Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Dokumentierte Spinnerei

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Was hat die Hochschulrektorenkonferenz mit dem Web 2.0 zu tun? Nichts, werden die meisten sagen. Sie hat die „neuen“ (schon langsam in die Jahre kommenden) Entwicklungen des Internets und diverser Anwendungen zur Kenntnis genommen, werden andere entgegnen, nämlich die, die (wie z.B. Mandy) bereits auf die „HRK-Handreichung Herausforderung Web 2.0“ gestoßen sind (hier online). Die Handreichung ist (ich nehme mal an dank einiger Experten, die da auch namentlich genannt werden und hinzugezogen wurden) als ein kompakter Überblick aus meiner Sicht ganz gut geeignet, wenn sich jemand erstmals über Nutzungsszenarien von Web 2.0-Anwendungen in der Hochschule informieren will. Das wird verständlich und mit ausgewählten Beispielen auch relativ anschaulich gemacht.

Ähnlich wie Mandy finde ich es grundsätzlich gut und begrüßenswert, dass das Thema überhaupt aufgegriffen wird. Allerdings besteht ein wenig die Gefahr, dass es eine dokumentierte Sammlung von ein paar Spinnern bleibt, die offenbar zu viel Zeit haben, dass sie sich mit solchen Spielereien beschäftigen. Das nämlich ist durchaus eine Facette in der (teil-)öffentlichen Wahrnehmung von Personen/Lehrenden, die versuchen, die immer wieder neu sich verbreitenden Software-Anwendungen verschiedenster Art auszuprobieren und in Wissenschaft und Lehre nutzbar zu machen. Sinnvoller wäre es mir erschienen, im Kontext von Qualität in Lehre, Forschung und übrigens auch Verwaltung(!) die Frage zu stellen, ob und wenn ja, wie Web 2.0-Anwendungen hierbei eine Rolle spielen können. Ansonsten besteht nämlich wieder mal die Gefahr, dass man ausgehend von einer neuen Technologie verkrampft danach sucht, wo man die denn jetzt einsetzen könnte, statt ausgehend von einem Problem oder einer Herausforderung nach geeigneten Lösungen und dazu brauchbaren Werkzeugen Ausschau zu halten. Es geht ja letztlich, so meine ich, NICHT darum, wie man das Web 2.0 in die Hochschulen bringt (so wie jede größere Firma erst in Second Life und dann in Facebook vertreten sein wollte). Eher geht es darum, wie wir künftig die immensen Anforderungen bewältigen, die auf uns zukommen:

Wie motivieren wir die Studierenden für ein selbstverantwortliches Studieren trotz faktisch gestiegener Vorgaben im Bachelor? Wie vermitteln wie den Nutzen wissenschaftlichen Denkens und Handelns für die Persönlichkeit, den Beruf und die Gesellschaft trotz anhaltender Ökonomisierung allen Tuns? Wie kann es uns gelingen, Forschung und Lehre zusammenzubringen trotz der immer noch vorherrschenden Dominanz der Forschung für Wissenschaftlerkarrieren? Und, und, und … Das Web 2.0 löst diese Probleme nicht für uns. Ich bezweifle auch zunehmend flächendeckende Chancen der Web 2.0-Nutzung in der Lehre, weil die Voraussetzungen oft fehlen. Dennoch empfinde ich die heute verfügbaren Web 2.0-Anwendungen als eine herausragende Bereicherung – unter anderem dafür, dass völlig neue Informations-, Kommunikations- und Lernkulturen entstehen können. Da verändert sich der Umgang mit Information, die Artikulation und Verbreitung von Meinungen, der Dialog und die Sicht auf „Experten“, da können sich Machtverhältnisse verschieben und neue Einflusskräfte entwickeln etc. Und da frage ich mich jetzt schon: Wie viel kulturellen Wandel verträgt eine Institution wie die HRK?

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