Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere

| 4 Kommentare

„Bepflanzung und gutes Raumklima inkl. Farben, ein mobiles Mobiliar, ein Touchscreen sowie eine Projektionsmöglichkeit aus allen Punkten des Raumes“ – so die relativ übereinstimmende Wunschliste von Studierenden, die Martin Ebner (mit Team) 2012 zum Thema Lehr-Lernraum in Workshops hat nachdenken lassen. Nun ist an der TU Graz so ein Raum versuchsweise eingerichtet worden (Text und Bilder hier).

Leider ist das an vielen Hochschulen nicht Realität: Wenn ich an Mobiliar in Unis denke, fallen mir (aktuell z.B.) unglaublich schwere Stühle und Tische ein, bei denen man sich zweimal überlegt, ob man auch nur Kleinigkeiten umstellt (die müssen da irgendwo Blei reingegossen haben). Oder man ist mit Hausmeistern und anderen „Raumwächtern“ konfrontiert, die einen bereits als potenziellen Vandalen im Visier haben, wenn man mal die Sitzordnung ändert.

Ab und zu mache ich es dann aber doch: Ein großer Effekt entsteht bereits, wenn man die Tische entfernt (was natürlich voraussetzt, dass die Studierenden nicht zwingend mitschreiben müssen). Das irritiert erfahrungsgemäß erst einmal stark – schon allein deshalb, weil man jetzt nicht weiß, wohin mit dem Kaffeebecher und der Wasserflasche (auch die Brotzeit kann man schlecht auspacken), und es ist schwerer, hinter dem geöffneten Notebook zu verschwinden. Überhaupt: Das ist erst mal ungemütlich – ungewohnt. Dumme Sprüche („oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere“) muss man freilich auch hinnehmen. In der Regel lohnt es sich trotzdem: Die Aufmerksamkeit ist anders fokussiert – der Tisch als Barriere zwischen Studierenden und Lehrenden ist weg. Es entsteht mehr Nähe, die natürlich (vor allem wenn sie ungewohnt ist) auch abgelehnt werden kann. In jedem Fall zeigen die meisten Personen in solchen Situationen mehr Präsenz – und die wünscht man sich als Lehrender ja schon (was gibt es Schlimmeres als in völlig abwesende Gesichter zu blicken).

Was ich auch nicht schlecht fände, wären Stehtische. Sitzt man nicht ohnehin genug? Ich selber stehe als Lehrende zwar die meiste Zeit – aber die Studierenden: Sitzen sie nicht ohnehin zu viel? Also wären auch Stehtische an den Wänden ganz gut, z.B. um sich da dann Notizen zu machen, oder auch mal im Netz etwas nachzuschauen etc. Auf Pflanzen könnte ich dagegen verzichten (wer denkt immer dran, die auch zu gießen?), aber mehr Farben: Ja, auf jeden Fall! Überhaupt: Etwas mehr Ästhetik – das Auge lernt ja mit, oder?

4 Kommentare

  1. also Pflanzen haben wir aus den genannten Gründen aussparen müssen – aber alles andere ist umgesetzt.
    Seit diesem Semester lehre ich auch in diesem Raum und ja es ist anders – ich habe mein gesamtes Seminar umgestellt, aber es macht uns richtig Spaß darin zu arbeiten …
    hier ein Beispielbild was wir hier nun machen:
    http://elearningblog.tugraz.at/archives/6025
    lg

  2. Ich habe bei Präsenzterminen auch immer wieder mal die Tische aus dem Seminarraum des Lehrstuhls herausgeräumt oder zu „Gruppeninseln“ umfunktioniert. Die Studierenden (fast nur Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsinformatiker) hat das eigentlich nie geschreckt – zumindest ist mir das nicht aufgefallen. Bloß von einem Kollegen habe ich mir einmal leich abfällig gegrinstes „Na, macht ihr wieder Stuhlkreis?“ anhören müssen. Naja…

  3. Nichts gegen Ästhetik und doch halte ich es für einen Trugschluss, dass durch Äußerlichkeiten die Aufmerksamkeit der Zuhörer/Lernenden langfristig gefördert wird.
    Die „stehende“ Idee wird aus meiner Sicht noch besser, wenn die Teilnehmer eine Wahl zwischen Sitz- und Stehplätzen haben bzw. innerhalb der Veranstaltung von den Dozenten ein Wechsel vorgesehen ist.

  4. Dem Beitrag kann ich nur voll und ganz zustimmen!
    Räume können manchmal den Erfolg einer Veranstaltung im extremfall richtiggehend beeinflussen. Kürzlich musste ich eine Veranstaltung in einem Computer-Lab durchführen – obwohl Computer nicht benötigt waren. Die Teilnehmer saßen zwischen den Computerreihen – ein bisschen konnten wir Dinge schieben – aber im großen war alles ziemlich unangenehm. Gleichzeitig war es dann auch richtig heiß – kein Ventilator – keine Klimaanlage – und entsprechend war die Veranstaltung zwar noch erfolgreich – aber als es dann am späten nachmittag dem Ende zu ging war die Luft raus.
    Das ist ein extremes Beispiel schlechter Raumwahl – aber auch in weniger extremen Fällen habe ich oft erlebt, wie Raumgestaltung die ganze Atmossphäre einer Veranstaltung beeinflusst. Große Veranstaltungsräume mit festen Tischen und Mikrofonen (und ggf. Bühne) beispielsweise vergrößern den Abstand zwischen den Veranstaltern und den Teilnehmern.
    Bei den kleineren Räumen hatten wir dann auch so ein Zusammentreffen der dritten Art mit dem „General Service“-Team – welches uns schlicht erklärte, das Stühle und Tische nicht umgestellt werden können (obwohl nicht so schwer und leicht beweglich) ;-).
    Es ist ja vielleicht nicht die individuelle Aufmerksamkeit oder das Zuhören, welches direkt beeinflusst wird – aber doch das ganze Setting – auch das hierarchische Gefüge einer Veranstaltung (Klare Definition von Vorne/Präsentierendem/Lehrer durch räumliche Gestaltung gg. verwischen von Grenzen zwischen Studierenden und Lehrenden, wo eben diese klare Frontposition nicht derartig gestaltet ist). Das ganze Geschehen im Lernraum durch passende Innenarchitektur so entweder unterstützt – oder behindert.
    Klar – wo ein Wille – da kann man auch ein interaktives Seminar im großen Konferenzsaal veranstalten – aber wer das mal probiert hat, der weiß: Es ist erfordert mehr Einsatz – um die äußerlich bestimmten Strukturen dann auf sozialer Ebene zu durchbrechen. Je nach Konfiguration der Teilnehmer kann es dann auch ein Kampf gegen Windmühlen werden.
    Fazit: Spezialisierte Raum – und Innenarchitektur ist gerade für Räume – wo Lernen und Denken stattfinden soll – essentiell.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.