Wieder einmal bin ich einem Linktipp von Jochen Robes nachgegangen und habe den Educause-Beitrag von Ashely Deal zum Podcasting gelesen: Die Schlussfolgerung, zu der die Autorin kommt, ist wahrlich nicht neu, nämlich dass pädagogische Ziele und nicht technische Neuerungen den Anfang machen sollten, wenn man an neue Konzepte und Methoden des Lehrens und Lernens geht. Ja, stimmt, allerdings bin ich inzwischen gar nicht mehr so sicher, wie trennscharf man diese Grenze ziehen kann: Kann ich in meinen Gedanken über neue Formen des Lernens und Lehrens die neuen Technologien überhaupt noch ausblenden? Wie groß ist inzwischen der implizite Technologieanteil?
Wie auch immer: Der Text unterteilt zum einen die derzeit typischen Podcasting-Anwendungen im Bildungsbereich in drei Felder, nämlich (a) die (einfache) Aufzeichnung von Unterrichtseinheiten, die dann regelmäßig den Lernenden zur Verfügung gestellt werden, (b) die Nutzung von Podcats, die (aufwändig) eigens zu Bildungszwecken erstellt wurden, und (c) die Produktion von Podcasts durch die Lernenden selbst; zum anderen gibt der Text einen Überblick über erste empirische Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Podcats in der Bildung. Diese Ausbeute an empirischen Befunden ist nicht allzu groß – und ich darf mich darüber nicht mal kritisch äußern, denn obschon auch wir auch bereits in verschiedenen Varianten mit Podcasts experimentieren, haben wir die empirische Basis mit Untersuchungen ebenfalls noch nicht erweitert.
Ich gehe davon aus, dass es uns da geht wie vielen anderen an der Hochschule: Die Zeit wird immer knapper. Das mag vielleicht auch ein Grund sein, warum ich die erst genante Podcast-Variante (wahllose Aufzeichnung von Veranstaltungen) nicht favorisieren würde: In Zeiten, in denen uns so ziemlich alles jederzeit (prinzipiell zumindest) zur Verfügung steht, ist Zurückhaltung in Sachen Information vielleicht bald eine hoch geschätzte Tugend. Das hieße dann: Lieber weniger, dafür aber qualitativ hochwertige Inhalte – egal ob als Text, Audio oder Video. Der Anfang vom Abschied vom „user generated content“ (mit dem ich mich noch nie sonderlich anfreunden konnte)? Mal sehen ….
Ich hab ja den Text von Juli Little noch nicht gelesen, aber eine Schlussfolgerung die lautet „Der Anfang vom Abschied vom user generated content“ kann gar nicht dabei herauskommen, egal was Frau Little geschrieben hat.
Das wäre, wie wenn man der Ansicht wäre, weil die Word Textverarbeitung so schlecht zu bedienen ist und so kompliziert und wir alle eh viel zu wenig Zeit haben, werden die Nutzer einfach keine Texte in Zukunft mehr damit schreiben. Ich könnte also sagen: Word Textverarbeitungen, damit konnte ich mich nie anfreunden, schön dass der Anfang vom Ende gekommen ist.
Das es den user generated podcast nicht so bald als Massenphänomen in der Bildung gibt, da bin ich mir allerdings auch so ziemlich sicher. Allein schon deshalb, weil die technischen (Mikrofon, Audioverarbeitung) und sozialen (Ich muss mich selbst anhören, andere, Fremde hören mir plötzlich zu und besitzen die Dreistigkeit Feedback zu geben) Hürden doch deutlich höher liegen, als die der Nutzung einer Textverarbeitung.
Es ist also gerade nicht egal, ob Text, Audio, oder Video, auch wenn die Medienkompetenz bei Video scheinbar wächst (vgl. Handyvideos von Lehrern in YouTUBE).
Ich denke, das bildlich gesprochen, vor allem in Variante (c) „eine Menge Musik drin ist“. (c) die Produktion von Podcasts durch die Lernenden selbst!!! Dabei lernt man nämlich einfach am meisten. Das hab ich bei meinem eigenen Podcast (an dem ich immer gottseidank jedes Mal wieder lerne) selbst gelernt.
Wie wäre es denn Gabi, wenn die Schulen eine zweite Note in jedem Fach als Evaluationskriterium einführen? z.B.
Für Schülerbenotung: Souveräner Umgang mit Information beim Lesen, Verändern und Erzeugen mit Werkzeugen des Web?
Für die Lehrerbenotung: Ebenfalls ein Evaluationskriterium, das pro Halbjahr eine anspruchsvolle Leistung der Schüler im Web mit Text, Bild, Audio und Video umgesetzt worden ist.
Das auch nur irgendwas vom Web 2.0 in der Schule ankommt, OHNE dass man an den Evaluationskriterien etwas ändert glaube ich jedenfalls in tausend Jahren nicht. Es wird Web 2.0 im Privatbereich geben (Schülerweblogs, Communities wie z.B. http://www.schuelervz.de, und Schülerinitiierte Evaluationsportale wie z.B. http://www.spickmich.de, und auch Lehrerblogs wie z.B. http://www.schwellenpaedagogik.de) aber in der Schule wird gerade in Zukunft rein gar nichts passieren.
Von daher ist es aus meiner Sicht vollkommen korrekt die Schlussfolgerung zu ziehen, dass für die Bildung User Generated Content (Digitales Lesen, Schreiben und Vorzeigen) keinerlei Rolle spielen wird, wenn man nicht an die Evaluationskriterien herangeht.
Meine 2 Cent dazu.
Hallo Helge,
man muss nur einen Titel provokativ genug formulieren, um Reaktionen zu aktivieren – schön 🙂
Nein, der „Anfnag vom Abschied vom user-generated content“ ist auch nicht Littles Schlussfolgerung – sondern es eine Frage, nämlich meine Frage, die ich in die „Runde“ werfen wollte.
Du bringst das Assessment mit ins Spiel – und, ja, das ist ein Knackpunkt, wie wir ja schön öfter besprochen haben. Wenn es denn mal gelingen sollte, all unsere Ideen zur Verbesserung der Qualität von Lernen und Lehren mit intelligenten, aber auch machbaren Assessmentverfahren zu koppeln, dann haben wir – behaupte ich – auch schon „gewonnen“. Leider aber sind wir weit davon entfernt.
Also da haben wir Konsens in der Problemdefinition – vielleicht der erste Schritt für Lösungsideen, die man nicht sofort ins Land des Science Fiction verbannen muss?
Gabi
Liebe Gabi,
dieses Paper wollte ich auch kommentieren, aber da bist du mir schon zuvor gekommen … und Helge nun auch mit einem Kommentar 😉 Auch mir ist zunächst die Schlussfolgerung von Little aufgestossen; der Schwabe würde sagen “ wer hätt au des denkt …“ Ich möchte deine Aussage „Die Zeit wird immer knapper“ kurz zweifach kommentieren.
Zunächst ist es ja wirklich so, dass die technischen Neuerungen, d.h. Werkzeuge, die dazu animieren, die eigene Unterrichtsmethodik zu hinterfragen und zu verändern in einem Tempo erscheinen, dass einem selbst als experimentierfreudigem Unterrichtstechnologen kaum Zeit bleibt alles auszuprobieren, geschweige denn zu evaluieren und dann anderen Interessenten fundierte Ratschläge geben zu können.
Der zweite Aspekt betrifft die Informationsfülle, mit der wir durch diese leicht produzierbaren und abonnierbaren Angebote konfrontiert werden. Einerseits ist es ja durchaus faszinierend wie schnell von etlichen Tagungen nun Podcasts oder Videos ins Netz gestellt werden, andererseits würde ich mir in den meisten Fällen eher wünschen, es gäbe die Texte als PDFs zum Download, weil es einfach zu zeitaufwändig wird, alle mich interessierenden Beiträge nachzuhören. Da kenne ich noch kein Abkürzungsverfahren, das kostet mich „Echtzeit“, die ich eigentlich gar nicht habe.
Übrigens ist für mich im Bildungsbereich der Begriff user generated content irgendwie nicht passend (eigentlich nicht nur dort, auch allgemein gibt es doch nur einen Unterschied in der Verfügbarkeit der Produktionsmittel und deren mehr oder weniger (un-) professionellen Anwendung). Als Lehrperson ist für mich jedenfalls entscheidend, ob die Lernenden (ich spreche von Veranstaltungen an der Hochschule) eine Themenstellung adäquat bearbeitet haben (also Recherche, Aufbereitung, Präsentation). Nun haben wir die sehr niedrigschwelligen Werkzeuge zur Verfügung, die Aufbereitung und Präsentation auch multimedial und webbasiert erlauben. Ob sie überhaupt eingesetzt werden sollten, hängt doch mit vom Thema der Aufgabenstellung ab; nicht alles muss nun plötzlich so aufbereitet sein. Aber wenn ja, dann gelten „klassische“ Beurteilungskriterien, oder nicht?
@Gabi: Ja so eine Headline lädt ja dazu ein sich zu beteiligen. Ich glaube, eine gute Problemdefinition ist aus meiner Sicht fast schon mehr als bloss die halbe Lösung.
@jowe: Ich beziehe mich nur auf den U-Boot-Teil („Übrigens ist für mich…“):
***Warnung(!) ich habe mal wieder etwas ausgeholt, wenn schon denn schon…***
Ich finde es hat sich etwas fundamental verändert und das sind eben *nicht* nur die „Produktionsmittel für eine Homepage“. Eine komplette „Vernetzung von Gehirnen“ – wenn man das mal so reduzierend sagen darf – findet auf weltweiter Ebene statt und das wird hier bloss als ein veränderter Zugang zu einem Produktionsmittel gesehen??? Nein, also da komme ich jetzt nicht mehr mit. „Social Software“ und Menschen, die sich wie Algorithmen in die IT der Welt einbinden in blosser Hype, eine Blase, ein Luftschloss?
Nein. Wir sehen eine UNMENGE an Diensten und Anwendungen, die den sozialen Charakter des Menschen nutzen und adressieren und es handelt sich bloss um ein Produktionsmittel?? Dann ist eine Violine auch nur ein profanes Produktionsmittel und kein Werkzeug zur Herstellung eines jedes Mal einmaligen Kunstwerkes im sozialen Kontext. Computer sind dann allesamt nur noch ein Produktionsmittel. Kein Kommunikationsmittel, kein „Fahrrad für den Geist“, wie es Steve Jobs mal gesagt hat, kein Instrument zum Zugang zu den Bibliotheken der Welt, und, und, und…
Nein, so sehe ich es ganz und gar, und vor allem überhaupt *nicht*. Ich denke, der Rechner ist mit die Erfindung, die den größten sozialen Impact in dem vergangen Jahrhundert und den letzten Jahren auf die Gesellschaft und vor allem die sozialen Aspekte hatte, den man sich überhaupt vorstellen konnte (mal von der Wirkung unseres ökonomischen Basissystems basierend auf monetären Gesetzen abgesehen).
Sicher, ich kann einfach weitermachen wie bisher. Die Studierenden machen Recherche, Aufbereitung, Präsentation ganz „klassisch“. Genau, das möchte ich wirklich gerne mal erleben! Den Studierenden möchte ich sehen, der ganz klassisch und vor allem freiwillig auf Google Scholar, e-Lib und Expertenblogs, sowie Austausch per E-Mail, Instant Messenger und Online Community bei der Recherche verzichtet. Spätestens hier kommt der Versuch der Verteidigung des Status quo dann doch gewaltig ins straucheln, tut mir leid. Das ist Argumentation unter Ausblendung der Tatsachen einer durch Rechner massiv veränderten Welt.
Und weil die Veränderung dieser Welt nur bei einem kleinen Teil bislang ankommt (vornehmlich bei Wissenschaftlern und sehr gut ausgebildeten Personen), ist es doch durchaus überlegenswert, dem Rest der lernenden Welt mit Hilfe neuer Beurteilungskriterien ein wenig schneller auf die neue Richtung aufmerksam zu machen, oder?
Bildlich gesprochen sollte die Ausrichtung der „Karotte“ (Evaluationsziele und -kriterien) hinter der die Meute herhoppelt an die neue Situation angepasst werden, oder? Sonst hoppelt man nämlich bald ziemlich allein auf weiter Flur immer weiter in Kursrichtung Vergangenheit statt Zukunft!
Man kann die Veränderungen durch das Internet bejubeln, man kann sie hassen, man kann sie schnell akzeptieren und imitieren, man kann sie einfach nicht-glauben, man kann sie ablehnen, man kann sie glorifizieren, man kann sie verunglimpfen, aber das einzige was man nicht machen kann ist sie ignorieren. (Text in Anlehnung an eine bekannte Kampagne)
Aus meiner Sicht aber gibt es nicht nur diesen einen Unterschied, dass sich der Zugang zu einem Produktionsmittel geändert hat. Dem ist einfach nicht so. Es hat sich viel, viel mehr verändert. Computer sind bald überall also ubiquitär, es verläuft ähnlich wie die erste Welle der Elektrifizierung, es krempelt unser gesamtes zivilisiertes Leben um. Einige finden das so bedeutend, dass sie sogar alles daran setzen, die Entwicklungsländer mit Rechnern auszustatten (OLPC).
Schule wird vermutlich als letzte Festung, die Veränderung mit allem was da ist bekämpfen um den nächsten pädagogischen Phyrrussieg vorzubereiten.
Wenn für alle anderen ausserhalb der Schule gilt: „The best way to predict the future is to invent it.“ dann gilt für die Schulen selbst: „The best way to predict the future is to live in the past.“
Nein Danke! Das hatte ich schon in den 13 Jahren Schule, diese „klassische“ Schul-Zukunft mit „niedrigschwelligen Werkzeugen“ wie Tafelanschrieb mit Kreide und Heftabschrieb mit Tinte bei gleichzeitiger Frontalautorität ohne Teamgeist finde ich höchst unattraktiv und was viel schlimmer ist extrem demotivierend.
Kurzversion des vorherigen Eintrags als Nachtrag:
Mir geht es letztlich nur um den Aspekt der Veränderung. Institutionelle Bildung ist aus meiner Sicht der veränderungswiderständigste Komplex, den ich in meinem jungen Leben kennenlernen durfte.
Vielleicht ist das gut so („nicht jeden Trend mitmachen, sonst …“).
Vielleicht ist es aber auch eher schlecht („wer sich nicht an die Umwelt anpasst, …“).
Letztlich muss das wohl jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn gut oder schlecht ist.
Zuerst einmal ein klassisches Ufffz! Da stehen jede Menge Worte, deren Bedeutung mehr beinhalten als Kommentare Platz bieten, die in Gedanken tiefer gehen und trotzdem dem Anliegen nach der subjektivierten Darstellung einer Meinung Raum gerecht werden wollen. Und in einen solchen Diskurs, der nebenbei wahrscheinlich ohne Technologien nie stattgefunden hätte, einzusteigen, ist gar nicht so einfach.
Ich versuche es daher irgendwie chronologisch.
@ Gabi zum Ausgangsposting:
Ja, der Titel reizt und sicherlich sehr gut gewählt.
Um jetzt nicht vollkommen zu zerfasern nehme ich schlicht wenige mir wichtige Aspekte heraus:
ad 1: Auch ich habe die Schlussfolgerung so betrachtet, dass Juli Little unter der Podcastbgrifflichkeit die bislang einzige (und leider rein technische) Definition verstand und danach ist es natürlich folgerichtig auszudrücken: Die Verfügbarkit einer neuen technologischen Errungenschaft bildet qua se noch keinen Mehrwert, wenn man nicht pädagogische und/oder didaktische Szenarien zugrunde legt, die diese auch hervorrufen. Die Argumentation ist auf der gleichen Ebene, wie wen ich feststellen würde, dass die Einführung eines Videorecorders in Schulen ebenso keinen genuin eigenen pädagogischen Mehrwert hatte. (Ich spiele hier etwas bösartig an meine Schulerfahrung an, die geprägt war durch die massenhafte Videorekorder-einführung und der anschließenden: Jetzt ist das Ding da, jetzt wird es auch genutzt-Mentalität – von dieser Seite eine Entschuldigung, die solchen Anliegen einen sinnbringenden und transparenten Rahmenboten)
Nun stelle ich die Frage in den Raum, ob hier auch berücksichtigt wird, dass es Szenarien geben könnte, die durch Anwendung neuer Technologien erst möglich würden?! Die Schwierigkeit liegt einerseits im Abstrahieren solcher Szenarien, sodass sie auch andere zu eigenen inspirieren, und in dem Auffinden. So steht man vor vielleicht vor dem Problem, dass Inkulturation und Technologie verschmelzen, oder sich stärker bedingen, als dass es trennbar wäre. Abgesehen davon ergibt sich gerade im neuen Verständnis des Internet (Ja, ich suche nach einer Umschreibung von Web 2.0) die große Schwierigkeit, dass man in vielen Szenarien keine „Ziel“ -> „Wirkung“ Kausalität zugrunde legen kann, bzw. wenn man diese als alleinige Untersuchungsparameter hätte, große Effektbereiche schlicht ausgeblendet würden. (Bei Bedarf rückfragen, hierzu kann ich noch mehr sagen! :-))
Ad 2: Dass wir hier empirisch hinterherhinken mit der Schlussformel es doch irgendwann anders zu machen freut natürlich mein Forscherherz, und ich hoffe zum Einen, nicht mehr unter „wenigen“ zu sein, zum Anderen, ergeben sich sooo interessante weitere Ansätze, dass man hier ganze Töpfe füllen müsste, wollte man alles erforschen.
Ad 3: (unter Berücksichtigung von @Helge und @Jowe) : Einen Punkt mag ich auch gerne betonen: Zeit! Natürlich kostet es Zeit, wenn man Podcasts hört / Blogs liest / etc… Diese ist man auch nur bereit dauerhaft zu investieren, wenn man einen Mehrwert davon empfindet. Hierzu laufen m.E. gerade zwei Punkte konträr;
Ad 3.1: Die Nutzerperspektive unterscheidet sich grundsätzlich von der Gestalterperspektive. Aber sie kann verschmelzen.
Ad 3.2: Aus der Gestalterperspektive (in mir) warne ich nur davor einen zu kurzen Atem zu haben. Es kann dauern, bis auch gute Angebote sich schlicht herumgesprochen (oder sollte man sagen herumgebloggt) haben.
Als jemand, der gerade Einblick in zwei verschiedene Wege der Inhaltweitergabe (e-Learning via Blackboard und podcasting/blogging) hat, wage ich jedoch anzuführen: Beide Wege „rauben“ viel Zeit. Beide Wege geben erst nach einer ersten Investition auch etwas zurück, und die eigentliche „Produktionszeit“ in den neuen Wegen ist um einiges kürzer. Aber das ist ein neuer Threat.
An Helge gewandt bleibt mir die Achtung vor dem erlebten Frust und ob der Hinweise auszudrücken und gerade auf den letzten Satz des ersten Post etwas zu ergänzen: Man muss, kann, darf und sollte vielleicht zwei Dinge unterscheiden: Ob Web 2.0 in den Schulen ankommt, oder ob Web 2.0 bei den Schülern ankommt. Beides klingt ähnlich, die Antwort fällt jedoch sehr unterschiedlich aus:
Das erste: Es wird sich zeigen und sicherlich dann sinnvoll beantworten, wenn nicht nur die Technologie angewendet wird, sondern ein Mehrwert erfahren wird.
Das zweite: Teils – Teils. Und von dieser Warte au ein Horrorszenario: Untersuchungen haben ja doch gezeigt, dass viele Arbeitgeber natürlich nach Namen suchen, bevor sie weitere Entscheidungen treffen. Wie präpariere ich zukünftige Generationen auf solches Verhalten? Wie mache ich es transparent? Das „Don’t be evil!“ Motto geht mir nicht tief genug. „Dont Do It!“ halte ich für einen nicht effektiven Weg, es wäre bewahrpädagogisch wahrscheinlich wirkungslos, wenn nicht sogar fördernd. Medienkompetenz, die als Worthülse oder als politisierendes Argument für Geldausschüttungen verkommt, ohne mit Leben gefüllt zu sein, oder gar polarisierend einen Königsweg vorheuchelt, ist m. E. nicht nur unzeitgemäß, sondern verantwortungslos. Von daher ernst gemeint ein Horrorszenario, von einer Bewerbung erfahren zu haben, bei der Schülerinnen und Schüler mit dem Leichtsinn ihrer Vergangenheit konfrontiert worden wären, oder gar schlimmer, von Abmahnungen gegen Studierende auch an unserer Hochschule zu hören, denn man hatte es besser gewusst – kam jedoch in der Breite nicht zu Wort.
Was zu Jowe zu sagen war, ist eigentlich schon fast ausgedrückt. Ein Punkt zeigt sich jedoch noch entfaltungwert: Meines Erachtens gibt es neben der Erwartung von Ergebnissen und Präsentation, die sich durch die Leistungen von Studierenden bewerten ließen: Der Prozess. In diesem Kontext ließen sich die Technologien auch anders verwenden. Was ich damit auszudrücken versuche ist, dass gerade bei Podcasts mich nicht das Endergebnis interessiert, da ein Podcast kein Endergebnis hat. Da die Episoden durch das Attribut der Sequenzialität aufeinander aufbauen, ist auch die Abbildung eines Lernprozesses möglich. Auf dieser Einschätzung fusst auch meine Erwartungshaltung im Umgang mit diesem Medium und auch mit den Ergebnissen. Und ich erhalte hierdurch Einblicke, die mir als Lehrender ernsthaft sonst verborgen blieben. (Das trifft übrigens auch auf bestimmte Blog-Gattungen zu). Ich möchte hier um Gottes Willen niemandem vorschreiben, wie er seine Arbeiten von Studierenden zu bewerten hat, nur darauf hinweisen, dass sich durch einen solchen Ansatz möglicherweise ganz andere Szenarien entwerfen lassen, als sie derzeit in der Diskussion stehen. 🙂
Soweit von mir, und sorry, es ist doch länger geworden, als gewollt …
Bis denne
Andreas Auwärter
@Andreas: Nur ganz kurz zu dem Teil mit den angeblichen späteren Arbeitgebern, weil das ja offenbar immer noch als Totschlagargument gegen jede Form der Veränderung angeführt wird – genauso wie Gewalt, Rechtsradikalismus, neuerdings auch Linksradikalismus, Pornographie und Terror natürlich sowieso.
Ich fand den Beitrags „Google in der Personalabteilung“ dazu hilfreich:
http://aktuell.de.selfhtml.org/weblog/google-in-der-personalabteilung
Vor allem der Abschnitt „Was mache ich, wenn ’sie‘ mich finden???“ ist doch sehr lesenswert aus meiner Sicht. 😉
So jetzt muss ich aber an der Dissertation weiterschreiben… die Zeit, die Zeit…
Obwohl die Diskussion schon weit fortgeschritten ist, möchte ich den letzten Abschnitt des Postings von Gabi nochmals aufgreifen: nämlich das wahllose Aufzeichnen von Vorlesungen.
Gerade in der aktuellen Diskussion rund ums Podcasting fällt auf, dass das vor allem im Fokus bei den universitären Akteuren steht. Endlich meint man, durch das Abfilmen einer Vorlesung schnell, einfach und kostengünstig multimedialen Lerninhalt produzieren zu können. Und diese Meinung sitzt erschreckend tief in den Köpfen, habe ich festestellen müssen. Doch dass das Aufzeichnen einer Vorlesung sich von der Vorlesung und erst recht von gut didaktisch aufbereitetm multimedialem Lernmaterial unterscheidet, wird oft vergessen.
Doch ähnlich wie aus dem E-Learning mit dem Blended Learning eine gemässigten Variante wurde, wird es m.E. nach auch hier eine «gemässigte» Variante geben.
Hallo noch einmal. Zuerst einen Gruß an Mandy, die die Diskussion nun auch gefunden hat.
Im Punkt des Vergessens stimme ich dir vollkommen zu. Auch wenn ich – vielleicht zur Überraschung mehrerer – nicht so weit bin, zu urteilen, dass Vorlesungskonserven a la qick&dirty schnell zu quick&boring verkomen würden. Sicherlich könnten entsprechende Designs von Veranstaltungen mehr aus dem herausholen, anders als es sich derzeit in der Praxis niederschlägt. Und doch ist es ernstzunehmender Anfang. Und doch bleibt bei mir der Eindruck, dass hier vieles verschenktes weiteres Potential ist. Und doch stehen diejenigen, die um mögliche andere Mehrwerte wissen, vor dem Problem, dass sie diesen auch artikulieren wollen – was zugegeben nicht so einfach ist, da viele Phänomene deskriptiv gar nicht so einfach auf den Punkt zu bekommen sind. Es handelt sich nun einmal ein emmergenter Medienkomplex, dessen Phänomenologie sehr weit streut. Doch daran wird derzeit ja auch gearbeitet! 😉
@ Helge und dem Totschlagargument:
Sorry, gestern konnte ich nicht mehr darauf antworten. Ich habe aber den Eindruck, Du hast mich missverstanden. Man könnte bei feststehendem Gefahrenpotentialen gegenüber der Institution oder aber den aktiven Personen darauf schließen, dass man alles eher sein ließe. Aus einer solchen Lesart heraus hätte man natürlich eine perfekte Vermeidungsstrategie und ich kann auch das „Totschlagargument“ anderer nachvollziehen. Dagegen stehen jedoch m.E. zwei meiner Erkenntnisse: 1. Schüler würden es trotzdem tun. 2. Sie würden es folglich unrefletiert tun. Und in Anlehnung an einen tiefen ethischen Diskurs thematisch betrachtet: „Wer schläft sündigt nicht“ komme ich mehr desto stärker zu dem Schluss: Schule MUSS sich aus diesem Kontext heraus mit dieser Thematik auseinandersetzen. Und ergänzend der Hinweis: Wenn sie sich schon damit auseinandersetzt, dann auch so, dass sie sinnvolle Einsatzszenarien bereitstellt, in denen die Mächtigkeit dieser Werkzeuge nicht nur bewusst, sondern erfahrbar, nachvollziehbar und auf andere Gebiete transferierbar sind. Dabei sollte sich auch Raum für Grenzen und Problemräume ergeben. Im Fazit und als Antwort zu dem von Dir gesagten: Gerade, weil es Menschen gibt, die aus besagten Gründen Erfahrungen zu Web2.0 im Schulkontext scheuen, sollte es genügend Raum für diese Technologien in den Schulen geben, um „besseres“ zu demonstrieren und in der Wahrnehmung der Verantwortung, die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nicht in Gänze aus den Augen zu verlieren. Sonst entwickeln wir nur weiter die Parallelwelten und entfernen uns von dem Traum mit Schule auch „Lebensraum“ bieten zu wollen, wie er doch schon so oft artikuliert wurde.
Bis denne
Andreas Auwärter
@Andreas: Wow, ich hab Deine Antwort eben gelesen und bin begeistert. Das war das was ich lieber gerne konstruktiv formuliert hätte auf den Punkt gebracht.
Du sprichst aus, was ich gerne so schön gesagt/geschrieben hätte. Ich finde das ist auch eine tolle Herausforderung an Schule, „Besseres“ zu demonstrieren.
Damit hast Du schon eine Strategie der Zukunft inklusive Begründung formuliert würde ich sagen. gefällt mir sehr.
Liebe Gabi,
ich bleibe jetzt mal in diesem Thread … denn Helge und Andreas reiben sich ja besonders an meinem Kommentar und meinem Rückgriff auf „klassische“ Lehre. Da muss ich Helge gegenüber doch feststellen, dass meine Relativierung nicht den Verzicht auf Computer und Internet impliziert! Der Anstoß war ja Abschied vom user generated content nicht Abschied vom Computer als Arbeitsmittel! Dass die IT Arbeits- und Berufswelt, Privatleben und – ja auch – das Bildungswesen verändert hat, wird keiner in Abrede stellen. Aber in den konkreten Nutzungsszenarien gibt es offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen und Bewertungen.
Worum es mir geht, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Für die Behandlung der Evolutionstheorie (Biologie, Sekundarstufe II) könnte es spannend, wenn auch nicht ganz lehrplankonform sein, den Konflikt zwischen Darwinisten (stellvertretend z.B. Richard Dawkins) und Kreationisten (genauer intelligentes Design, stellvertretend z.B. Siegfried Scheerer) zu thematisieren. Natürlich wird die Arbeitsgruppe, die sich damit auseinander setzt, mit Google loslegen, natürlich wird sie auch auf Informationen zurückgreifen, die (erfreulicherweise) im Netzt verfügbar sind und natürlich können sie während ihrer Gruppenarbeit sich per E-Mail oder Chat über den Fortgang ihrer Arbeit austauschen bzw. mich anmailen, wenn Hilfe erforderlich ist (das Ganze wird abgewickelt über die Lernplattform lo-net2, die Schulen kostenlos zur Verfügung steht). Natürlich werden sie die Ergebnisse und die Aufbereitung ihrer Recherche digital erledigen. Aber – und das meinte ich mit themenabhängiger Aufbereitung – das muss weder eine PowerPoint Präsentation sein (halte ich in diesem Fall eher für ungeeignet), auch keine Weblogeinträge und kein Wiki (obwohl ich da die Einschränkung mache, dass das prinzipiell wünschenswert wäre, aber in den 4 Wochen, die dieses Projekt dauern soll und bei einer Kleingruppe, die das ganze bearbeitet, mir nicht zielführend erscheint), sondern ein Thesenpapier mit ausgewählten Belegstellen, dass über die Plattform allen in der Klasse vorab zugänglich gemacht wird und dann gemeinsam diskutiert werden kann. Dabei will ich auch nicht in Abrede stellen, dass es nicht auch bei diesem Thema spannend sein könnte z. Bsp. ein Podcast zu produzieren mit einem fiktiven Streitgespräch, das dann als Einstieg in die Klassendiskussion genutzt werden kann. Nur, und darauf wollte ich hinaus, ich muss für die adäquate Behandlung dieses spannenden Themas nicht gleich die ganze Bandbreite denkbarer digitaler Werkzeuge auffahren.
Bei vielen anderen Aspekten, die inzwischen auch angesprochen wurden, sind wir ja weitgehend einig. Zum Beispiel die Frage der Evaluation. Dazu erinnere ich mich an die 1970 von der damaligen „Bundesassistenten-Konferenz“ heraus gegebene Schrift „Forschendes Lernen – Wissenschaftliches Prüfen“, die schon damals das Problem gesehen haben: „Wer Studium in forschendes Lernen verwandeln möchte, sieht sich alsbald im Gegensatz zu den bestehenden Prüfungsordnungen. …Studienreform, wie wir sie meinen, ist ohne Prüfungsreform unmöglich“.
Gruß, Joachim
Ich muss gestehen, dass ich gerade keine Zeit habe, alle vorherigen Kommentare ausführlich zu lesen – insofern bitte ich um Entschuldigung, wenn mein Punkt bereits genannt wurde.
Aus meiner Sicht ist es hilfreich, wenn man den „neuen Medien“ weniger „zumutet“. Momentan sind wir – gerade von offiziell politischer Seite – noch in dem Stadium, in dem e-Learning „revolutionär“ ist und (mal wieder) alles Bisherige in den Schatten stellt.
Wenn man einfach pragmatisch an die Sache herangeht, kann man traditionelle Lehr- und Lernformen ohne den Druck der Weltrettung mit einzelnen e-Learning Anwednungen anreichern. Damit entsteht bereits ein deutlicher Mehrwert, ohne dass man erst jahrelange hitzige Debatten führen muss.
Ein Beispiel: meine Frau wiederholt gerade eine Vorlesung, indem sie den entsprechenden Podcast in Ruhe zu Hause anhört. Sie hat die Vorlesung besucht, hat ihre eigenen Notizen und das Lehrbuch auf dem Schoß. Da sie aber am besten auditiv lernt, ist die Aufzeichnung der Vorlesung für sie geradezu ideal. So eine Aufnahme stellt für den Dozenten kaum Aufwand dar, aber ein beträchtlicher Teil der Hörer profitieren enorm davon.
Weiter gehende Aspekte wie user-generated content etc. könnten in speziellen Fällen ebenso selbstverständlich nützlich sein – genauso wie sie in anderen Fällen völlig überzogen und unnütz sein könnten.
Ich würde es für wichtig halten, dass Lehrende die Möglichkeiten des e-Learning kennen, dass man aber den gesellschaftlichen Druck aus der Debatte nimmt. Die Argumentation „Lehrer sind altmodisch, die setzen ja noch nicht mal Podcasts ein“ bringt ja außer der Bedienung von Vorurteilen nicht weiter – und sagt meines Erachtens viel die geistige Tiefe dessen aus, der solche Argumente vorbringt.