Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Scheinbarer Abschied vom Konstruktivismus

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Noch läuft der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Osnabrück, zudem ich gestern schon (hier) einen Beitrag verfasst habe. Ich war eingeladen, einen der vier Parallelvorträge am Dienstag zu halten. Nach langem Überlegen hatte ich mich im Vorfeld dazu entschieden, das Thema „Vermittlung bzw. Vermittlungswissenschaft“, an dem ich seit 2011 etwas intensiver arbeite, zum Fokus des Vortags zu machen. Anbei das Vortragsmanuskript.

Vortrag_Osnabrück_Maerz_2012

Ich war natürlich schon gespannt, wie die Zuhörerschaft, die ich schlecht einschätzen konnte, darauf reagieren würde. Die Statements und Fragen nach dem Vortrag zeigten, dass einerseits schon die Gefahr besteht, falsch verstanden zu werden (z.B. in dem Sinne, dass ich die Allgemeine Didaktik durch eine interdiszliplinäre Vermittlungswissenschaft ablösen wolle, was NICHT der Fall ist), andererseits aber offenbar auch gesehen wird, dass es Vermittlungsphänomene gibt, denen sich die Allgemeinen Didaktik bisher (leider) nicht zuwendet. Wie zu erwarten, gab es auch eine Nachfrage zum „konstruktivistischen Standpunkt“, den ich mit dem Fokus „Vermittlung“ scheinbar aufgebe. Ich schreibe „scheinbar“, denn nach wie vor würde ich behaupten, dass ich eine „konstruktivistische Haltung“ habe, was Lehren und Lernen betrifft. Ich sehe nur den ASPEKT der Vermittlung vernachlässigt, was der Sache – dem Lehren und Lernen – in Wissenschaft UND Praxis aus meiner Sicht nicht gut tut. Dass eine interdisziplinäre Vermittlungswissenschaft spezielle Probleme in der Lehrerbildung NICHT löst, wie Meinert Meyer anmerkte, kann ich nur unterstreichen. Dieses Ziel habe ich mir aber mit dieser Aktion gar nicht auf die Fahre geschrieben.

Ich hoffe, dass es noch ein paar Kommentare gibt und freue mich über alle – selbstverständlich auch – kritische Anmerkungen. Leider kann ich den dazugehörigen, längeren und natürlich präziser argumentativ abgesicherten Artikel hier (noch) nicht veröffentlichen. Da muss ich noch um etwas Geduld bitten.

 

3 Kommentare

  1. Es nimmt kein Ende mit den Missverständnissen. Die einen lehnen Konstruktivismus ab, weil von “Konstruktion” von Bedeutung die Rede ist und “erfinden “ den Konnektivismus (Du hast in einem Deiner letzten Beiträge das Thema gestreift), die anderen stören sich, vermute ich, am “radikal” im Radikalen Konstruktivismus von Glasersfelds (der für mich immer noch Referenzpunkt ist). Titel der Originalausgabe: Radical Constructivism. A way of Knowing and Learning(!). Nein radikal wollen wir auf keinen Fall sein.
    Da hilft nur eine Lehrveranstaltung, vielleicht die, bei der man sich (radikal) gründlich mit nur einem Text beschäftigt. Denn das kann man als Dozent(in) noch leisten: groben konzeptionellen Missverständnissen entgegen zu wirken … für das restliche Wissen gibt es google etc. … o.k., zu radikal 😉

  2. Ich gestehe, dass mich ihr Vortrag (gelesen nicht gehört) nicht wirklich überzeugt. Sie analysieren fein säuberlich, trennen in verschiedene Kategorien, und alles scheint ziemlich klar zu sein: Ein Ordnungssystem, das man gut „auswendig und nacherzählen“ kann. Ich finde jedoch, dass die „Realität“ so nicht abbildbar ist. Nur weil man sich in einem „Transferkontext“ bewegt bedeutet dies doch nicht, dass der Akteur nicht auch einen Anspruch an sich hat, es so zu gestalten, dass sich der Adressat individuell entfalten kann. Vielleicht ist es noch nicht einmal die Absicht des Akteurs, aber dennoch geschieht durch den Transfer eine individuelle Entfaltung. Umgekehrt mag zwar formal auf Bildungskontexten „individuelle Entfaltung“ drauf stehen, aber das muss noch lange nicht das Ziel aller Akteure in diesem Kontext sein. Auch die Erwartungen der Adressaten kann meiner Meinung nach umgekehrt sein.
    Ich möchte nicht sagen, dass Ihre Systematisierung nicht hilfreich ist. Sie verursacht so vorgebracht jedoch ein Magenkrummeln in mir. Wie einfach wäre wohl die Kommunikation, wenn alles so klar geordnet wäre, wie sie formuliert haben?
    GC

  3. Modelle bilden nie die Wirklichkeit ab – Kategorialmodelle schon gleich gar nicht. Es ist nicht mein Anspruch, mit den Ausführungen, wie ich sie notgedrungen etwas verkürzt im Vortrag dargelegt habe, eine Art Schablone für das anzubieten, was einem in verschiedenen Kontexten im Zusammenhang mit Vermittlungsphänomenen oder -ansprüchen begegnet. Ich denke, das wäre ein fundamantales Missverständnis wissenschaftlicher Modelle, wenn man das von ihnen erwarten würde. Systematik und Ordnung allerdings gehören zum Wesen jedes wissenschaftlichen Versuchs, der meist chaotischen Wirklichkeit näher zu kommen und/oder für diese (z.B. mit didaktischen Absichten) geeignete Interventionen zu kreieren. Wissenschaft ohne Ordnungsmodelle sind schlecht vorstellbar. Ich fürchte, hier haben Sie nicht verstanden, was Wissenschaft im Allgemeinen und Theorie im Speziellen leisten kann und will und was nicht.

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