Open Access … auf Kosten der Autoren?

Die neue Offenheit des Wissens“ verspricht ein Artikel in der Zeitschrift „Max Planck Forschung“ (Nr. 3) (danke an Jochen Roben für den Hinweis). Die ersten vier Seiten lesen sich wie der Beginn einer neuen Ära mit transparenteren Review-Verfahren, mehr Sicherheit vor falschen Daten und Plagiaten, größeren Chancen für Nachwuchswissenschaftler und vor allem besseren Forschungsbedingungen, weil theoretische und empirische Erkenntnisse für jeden Interessierten frei zugänglich sind. Beeindruckend ist vor allem die Vorstellung, dass Autoren alle (auch die Gutachter-)Kommentare zu ihrem Beitrag lesen und wiederum beantworten können, dass tatsächlich so etwas wie ein Diskurs entstehen kann, der im klassischen Review-Verfahren jedenfalls auf dem formalen Wege nahezu ausgeschlossen ist. Und das alles unter den Bedingungen des Open Access – was wollen wir mehr? Ich rate aber dann doch, den Text zu Ende, also auch die letzten drei Seiten zu lesen. Da kommt die Katze nämlich aus dem Sack – ich zitiere: „Finanziert werden die Journale jedoch nicht, indem Leser Subskriptionen (also Zugriffsrechte auf Print- und Online-Formate) kaufen. Statt dessen bezahlen die Autoren“ (S. 30). Und die Beträge reichen von schlappen 500 bis 1000 Euro bis hinauf zu 3000 bis 5000 Euro. Die Forscher, die der Beitrag zitiert, sind natürlich Naturwissenschaftler und in der DGF wird erwogen, hierfür eigene Budgets bereit zu stellen. Was aber macht man bitteschön bei weniger üppig (z. B. durch Stiftungen) oder nicht durch Drittmittel geförderte Forschungsvorhaben und deren Ergebnisse etwa in den Geistes- und Sozialwissenschaften? Wird es mal dazu kommen, dass nur mehr der zitiert wird, der es sich leisten kann? Was ist denn das für eine Idee von Open Access – einer Idee, die ich im Bereich von Wissenschaft und Forschung immer so verstanden habe, dass damit Barrieren für einen freien Wissensaustausch aus dem Weg geräumt werden? Habe ich da vielleicht die ganze Zeit was falsch verstanden?

Fakt ist nun eben, dass das Geld, das man braucht, um einen Text auch ordentlich zu setzen, von Tippfehlern zu befreien und lesbar aufzubereiten, von irgendwo herkommen muss. Selbstverständlich kann man nicht im Ernst verlangen, dass Verlage das kostenlos machen. Umgekehrt leuchtet mir aber auch das Argument ein, dass es ein Irrsinn, wenn der Staat erst Geld investiert, um Forschungsbefunde zu produzieren und dann noch einmal zahlen muss, wenn es darum geht, diese Befunde in Form von lesbarer Information z. B. für die eigenen Bibliotheken wieder einzukaufen. Da stimmt was nicht in diesem System, oder?

Die Forderung an Wissenschaftler, doch einfach Ihre Schriften frei ins Netz zu stellen (statt sie klassisch zu publizieren), ist auch etwas naiv: Wer sich um die raren Stellen an unseren Hochschulen bewirbt, wird daran gemessen, in welchen bekannten Zeitschriften er publiziert hat – und zwar in solchen, die ein Review-Verfahren praktizieren und das sind meist die, die auch besonders teuer sind. „Aber ich habe viele gute Kommentare in meinem Weblog bekommen“ – na ja, das kann ja jeder mal so bei einer Bewerbung um eine Stelle versuchen, wird aber wohl nur ein verständnisloses Lächeln kassieren (denn was bitte ist denn ein Weblog?). Langsam habe ich den Eindruck, dass die Autoren die Bösewichter sind: Publizieren Sie online, kommen sie nicht weit (bezogen auf ihre berufliche Laufbahn). Gehen sie den klassischen Weg, weht ihnen der Wind der Verachtung entgegen – jedenfalls von denjenigen, die sich – durchaus aus ehrenwerten Gründen – der Idee des Open Access verschrieben haben. Vielleicht sollten wir besser gar nichts mehr schreiben? Vielleicht sollten wir komplett aufs mündliche Erzählen umsteigen? (Vielleicht würde uns das ja auch von den Informationsfluten befreien).

Und die Universitäten? Die meisten halten sich eher vornehm zurück und warten mal ab, was passiert: Wo sind denn mal gute Vorschläge, wie wir dieses Problem lösen könnten? Was ist mit eigenen Universitätsverlagen (am besten im Verbund), die aus Studienbeiträgen finanziert werden? Wie wäre es mit einem „Solidaritätszuschlag“ der dicken DFG-Projekte an die heimische Bibliothek, damit diese neue Dienstleistungen erbringen kann, die bisher die Verlage übernommen haben? Oder einer Art „Fächerausgleich“ (ähnlich dem Länderausgleich), damit auch diejenigen Disziplinen Open Access betreiben können, die es sich ansonsten nicht (oder nur in geringer Qualität) leisten könnten. Und dann müsste man natürlich noch Aufklärungsarbeit betreiben mit dem Ziel, dass diese auch in den Berufungskommissionen ankommt. Vor allem gilt es, fächerspezifische Besonderheiten zu beachten – und bitte nicht zu vergessen, dass unsere Gesellschaft ihr Heil und Wohl durchaus nicht ausschließlich aus den Ingenieurs- und Naturwissenschaften zieht!

Also mehr fällt mir im Moment auch nicht ein. Aber vielleicht sollten wir mal ein paar kreative Ideen sammeln.

5 Gedanken zu „Open Access … auf Kosten der Autoren?“

  1. Ja, ich denke auch, dass das Thema alles andere als widerspruchsfrei ist und dass man wahrscheinlich noch für längere Zeit mit alten und neuen Strukturen wird parallel leben müssen. Aber in der Tendenz? Fachverlage ziehen eine historische Berechtigung aus Zeiten, als es für Wissenschaftler teuer, aufwendig bis unmöglich war, ihre Erkenntnisse ohne professionelle Hilfe zu publizieren. Im Zeitalter der Computerisierung und des Internets sind Verlage aber Intermediäre, die es zum Publizieren und Distribuieren nicht mehr braucht. Viele der Arbeiten, die mit Auswahl, Begutachtung, Edition und Freigabe von Artikeln verbunden sind (und vor denen ich in jedem Fall meinen Hut ziehe), fallen ja mit jeder Publikationsform an, ob traditionell oder Open Access.
    Bleibt vor allem der Punkt mit der Karriere: Nun, zum einen ist es ja heute schon so, dass im Rahmen einiger Zitations-Statistiken Open Access-Publikationen vor den klassischen Magazinen stehen. Ich denke, dass auch hier die Mühlen stetig mahlen. Und zum anderen weiß ich nicht, ob nicht doch Professoren auch einen Beitrag leisten können (ohne auf die „Hochschulen“ zu warten): Denn es sind doch Professoren, die in der Regel über Besetzungslisten und damit auch die Reputation von Wissenschaftlern entscheiden?
    Aber, wie gesagt, ich verstehe gut, dass man in diesen Übergangszeiten zweigleisig fährt und je nach Situation den einen oder anderen Weg wählt.
    Nächtliche Grüße, JR

  2. Lieber Jochen (oder muss ich Herr Robes sagen?),
    danke für den langen Kommentar. Mein Hinweis darauf, dass auch die Hochschulleitungen schlafen, bedeutet freilich nicht, dass ich meine, als Professoren sollten wir nichts dazu beitragen. Ich schreibe so etwas natürlich aus meiner Erfahrung heraus, und ich kenne viele (und mich meine ich damit auch), die eher trotz der Hochschulleitung oder sowieso meist auf eigene Faust handeln, weil sonst nichts voran ginge. Das ist also selbstverständlich. 🙂
    Gabi

  3. Liebe Gabi, ja, sorry, ich weiß, dass Du eigentlich die falsche Adresse für meine Anmerkung bist. Eigentlich gehört die ganze Diskussion in eine klassische Fachzeitschrift! 😉
    Jochen

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