Drittmittel – ein Zauberwort in der Wissenschaft: Wörtlich gibt ein Dritter Geld, damit man an der Universität forschen kann. Kürzlich habe ich darüber nachgedacht, ob es nicht auch Viertmittel geben könnte oder müsste (also als Begriff): Spenden z.B. von Mäzenen der Forschung oder aus Crowdfunding oder das Geld, das externe Doktoranden selbst einbringen, um sich zu finanzieren, die Forschung aber an der Universität machen. Hört sich aber nicht so gut an … In der aktuellen Ausgabe von Forschung & Lehre (Ausgabe 2 2014) sind Drittmittel das Leitthema. Darunter ein Beitrag von Stefan Kühl. 2012 bin ich schon mal auf ihn gestoßen (siehe hier) – bzw. auf seine Streitschrift zur Bürokratisierung an Hochschulen (der Sudoku-Effekt). Nun hat er einen Beitrag verfasst, in dem er dafür plädiert, die Logik der Forschungsförderung umzudrehen: nicht Pläne für Forschungsleistungen in der Zukunft, sondern bestehende Forschungsleistungen zu belohnen.
Der Text ist erfreulicherweise als Arbeitspapier-Fassung auch online zugänglich, nämlich hier. Hinter dem neuen Vorschlag steckt folgende Problemanalyse, die ich mal komplett zitiere, weil der ganze Absatz das Grundproblem und die damit verbundene größer werdende Doppelmoral sehr gut zum Ausdruck bringt:
„Trotz offensichtlicher Kurzschlüsse bei der Korrelation von eingeworbenen Drittmitteln und guter Forschung hat sich die Drittmittellogik in einer eigenartigen Kaskadenform in den Hochschulen durchgesetzt. Inspiriert durch die Vorstellung, dass wissenschaftliche Organisationen und wissenschaftliches Personal durch Anreize zu Leistung motiviert werden müssten, koppeln die Bildungs- und Wissenschaftsministerien die Vergabe von zusätzlichen Mitteln an die Ein-werbung von Drittmitteln durch Hochschulen. Die Hochschulleitungen übersetzen dieses vermeintliche Leistungskriterium für die Fachbereiche oder Fakultäten und binden die Zuweisung weiterer Mittel an die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln – nicht selten mit dem Zusatz, man selbst halte Drittmittel auch für ein ungeeignetes Messkriterium für wissenschaftliche Leistung, die Form der Mittelzuweisungen des Landes lasse aber keine andere Wahl. Diese Logik wird dann in den Fachbereichen oder Fakultäten weitergetragen, indem bei der Besetzung neuer Professuren den Bewerbern sogleich mitgeteilt wird, dass man selbstverständlich wisse, dass die Anzahl eingeworbener Drittmittel nicht mit wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit korreliere, dass aber aufgrund der Vorgaben der Rektorate und Präsidien zur Mittelvergabe leider die Besetzung neuer Professuren auch an den nachgewiesenen Erfolg bei der Einwerbung von Drittmitteln gebunden werden müsse. Kaum einer hält Drittmittel für ein geeignetes Leistungskriterium, aber alle spielen das Spiel mit.“
Und was schlägt Kühl nun genau als Lösung vor? „Man müsste lediglich nicht mehr die Forscher belohnen, die gute Intentionen haben, sondern diejenigen, die nachweislich interessante Forschungsergebnisse produziert haben. Nicht mehr der überzeugende Forschungsantrag, sondern der überzeugende wissenschaftliche Artikel würde belohnt werden. Nicht mehr der Plan für ein „Opus magnum“ eines Wissenschaftlers würde honoriert werden, sondern die Publikation eines innovativen Buches, das weitere interessante fachliche Beiträge erwarten lässt, wird honoriert.“ Gibt’s schon? Ja, das gibt es schon vereinzelt, wie Kühl feststellt, aber es spielt im Verhältnis zur bisherigen Förderung via Drittmittel zahlenmäßig kaum eine Rolle. Kühl bezeichnet seinen Vorschlag als „Preissystem“, stellt klar, dass auch dieses seine Macken hätte und auf das Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“ hinauslaufen könnte. Trotzdem überwiegen aus seiner Sicht die Vorteile:
„Zentral jedoch ist, dass sich beim Preissystem der Fokus auf den Aspekt der Leistung in der wissenschaftlichen Forschung richtet und nicht auf die Formulierung von gut klingenden Forschungsplänen. Wenn Drittmittel nicht nur genutzt werden, um ein Forschungsprojekt zu finanzieren, das einen brennend interessiert, sondern weil man über Drittmittel suggerieren muss, dass man gute Forschung betreibt, werden letztlich im hohen Maße wissenschaftliche Ressourcen verschwendet. Viel unnötige Energie wird in das Verfassen und Optimieren von Plänen gesteckt, in die Pflege von Netzwerkkontakten, um die Pläne dann auch bewilligt zu bekommen, und in die Begutachtung von Plänen anderer, die man bewilligt, um die eigenen Pläne sodann von ihnen bewilligt zubekommen. Diese Verschwendung von wissenschaftlichen Energien wird auch in einem Preissystem nicht völlig verschwinden, aber immerhin würden dann Artikel und nicht Pläne perfektioniert, Netzwerkkontakte würden gepflegt, nicht um Forschungsanträge zu propagieren, sondern eigene Forschungsergebnisse, und nicht zuletzt würden Wissenschaftler dann verstärkt Artikel und Bücher ihrer Kollegen lesen und nicht Pläne, in denen diese Artikel und Bücher versprochen werden“.
Ja, ich finde, da hat er Recht!
Recht hat er, wobei dann die vormals hier angesprochenen Defizite der Rankings hervortreten. Wer bestimmt die Gutachter? Bewerten die Gutachter objektiv? Würde nicht auch hier eine Hand die andere waschen bis jeder irgendeinen Preis erhalten hat?
Die aktuell laufenden Projekte des Qualitätspakt Lehre zielen weniger auf Forschungsergebnisse, als auf erfolgreiche Maßnahmen. Wie sollten Anwendungsprojkete dieser Art zustande kommen?
Forscher müssten in jedem Fall entscheiden dürfen, welche Veröffentlichung sie für welchen potentiellen Preis verwenden möchten. Ansonsten gäbe es eine Doppelförderung, die für Drittmitteln nicht zulässig ist.
-ns
PS: Im Einwerben von Viertmitteln probiere wir uns übrigens gerade: http://www.startnext.de/theresienstadt-explained