Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Super, geil und alles mit Ausrufezeichen

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„Fetzenliteratur“ auf Twitter oder in SMS bedroht nach Ansicht des Rechtschreibrats-Vorsitzenden Hans Zehetmair die Sprachkompetenz junger Menschen – so eine heutige Pressenachricht (z.B. hier). Im gleichen Artikel wird auch auf Klagen von Professoren hingewiesen, die in studentischen (Abschluss-)Arbeiten ebenfalls einen Mangel an Rechtschreibefähigkeiten feststellen.

Nun, jeder der mich ein wenig kennt, weiß, dass ich die Sprache speziell in geistes- und sozialwissenschaftlichen und damit auch in bildungswissenschaftlichen Fächern für ein sehr wichtiges Werkzeug halte, das man beherrschen muss – und dazu gehört auf jeden Fall auch die Rechtschreibung. Daher bin ich schon oft lästig, wenn es darum geht, das, was man im Kopf hat, auch angemessen schriftlich zu artikulieren, denn immerhin ist unsere Sprache nicht nur zur Kommunikation, sondern auch zum Denken da. Inwiefern aber Abkürzungen oder andere funktionale Entscheidungen im Gebrauch der Sprache vor allem zur einfachen Kommunikation die Ursache für Mängel vor allem in der Schriftsprache sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen. Hier werden mal wieder die digitalen Medien als Sündenbock herangezogen, und das zeugt eher von Angst und Unerfahrenheit mit diesen als von einer genauen Problemanalyse. Vielmehr ist es ja so, dass die Nutzung digitaler Medien in hohem Maße mit sprachlichen Anforderungen verbunden ist, und neue Funktionsweisen der Sprache müssen keinen prinzipiell negativen Effekt haben.

Zustimmen aber muss ich darin, dass es vielen Studierenden schwer fällt, sich formal korrekt und verständlich auszudrücken: Das beginnt bei der Zeichensetzung, geht über die Rechtschreibung und endet nicht bei der Grammatik. Auch semantische Zusammenhänge scheinen vielen Studierenden entweder egal oder nicht hinreichend bekannt. Bei der Bewertung von schriftlichen Arbeiten zwinge ich mich selbst mit Kriterien, die ich unterschiedlich gewichte, dazu, dass die vielen sprachlichen Fehler und Defizite (bei einer auch aus meiner Sicht wachsenden Anzahl von Studierenden) nicht mein Urteil in Bezug auf alle anderen Aspekte der Arbeit beeinflussen und „ausstrahlen“. Trotzdem ärgere ich mich jedes Mal darüber, und noch mehr ärgert es mich, wenn das am Ende als „kleinlich“ gilt und Reaktionen auslöst wie: „Es kommt doch auf den Inhalt an, die Sprache ist da nicht so wichtig!“. Doch, denke ich mir da stets, das ist wichtig. Ich unterstelle mal, dass z.B. eine unpräzise oder unstrukturierte sprachliche Umsetzung auch auf Ungenauigkeit und Durcheinander im Denken zumindest hinweisen kann. Und da muss ich Herrn Zehetmair sogar (mal) zustimmen, dass ein wenig mehr Hinterfragen und Innehalten auch in Bezug auf das Thema Sprache angebracht wäre – mindestens jedenfalls bei Studierenden der Geistes- und Sozialwissenschaften. Zehetmairs Diagnose aber ist dann doch eher etwas zum Schmunzeln als zum Ernstnehmen, wenn er die jungen Lehrer dafür verantwortlich macht und gleichzeitig so etwas wie Verständnis signalisiert: „Die Lehrer sind auch Kinder unserer Zeit und – bei allem guten Bemühen – gibt es auch bei ihnen oft diese Fetzenliteratur: super, geil und alles mit Ausrufezeichen.“ … omg!!

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