„Darüber bin ich zufällig gestolpert“ – ich beobachte, dass ich das öfter mal sage, wenn ich auf Texte stoße, an denen ich hängenbleibe, obwohl ich eigentlich etwas anderes machen wollte. Und da ich (so glaube ich jedenfalls) nicht an dieser mysteriösen Krankheit der Prokrastination leide (früher formulierte man die Diagnose vielleicht auch ein wenig freundlicher als „Bummelei“), gehe ich mal davon aus, dass es einen Grund gibt, warum ich hängen bleibe. Und dieser Grund kann nur darin liegen, dass Aufmerksamkeit und Interesse in einem Maß geweckt werden, das ausreicht, um andere, zunächst scheinbar wichtigere Dinge, mal ein, zwei Stunden (oder länger) liegen zu lassen. Das ist mir heute Morgen um 5.00 (sowieso eine der besten Zeiten des Tages) mit einem Text von Günter Rexilius passiert (online hier zu lesen).
Unter dem Titel „Wie Klaus Holzkamp posthum auf den Kopf gestellt wurde“ berichtet der Autor (im Jahr 2008) aus der Zeit zwischen Mitte der 1960 bis Mitte der 1980er Jahre über das vergebliche Bemühen, eine kritische Psychologie zu etablieren. Exemplarisch wird das vor allem am Werk und Wirken von Klaus Holzkamp festgemacht. Der Beitrag ist aus einer persönlichen Perspektive geschrieben; von daher, so denke ich, erübrigt sich die Frage, wie gut die Darstellung gelungen ist. Ich könnte sie auch nicht beantworten, weil mein Wissen über die Kritische Theorie und Ableger derselben in der Psychologie und in der Erziehungswissenschaft begrenzt ist. Es ist begrenzt, weil es mir zugegebenermaßen schwer fällt, die dazu gehörigen Schriften zu lesen: In vielen Fällen übersteigen ideologisches Denken und eine verkomplizierte Sprache, die mir den Intentionen (z.B. hierarchiefreier Diskurs und demokratische Teilhabe) zutiefst entgegen zu stehen scheint, nach mehr als 20 Seiten meine Geduld und ich lege dann – vielleicht zu schnell – die Lektüre wieder beiseite. ABER: Am Text von Rexelius wird noch einmal schön deutlich, warum wir in der Tat öfter den Blick zurück in dieser Zeit bräuchten, warum wir heute wohl noch mehr als vor Jahrzehnten eine aufgeklärte Diskussion über den Stellenwert der Wissenschaft im Allgemeinen und über den Stellenwert der Bildungswissenschaften (auch der Pädagogischen Psychologie!) und der Hochschuldidaktik im Besonderen bräuchten. Wie wir jenseits von Ideologien die Frage der Normen und Werte (wofür stehen wir denn in unserer Gesellschaft als (Bildungs-)Wissenschaftler/innen?) wieder verstärkt in unser Forschungshandeln wie auch in die Lehre bringen können, beschäftigt mich seit langem und konkretisiert sich aktuell in der Hochschuldidaktik unter Leitlinien wie „Bildung durch Wissenschaft“, die leicht von den Lippen gehen, es aber bei genauer Analyse so richtig in sich haben.
Von daher – um wieder an den Anfang dieses Blogposts zurückzukommen –, sind das vermutlich keine Zufallsfunde, die da immer wieder meine Arbeit an „anderen Themen“ unterbrechen, die den Alltag beherrschen. Eher könnte es sich um selbst gewählte Stolperfallen handeln, die ich im Zuge einer implizit laufenden Suchbewegung überzufällig oft aufsuche.