Sie können auch anders!

Wer kann auch anders? Die GEW – also die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“. Bereits im Juni ging das neue wissenschaftspolitische Programm online; es stellt in einer Art 12-Punkte-Plan die Position der GEW zu Wissenschaft, Hochschule, Forschung und Lehre dar.

Es klingt meiner Ansicht nach etwas trotzig: „Wir können auch anders!“ Soll das eine Drohung sein? Nein, das ist eher nicht gemeint, vielmehr will die GEW mit dem „Schlachtruf“ zum Ausdruck bringen, dass sie keineswegs an alten Zöpfen hängt und zur Vergangenheit zurück will (wie man ihr vielleicht vorwerfen könnte), sondern dass sie auch für Reformen ist – aber halt anders. Ich weiß nicht so recht, ob das ein gelungener Einstieg ist.

Viele Aspekte in den zwölf Punkten sind begrüßenswert, aber mit allem kann ich mich nicht identifizieren. Etliche Absätze wirken zudem schon recht schlagwortbesetzt. Ein paar Gedanken dazu:

So stimme ich z.B. zu, wenn es heißt, dass man Studienplätze ausbauen muss (Punkt 1). Was aber heißt genau „bedarfs- und nachfragerecht“? Das wird nicht genauer gesagt. Eine Anrechnung von bereits erbrachten Qualifikationen ist auch okay – aber bis zu welchem Grad? Wenn man schon zig Punkte mitbringt bzw. angerechnet bekommt, welchen Sinn hat denn dann ein Studium noch? Meine klare Zustimmung hat dagegen das Plädoyer gegen eine „hierarchische Differenzierung in Elite- und Massenhochschulen“ (Punkt 2). Wenn das weiter und tiefer geht, halte ich das für eine gravierende Fehlentwicklung, von der wenige profitieren und viele das Nachsehen haben. Die „bedingungslose Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums“ kann ich so nicht unterstützen (Punkt 3). Man sollte endlich bessere Stipendien-Möglichkeiten schaffen. Eine maßvolle Gebühr von vielleicht 300,- Euro finde ich vertretbar und kann auch sinnvoll sein. Jeden Kindergartenplatz muss man bezahlen – Bildung gilt vielen als so wenig wert … das kann ja auch nicht sein. Eine wichtige Frage ist die Rolle des Staates in der Hochschule (Punkt 4): Sowohl eine Detailsteuerung als auch der Rückzug des Staates sind problematisch – das sehe ich auch so. Wie eine Demokratisierung der Selbstverwaltung aussehen soll, die ebenfalls gefordert wird, bleibt unscharf (Punkt 5): Das mit der Selbstverwaltung ist wirklich schwer. Manchmal wünschte ich mir da schon mehr Professionalität und weniger Gerede, wo jeder sein Statement abgibt, ohne dass etwas dabei herauskommt. Dagegen ist ein strikter Managementkurs auch nicht das, was man an der Hochschule haben will – eine echte Herausforderung also, wie man diese Quadratur des Kreises in Sachen Selbstverwaltung hinbekommt. Die GEW scheint es auch nicht zu wissen. Ganz klar spreche ich mich dagegen persönlich gegen Quoten aus (Punkt 7): Ich glaube nicht, dass das hilft, bestehende Ungleichheiten zu beseitigen. Besser sind da schon die Hinweise zur „familiengerechten Gestaltung der Wissenschaft“ (Punkt 6). Gut ist, dass die GEW auch das Thema „Funktionsstellen mit unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen“ angeht (Punkt 8): Es ist ein Unding, dass es von diesen Stellen so wenige gibt, obschon genau die Aufgaben wachsen, wofür man solche Funktionsstellen dringend bräuchte. In eine ähnliche Richtung geht die aus meiner Sicht berechtigte Forderung, die Ausbeutung von Lehrbeauftragten zu beenden. Was an einer Habilitation in Fächern, wo man das gut begründen kann, schlecht sein soll, verstehe ich dagegen nicht. Enttäuscht war ich von Punkt 9: Was da über Qualität steht, stimmt ja auf diesem abstrakten Niveau alles. Aber dass die GEW hier nicht eindeutiger zur Akkreditierung Stellung nimmt, finde ich bedauerlich! Die Aussagen zu Mobilität und Berufsfähigkeit stimmen in etwa mit den Bologna-Papieren überein – was ist da der Mehrwert? Und was bitte sind „autonome Seminare“? (Punkt 10). Gegen die Kritik am föderalen Flickenteppich speziell bei der Lehrerbildung kann man nichts sagen (Punkt 11) und wer sollte schon ernsthaft etwas gegen die „Einheit von Forschung und Lehre“ (Punkt 12) haben, wenn man nur wüsste, wie man das unter den heutigen Bedingungen bewerkstelligen soll. Ebenfalls schade, dass die GEW gerade im letzten Punkt kein Wort über die „Open-Bewegungen“ verliert – nach den Schmähartikeln der letzten Monate stimmt ja z.B. die SZ inzwischen versöhnliche Töne an (aktuell hier). Jedenfalls zeigt sich die GEW da nicht ganz auf der Höhe der Zeit.

Trotz alledem: Ein durchaus lesenswertes Programm. Es sollte sich jeder selbst eine Meinung bilden.

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