Wo ist eigentlich das Problem?

Anlässlich einiger Blogbeiträge zur diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) zum Thema “Fachbezogene und fachübergreifende Hochschuldidaktik – voneinander lernen” an der TU Dortmund (z.B. von Kerstin Mayrberger und Sandra Hofhues) habe ich mich in den letzten Tagen wieder mal gefragt, wie das eigentlich kommt, dass zwei „Gruppen“ von Wissenschaftlern und Praktikern an EINEM Phänomen arbeiten und sich doch beäugen als kämen sie von unterschiedlichen Planeten. Gut, zuweilen gibt es das auch woanders, z.B. wenn sich ein Schulmediziner und ein Heilpraktiker gegenüberstehen und auf denselben Patienten schauen. Auch da ist das Unverständnis groß und jeder beansprucht für sich, die Wahrheit zu besitzen und den Patienten heilen zu können – aber womöglich können die beiden sich zumindest darauf einigen, dass sie sich gerade denselben Patienten anschauen. Das schaffen bisweilen noch nicht mal Hochschuldidaktiker und E-Learning-Vertreter. Und daran sollen allein die falschen oder falsch konnotierten oder überholten oder sonst irgendwie eben nicht treffenden Begriffe schuld sein? Ich weiß nicht … vielleicht ist das ja auch nur eine Ausrede. Vielleicht wollen die beiden „Lager“ auch gar nichts miteinander zu tun haben – so wie Schulmediziner und Heilpraktiker sich einfach aus dem Weg gehen. Allerdings kann der Patient selbst entscheiden, wo er hingeht, der Studierende kann das nur bedingt. Es ist mehr oder weniger Zufall, wo er landet, ob die Lehrangebote, an denen er teilnimmt, durch die Hände von Hochschuldidaktikern oder E-Learning-Experten gegangen oder aber – was noch wahrscheinlicher ist – lehr-lerntheoretisch quasi unbefleckt sind. Also, ein optimaler Zustand ist das nun wirklich nicht. Und so richtig verstehen kann ich diesen Graben auch nicht: E geht uns doch allen darum, das Lernen und Lehren zu verbessern, wir berufen uns alle auf wissenschaftliches Denken und Handeln, wir agieren in denselben Kontexten: Wo ist eigentlich das Problem?

5 Gedanken zu „Wo ist eigentlich das Problem?“

  1. Liebe Gabi
    Auch ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass es so viele Tagungen und Gesellschaften gibt, die ein ähnliches Thema haben, sich aber kaum gegenseitig warnehmen: GMW, GMK, Medienpädagogik der DGfE, dghd, dghf, usw.
    Es ist glaub ich auch ähnlich dem, was du hier (http://gabi-reinmann.de/?p=1435) geschildert hast. Bei E-Learning und Hochschulidaktik kommt, glaube ich, ein weiteres Phänomen hinzu: es geht um „Verteilungskämpfe“: wo fliessen eigentlich die eh immer knappen Mittel zur Verbesserung der Lehre hin? In E-Learning Projekte und Initiativen, allgemeine oder fachspezifische hochschuldidaktische Projekte oder Einrichtungen, oder doch Qualitätsssicherungsabteilungen an den Universitäten? Ich denke, Hochschuldidaktiker haben in den letzten Jahren (sofern sie nicht mit dem E-Learning geschickterweise gleich verknüpft wurden), erlebt, dass Mittel nur in solche Projekte geflossen sind, die mit dem „E“ verbunden wurden. Zum anderen haben E-Learning Abteilungen immer das Problem gehabt, dass es noch andere gab, die sich mit Lehren und Lernen an der Hochschule beschäftigt haben und man sich abgrenzen musste/wollte. Dies führte zu Debatten, dass alles, was mit dem Computer zu tun hat, beim E-Learning landete, alles andere als hochschuldidaktische Aufgabe bewertet wurde – ohne zu sehen, dass der Medieneinsatz in Universitäten auch schon immer eine hochschuldidaktische Aufgabe war, früher halt mit Overhead und Flipchart.
    Ich denke, über kurz oder lang werden sich diese „Grabenkämpfe“ einebnen – E-Learning wird immer mehr ein „natürlicher“ Bestandteil von Lehr-Lernprozessen werden. Immerhin gab es dieses Jahr ja auf der dghd Tagung einen Track E-Learning 😉 – und nicht zu vergessen: es gibt eine jüngere Generation Hochschuldidaktiker 😉 )

  2. Liebe Mandy,
    da hast du Recht, dass es vor allem Verteilungskämpfe sind, die den Blick auf die gemeinsame Sache oft verstellen. Ob sich genau das in absehbarer Zeit allerdings ändern wird, da bin ich eher skeptisch. Ich teile dagegen – zumindest vorsichtig – deinen Optimismus, was die personenbezogene Entwicklung angeht. Aber: Siegt am Ende nicht wieder das Geld? (wo ja bekanntlich die „Freundschaft“ aufhört …). Ich habe den Eindruck, dass wissenschaftliche Tätigkeiten vielerorts bereits so ökonomisiert sind, dass es schwierig ist, unabhängig von Ausstattung und Drittmitteln an der Sache zu arbeiten – und genau das könnte sich ebenfalls für die Annäherung zwischen den beiden „Lagern“ als Bumerang erweisen.
    Gabi

  3. Hallo Ihr,
    vermutlich kommt noch eine Sache erschwerend dazu, nämlich die Frage danach, wo die-/derjenige angesiedelt ist, die/der Hochschuldidaktik oder E-Learning betreibt. Denn wenn es um finanzielle Mittel geht, konkurrieren nicht nur zwei inhaltliche Bereiche miteinander, sondern auch zentrale Einrichtungen mit Professuren/Lehrstühlen/Institute (je nach Organisationsform der Universität). Seit der letzten Woche bin ich etwas desillusioniert und sehe nicht, wie man diese ganzen Perspektiven mittelfristig zusammenbringen kann/wird. Denn der Optimismus einzelner Personen wird sich irgendwann verlieren, wenn entsprechend positive Rückmeldungen aus dem eigenen Umfeld (inner- und außeruniversitär) ausbleiben.
    Wichtig finde ich noch Mandys Hinweis, dass „die Medien“ ja in dem Sinne nichts Neues für die Hochschuldidaktik sind, sondern sich durch digitale Medien nur andere Akzentuierungen und Möglichkeiten für die Lehre ergeben haben – die man, wie vorher auch, auf ihre Zielrichtung überprüfen muss. Auf der o.g. Tagung hatte ich allerdings das Gefühl, dass E-Learning eher als didaktisches Allheilmittel und Ersatz für Präsenzlehre verstanden wurde. Unter diesen Voraussetzungen ist es dann auch kein Wunder, wenn sich immer wieder Grabenkämpfe auftun – ganz unabhängig vom lieben Geld.
    Liebe Grüße,
    Sandra

  4. Hallo Ihr :-),
    bis jetzt ist für mich in den Beiträgen die Rede von zwei Gruppen: die HochschuldidaktikerInnen und die e-Learning Betreibenden.
    Neben den e-Learning Betreibenden, gibt es für mich die Gruppe, die e-Learning Produkte entwickeln und erstellen. Bevor irgendwas betrieben wird muss es erstellt werden. Betreibende und Erstellende sind nicht immer die selbe Gruppe.
    Auch hier fehlt es an Dialog. Grade dieser Dialog würde einige der Tools besser machen und von ihrem technischem Selbstzweck wegbringen.
    Ich denke nicht, dass es nur um Geld geht, auch wenn es eine sehr große Rolle spielt. Viele e-Learning Anwendungen sind nicht ausgereift genug um zu überzeugen. Ich denke, wenn ein Werkzeug wirklich nützlich ist und es gut nutzbar ist, wird es angenommen auch von reinen HochschuldidaktikerInnen.
    Ich stimme Sandra zu, „dass “die Medien” ja in dem Sinne nichts Neues für die Hochschuldidaktik sind, sondern sich durch digitale Medien nur andere Akzentuierungen und Möglichkeiten für die Lehre ergeben haben“, aber diese Akzentuierung ist in vielen Fällen nicht klar genug. „Die Medien“ sind in sehr vielen Fällen noch nicht ausgereift genug für „AllE“. Solange eine Seite nicht ganz einsieht wofür die Dinge der anderen Seite gut sind und die andere Seite dieses auch ungern entsprechend erklären möchte wird es wohl kleinen Schritten voran gehen, aber wie Mandy schreibt: „über kurz oder lang werden sich diese “Grabenkämpfe” einebnen – E-Learning wird immer mehr ein “natürlicher” Bestandteil von Lehr-Lernprozessen werden.“ 🙂

  5. Hallo zusammen,
    zum dem Thema gab es gerade eine recht spannende Diskussion hier in der Schweiz. Auf den diesjährigen Eduhub Days haben Franziska Zellweger und Gudrun Bachmann („E-Learning ade….“) die Frage gestellt, wer wir – also die Service-Anbieter an Hochschulen – eigentlich sind.
    Interessant dabei das Konzept des „Third Space“ der eingeladenen Referentin Celia Whitchurch (hier die Folien http://tinyurl.com/yfnldhb, hier der Vortrag auf Video http://tinyurl.com/ybpw7f8). Sie hat den Begriff des „Third Space“ geprägt und versteht darunter Personen, die akademisch sozialisiert sind, sich aber bewusst für eine Tätigkeit im Service-Bereich interessieren. Ihrer Meinung nach löst diese Generation die „alte Garde“ von Service-Anbietern langsam ab. Interessant: Third-Spacer sind in der Regel stark an Integration verschiedener Bereiche interessiert und verstehen sich als „Brückenbauer“ zwischen Forschung und Lehre. Zudem haben sie sich bewusst für ihre Tätigkeit im Third Space entschieden und sind daher in ihrem Handeln sehr motiviert.
    Folgt man diesem Konzept ist die hier beschriebene Diskussion also ein Phänomen des aufkommenden Third Space: Wir wollen integrieren und verbinden, und sehen darin unsere Identität. Für „altgediente“ HochschuldidaktikerInnen hingegen mag es wichtig sein, ihre Identität unabhängig von E-Learnern und Gadget-Entwicklern zu haben. Vielleicht ist das eine Erklärung für die „Grabenkämpfe“, die erstmal unabhängig von einer inhaltlichen Auseinandersetzung funktioniert.
    LG Tobias

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