Access im Blick habe, wenn man für eine öffentliche Wissenschaft plädiert – mit allen Streitpunkten, die wir dazu aktuell haben.
  • Drittens kann man (wenn auch verknüpft mit dem ersten Punkt) vor allem die persönliche Bildung durch Wissenschaft anstreben – und das eben nicht nur bezogen auf Studierende, sondern auch bezogen auf alle anderen interessierten Bürger, die über die Beschäftigung mit Wissenschaft ihren Horizont erweitern.
  • Viertens – und jetzt kommen wir zu dem, was Christian allem voran vorschwebt – kann man eher eine „partizipative Wissenschaft“ , also vielleicht eine Wissenschaft 2.0, als Ziel einer öffentlichen Wissenschaft definieren: Interessanter Weise wird hier von Christian der „mode 2“ ins Feld geführt, was Erinnerungen in mir wach ruft, nämlich z.B. die Rede von Franz Weinert zu Heinz Mandls 60. Geburtstag. In dieser Rede (die es leider nirgends schriftlich gibt) drückte Weinert sowohl seine Skepsis gegenüber dieser partizipativen Form der „Wissensproduktion“ aus als auch seine Hochachtung vor Mandl, der es immer verstanden habe, solche neuen Trends mit der klassischen Grundlagenforschung zu verknüpfen.
  • Fünftens gibt es immer mehr Leute, die meinen, „öffentliche Wissenschaft“ heiße vor allem öffentlichkeitswirksames Wissenschaftsmarketing. Nun sind die Grenzen zwischen informativen und motivierend gemachten Darstellungen von Wissenschaft und Forschung auf der einen Seite und anbiedernder Exzellenz- und Qualitätsrhetorik im Hochglanzformat auf der anderen Seite sicher fließend und von mir aus kann eine „MS Wissenschaft“ auch mal eine Zeitlang durch die Flüsse schippern. Aufpassen aber muss man da schon, dass man wissenschaftliches Denken und Handeln nicht nur als Unterhaltensangebot und Anreiz für mögliche Sponsoren nutzt, sondern als ernst zu nehmende Chance zur technischen, wirtschaftlichen UND kulturellen und humanen Weiterentwicklung von Gesellschaften … und als Wert an sich.

Nächsten Dienstag (am 9. Juni) bin ich übrigens auch in Hamburg – mein Thema dreht sich aber um eine andere Frage, nämlich um die Herausforderung des forschenden Lernens.

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