Endlich habe ich es zu Ende gelesen – das Buch von Yehuda Elkana und Hannes Klöpper mit dem Titel „Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft“ (2012).
Bei socialnet gibt es sogar zwei Rezensionen (hier und hier), die den Inhalt zusammenfassen und ein kurzes, lobendes, Fazit ziehen. Teilweise kann ich mich den Rezensenten anschließen. Insbesondere die Ausführungen zu historischen Hintergründen und internationalen Zusammenhängen und Unterschieden sind gut zu lesen und verschaffen einem auf unterhaltsame Weise einen Überblick. Zudem werden viele relevante Themen angeschnitten und auch dargelegt, dass und wie diese zusammenhängen (Beispiel: heutige Forschungs- und Förderpraxis, Lehrevaluationen, Ansprüche der Anschlusssysteme etc.). Dass Zweck und Ziele der Universität umfänglich reflektiert werden und in diesem Zusammenhang auch konkrete Beispiele angeführt werden, hat das Buch für mich auf jeden Fall lesenswert gemacht (Nebenbemerkung: Das Kapitel zur „Renaissance der Rhetorik“, Kap. V., finde ich sehr interessant; ich sehe da unter anderem eine Reihe von Anknüpfungspunkten zu Herausforderungen der Vermittlung – jenseits der platten Trichtermetaphorik).
Nicht ganz so begeistert bin ich von einigen Abschnitten zu speziell didaktischen Aspekten wie auch zum Einsatz digitaler Medien. An diesen Stellen hatte ich als Leser auch hin und wieder das Gefühl, dass die Argumentation nicht mehr ganz so konsistent ist. Unter anderem sprechen sich die Autoren für Lehrprofessuren aus (S, 38 ff., auch S. 52 f.), was nicht so gut zu der ansonsten stark vertretenen Forderung nach Verknüpfung von Forschung und Lehre zusammenpasst. Wie die Autoren Curriculumforschung von Didaktik unterscheiden, habe ich nicht recht verstanden (Kap. I.12, ab S. 57) – hier wird mit Begriffen meiner Einschätzung nach nicht so besonders präzise umgegangen (verwendet werden eher ungewöhnliche Begriffe wie „Pädagogikforschung“; gefragt habe ich mich auch, was „fluide Lehrformate“ – S. 321 – sind). Warum sollten Fragen des Curriculums keine Fragen sein, die man in der Hochschuldidaktik behandelt (was z.B. auf Seite 143 ff. anklingt)? Diese Trennung in Didaktik und Curriculum, die sich durch das ganze Buch zieht, erscheint mir nicht sonderlich förderlich für eine bessere Hochschuldidaktik (im Sinne einer Lehre vom Lehren und Lernen in der Wissenschaft und damit an Hochschulen – wie sollte das ohne Inhaltsbezug gehen?).
Schwierigkeiten habe ich auch mit Sätzen wie „Nach unserem Verständnis kann die wahre Einheit von Forschung und Lehre nur im Rahmen des Promotionsstudiums hergestellt werden, wo fünf bis sechs Doktoranden mit einem Professor arbeiten“ (S. 110). Aber: Was ist die „wahre Einheit“? Und passt das zu vielen anderen Aussagen im Buch? Der „Einheit von Forschung und Lehre“ ist auch ein ganzes Kapitel gewidmet (Kap. VII.), wobei tendenziell Forschen und Publizieren offenbar gleichgesetzt werden. Auch hier wieder wird postuliert, dass Lehrprofessuren etliche aktuelle Probleme lösen könnten. So heißt es z.B. auf Seite 312: „Nur 3 bis 5 Prozent der Studierenden, die ihr Leben später selbst der Forschung widmen wollen, müssen wirklich von Experten auf dem Gebiet der Forschung unterrichtet werden“. Gut, man kann eine solche These aufstellen; man müsste darüber jetzt intensiv diskutieren. Spontan jedenfalls würde ich dem nicht zustimmen. Richtig ist zwar, dass Forschungsexzellenz nicht mit Exzellenz in der Lehre einhergeht (S. 314), aber kann man daraus den Umkehrschluss ziehen, dass die Forschung für die Lehre keine wesentliche Rolle spielt?
Im Kapitel X (Universität im digitalen Zeitalter) finden sich aus meiner Sicht viele Schlagworte: Praktische Erfahrungen (wie sie z.B. jährlich auf der Tagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft ausgetauscht werden) wie auch empirische Erkenntnisse dazu, wie schwierig es ist, dass Studierende (wie auch Lehrende) die prinzipiell bestehenden Möglichkeiten des Medieneinsatzes für mehr Partizipation, (Selbst-)Reflexion, eigene Konstruktionen und kollaboratives Arbeiten nutzen, werden leider nicht zur Sprache gebracht. Damit bleibt dieses Kapitel im Reich der Forderungen und kommt kaum zu (medien-)didaktischen Lösungsansätzen, die eine reale Chance zur Umsetzung hätten.
Ob es schließlich so günstig ist, im Verlauf des Buches einerseits (und hier stimme ich zu) für eine bessere Lehre zu plädieren und dann am Ende des Buches (S. 487) andererseits den Begriff des Lehrens im Zusammenhang mit einem Synonymwörterbuch als „einbläuen, einpauken, einhämmern, einschärfen, einschustern und eintrichtern“ in Verbindung zu bringen, bezweifle ich. Da hätte der Duden – immerhin eine Instanz in Sachen Sprache – auch herangezogen werden können. Die Synonyme für Lehren lauten hier eher so, dass man daran zumindest anknüpfen und erkennen kann, wie vielfältig Lehren letztlich sein kann, nämlich: „dozieren, lesen, unterrichten, Unterricht erteilen/geben/halten, Vorlesungen halten, Wissen vermitteln, anleiten, anlernen, ausbilden, befähigen, beibringen, einarbeiten, einweisen, instruieren, nahebringen, schulen, unterrichten, vermitteln, vertraut machen; (gehoben) unterweisen“.
Liebe Frau Reinmann,
Sie schreiben:
„Ob es schließlich so günstig ist, im Verlauf des Buches einerseits (und hier stimme ich zu) für eine bessere Lehre zu plädieren und dann am Ende des Buches (S. 487) andererseits den Begriff des Lehrens im Zusammenhang mit einem Synonymwörterbuch als „einbläuen, einpauken, einhämmern, einschärfen, einschustern und eintrichtern“ in Verbindung zu bringen, bezweifle ich.“
Ich hatte gehofft, dass im weiteren Verlauf klar wird, dass diese Synonyme für das Wort „lehren“ nicht unserem Verständnis guter Lehre entsprechen. So heißt es drei Absätze weiter:
„Ziel kann dabei nicht eine Mechanisierung des Lernens sein, sondern die Rehumanisierung der Lehre. Neue Formate sollten vor allem so ausgestaltet sein, dass sie einen Anreiz bieten, sich selbstständig mit dem Stoff auseinanderzusetzen, sodass die eigentliche Lehre zukünftig vor allem in Form von Seminaren, Diskussionen in Arbeitsgruppen und Mentoring erfolgt – so- wohl im persönlichen Kontakt vor Ort als auch online. Der Informationserwerb kann dabei immer nur der Ausgangspunkt universitären Lernens sein.“
Ich vermute, dass Sie und Ihre Leser sich da eher wiederfinden.
Besten Gruß
Hannes Klöpper
Hallo Herr Klöpper,
das hatte ich schon verstanden – eben darum hat es mich verwundert, dass Sie genau solche Synonyme gegen Ende des Buches verwenden. Ich denke, das setzt sich beim Leser eher fest, als dass es dabei hilft, den Begriff der Lehre von oft automatisch hervorgerufenen Assoziationen wie Macht und Trichter u. ä. zu befreien. Vielleicht kommt das daher, dass man das Lehren so gerne gegen das Lernen ausspielt, was aber absurd ist, denn ohne Lernen ergibt Lehren ja keinen Sinn. Aber dann ist das jetzt ja mit Kommentar und Re-Kommentar zumindest bei den Lesern dieses Blogs jetzt so richtig klar 🙂
Gabi Reinmann
Ja, das ist zumindest mir jetzt klarer geworden…
Was ich überhaupt noch nicht verstehe, ist das genannte Zitat auf S. 312. Bedeutet das, dass die restlichen 95% der Studierenden möglichst fern von Profis das Forschen lernen sollen? Wie soll das funktionieren?
Also das Buch liefert da natürlich schon mehr Vorschläge als ich jetzt in diesem Kommentar herausgepickt habe. Als Überblick eignen sich die beiden genannten Rezensionen und ansonsten bleibt nur eins: selber lesen 🙂
Schon notiert, nachdem ich den Kommentar abgeschickt hatte… 😉