Ja, also geärgert habe ich mich nun schon genug, dass die Forschungswerkstatt, die ich zusammen mit Peter Baumgartner geplant hatte, am vergangenen Wochenende (wegen Krankheit) in Wien ohne mich stattfinden musste (hier die Ankündigung). Dabei wäre es doch MEIN Thema gewesen – das heißt, es hat die Frage nach verschiedenen Wegen der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften zum Gegenstand gehabt. Und dieses Thema treibt mich ja schon länger nicht nur aufgrund abgelehnter Forschungsanträge um ;-), sondern auch, weil es unser tägliches Tun (neben der Lehre) unmittelbar berührt.
Die Forschungswerkstatt richtet sich vor allem an die Doktoranden im Umkreis an Peter. Doch seine Grundidee ist die, jede Forschungswerkstatt mit einem Partner zu machen (vor einiger Zeit war das Christian Kohls zu „Pattern-Theorien“) und die Zielgruppe dann auch für andere zu öffnen – u. a. für die, die dann eher aus dem Umkreis eben des Workshop-Partners kommen. Das war auch diesmal so:
Mandy, Silvia, Tamara und Tobias (nicht mehr, aber früher Augsburg) bildeten diesen Kreis. Das Thema war schwierig für eine Forschungswerkstatt, das habe ich schon bei der Vorbereitung gemerkt: Sobald man auf eine Metaebene der Diskussion kommt, kann das Interesse der Teilnehmer schnell schwinden, denn leider ist die Einstellung verbreitet, dass dieses Thema (Was ist wissenschaftlich? Was ist empirisch? Wie kommt man zu Erkenntnis und wie nicht? Etc.) zu abstrakt sei und mit dem täglichen Tun nicht viel zu tun habe. Ich denke, das ist ein großer Irrtum: Es ist die Hintergrundfolie, vor der wir arbeiten, unsere Projekte planen, Anträge schreiben und andere bewerten. Auf dieser Hintergrundfolie finden sich zahlreiche Prämissen, die manchmal viel Konsens haben, oft genug aber unreflektiert übernommen und dann als „Wahrheit“ abgespeichert und nicht mehr in Frage gestellt werden. Ein solches Vorgehen mag in Kontexten wir dem Straßenverkehr durchaus funktional sein. In Kontexten wie der Wissenschaft aber ist das ein Risiko, weil Ideologien entstehen, denen Wissenschaft ja genau etwas Tragfähiges entgegensetzen sollte.
Die ersten Reaktionen auf die Forschungswerkstatt (z.B. hier und hier) kommen zu einer positiven Gesamtbilanz: Ertragreich scheint vor allem der gegenseitige Austausch zu sein. Die eben angesprochene Metadiskussion aber war wohl doch nicht so einfach anzukurbeln – keine Ahnung, ob es mir gelungen wäre. Ich hoffe nun, es gibt Gelegenheiten, dieses Thema anderweitig mit Nachwuchswissenschaftlern weiter zu verfolgen. An der Stelle aber noch einmal einen großen Dank an Peter, dass er es alleine durchgezogen hat!
Liebe Gabi
Ich hätte grosses Interesse daran, das Thema vielleicht auch in Augsburg weiter zu denken, denn genau diese Ebene benötigt die Diskussion meines Erachtens nach noch. Ich weiss ja nicht, wie es den anderen ging, aber selbst auf der Rückfahrt liess uns das Thema nicht los, so dass es schon noch spannend wäre.
Liebe Grüsse
Mandy
Umso besser, wenn es dich nicht loslässt. Ja, wir werden das auf jeden Fall noch einmal aufgreifen!
Gabi
Liebe Gabi,
es war spannend, das kann man schon mal sagen. Was zu wünschen wäre, lässt sich meines Erachtens auf zwei Punkte verdichten.
(1) Eine stärkere Diskussion auf der Meta-Ebene (so hat es Mandy formuliert): Wir sollten tatsächlich über eine „Forschungslandkarte“ in den Bildungswissenschaften nachdenken. Damit stellt man sich eben deinen Fragen, Gabi. Was ist wissenschaftlich/empirisch usw.
(2) Umgekehrt müssten wir aber auch eine Diskussion über Forschungsqualität auf der Methodenebene führen, finde ich. Denn EINER der Gründe, warum wir mit neuen Ansätzen oft nicht durchkommen, ist m. E. auch, dass es uns an methodisch sauberer Forschung im Rahmen von alternativen Ansätzen (z.B. DBR) fehlt. Allerdings sind Forderungen nach Mixed Methods Forschung oder DBR auch mit einer Herausforderung nach hoher Forschungskompetenz sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Bereich verbunden. Hier fehlen uns gute Ausbildungsmöglichkeiten speziell mit bildungswissenschaftlicher Ausrichtung (Methoden-Workshops, Summer Schools) wie sie andere Disziplinen anbieten (Politikwissenschaften, Soziologie z.B.).
Ich finde, wir müssen auf beiden Ebenen etwas auf die Beine stellen, um nicht nur andere, sondern wirklich auch bessere Forschung zu machen.
Hoffe, wir sehen uns bald mal in Augsburg oder irgendwo in der Schweiz,
Tobias
Hallo Tobias,
ich gebe dir recht, dass man zu diesem Thema mehr Aus- und Fortbildung bieten müsste. Auch stimme ich dir zu, dass Forschungsrichtungen wie Entwicklungsforschung oder DBR noch zu wenig Standards haben. Eine Bewertung allerdings, ob „methodisch sauber“ gearbeitet wird, verlangt nach einem Bewertungsmaßstab und da fangen einige der Grundprobleme an. So lange es „Schulen“ gibt, die für sich beanspruchen, diesen Maßstab für alle Forschungsrichtungen zu liefern, ist keine Vielfalt möglich. Da dreht man sich nämlich ganz klassisch im Kreis. Wenn genau hier bei der Frage des Bewertungsmaßstabs kein Diskurs stattfindet, sondern einer diktiert und der andere gehorcht (oder eben nicht und dann rausfliegt), ensteht nichts Neues.
Gabi
Hallo Gabi, hallo Tobi,
soweit ich das am Wochenende verstanden hab, meint Tobi mit seiner Forderung nach einer Methoden-Schule eher ganz pragmatisch das zum Forschen notwendige „Handwerkszeug“ – nicht etwa Vorgaben dazu, was denn nun wie zu erforschen ist. Aber natürlich hast du Recht, dass das nicht gänzlich zu trennen ist.
Vielleicht könnten wir ja mal im Kolloquium einmal im Halbjahr einen Workshop zu einer konkreten Erhebungs- oder Auswertungsmethode machen? Im Gespräch mit den Teilnehmern der Forschungswerkstatt wurde deutlich, dass da doch erhöhter Informationsbedarf besteht.
Silvia
Es steht auf meiner Agenda 2010 😉
Gabi
Hallo zusammen,
ja das würde ich auch unterstützen! Es wäre wirklich schade, wenn die vielen Diskussionspunkte vom Wochenende verloren gehen würden.Tobis Vorschlag beide Wege gleichermaßen zu betrachten halte ich für sinnvoll.
Tamara