Unter welchen Bedingungen ist man im Studium erfolgreich? Nein, es ist nicht die Herkunft, es ist nicht die Begabung, und es ist nicht die investierte Zeit an sich, die hier ausschlaggebend ist. Auch moderne Leitbilder wie die soziale Kompetenz, Kreativität und ähnliches scheinen beim Thema Studienerfolg nicht sonderlich wichtig zu sein. Wirklich entscheidend sind Merkmale, die sehr nach sogenannten Sekundärtugenden klingen, nämlich Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und vor allem Gewissenhaftigkeit – genau: Gewissenhaftigkeit und die setzt sich (so jedenfalls die Theorie) aus Ordentlichkeit, Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit zusammen.
Rolf Schulmeister hat auf der Basis seiner ZEITLast-Studie nun schon mehrfach mündlich und schriftlich darauf hingewiesen, dass der Arbeitsaufwand, der theoretisch (!) hinter vergebenen Credit Points steckt (nämlich ca. 25 Stunden pro Credit Point), zum einen höchst unterschiedlich ist, wenn man Studiengänge, aber auch einzelne Studierende miteinander vergleicht, und sich zum anderen nicht als sonderlich relevant für den Studienerfolg herausstellt.
Nun hat er auf der Campus Innovation im November 2013 näher ausgeführt, was man tun kann, um diese inzwischen relativ genau untersuchte Situation an unseren Hochschulen zu verändern. Wer es schafft, sich eine Stunde zu konzentrieren, und im November nicht in Hamburg war, sollte sich den Vortrag hier mal anhören. „One course at a time“ – heißt Schulmeisters Losung und er kann es auch mit zwei empirisch untersuchten Fallbeispielen belegen, dass das funktioniert: Werden Veranstaltungen so geblockt, dass sich Studierende für mehrere Wochen auf EIN Veranstaltungsthema konzentrieren können, fällt es ihnen offenbar leichter, gewissenhaft zu studieren – jedenfalls sind sie erfolgreicher. Allerdings heißt „blocken“ nun nicht, dass man die Studierenden wie in klassischen Blockveranstaltungen (etwa an Wochenenden) tagelang hintereinander kollektiv mit Stoff überhäuft. Blocken mein hier, einen auf knappen Zeitraum sinnvoll verteilten Präsenzunterricht mit angeleitetem bzw. begleitetem Selbststudium zu verknüpfen, und das wiederum heißt: Studierende erhalten zwischen den Präsenzsitzungen Aufgaben, die ihnen die Strukturierung des Selbststudiums erleichtern.
Dass diese Lehrorganisation erfolgreich ist, verwundert mich nicht. Rolfs Erkenntnisse aus der Analyse von 300 Studien (bzw. einer Auswahl daraus, die sich als brauchbar erwiesen hat) sowie seine empirischen Resultate fügen sich für mich persönlich jedenfalls weitgehend widerspruchsfrei in eigene Lehrerfahrungen ein – wenn auch nur in Erfahrungen dazu, was nicht oder nur schlecht funktioniert: Wenn die eigene Veranstaltung eine unter vier, fünf oder mehr Veranstaltungen gleichzeitig ist, konkurrieren meine Erwartungen und Anforderungen mit denen einer ganzen Reihe von Kollegen. Und das überfordert natürlich viele Studierende. Da wird dann mitunter gerechnet und überlegt, wohin man die begrenzte Zeit am besten in welcher Form verteilt – allein schon dieser Versuch einer zeitökonomischen Handlungsweise dürfte bereits einiges an Zeit verschlingen. Und nicht selten habe ich bei Studierenden auch Resignation wahrgenommen – nach dem Motto „Hat eh keinen Sinn mehr“. Andere tun zwar viel, aber verzetteln sich und erlernen nur schwer oder gar nicht Strategien, um das Chaos vor allem in der Prüfungsphase zu vermeiden. Und klar: Am Ende des Semesters kumulieren die Prüfungen von mehreren Veranstaltungen innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums – und jede Prüfung zählt!
Die empirischen Erkenntnisse im Nachgang der ZEITLast-Studie sind vor diesem Hintergrund sehr viel wert, denn: Während die persönlichen Erfahrungen von Hochschullehrern ja leider nicht viel zählen (wobei sie SEHR relevant sein könnten, wenn man sie denn systematisch sammeln und untereinander teilen würde), lässt sich jetzt „evidenzbasiert“ argumentieren, dass und warum man nicht immer an den alten Gewohnheiten der Lehrorganisation (und ich finde man könnte hinzufügen: auch der Prüfungsorganisation) kleben bleiben muss, nur weil man es schon immer so gemacht hat.