„[…] in der SPIEGEL-Rangliste steht die Universität Hamburg auf dem vorletzten Platz. Fühlen Sie sich für dieses schlechte Abschneiden mitverantwortlich?“ – „Nein, überhaupt nicht. Ich finde diese Untersuchung aber nützlich, weil sie den Finger auf eine Wunde legt, die von uns Hochschuldidaktikern schon lange beklagt wird. Es ist bestimmt hilfreich, wenn bei den Hochschullehrern, auch den Hamburgern, der Leidensdruck mal erhöht wird.“
Nein, keine Sorge, es handelt sich hier nicht um den Beginn eines aktuellen Interviews. Es ist der Auftakt eines Spiegel-Interviews aus dem Jahre 1990. Es lohnt sich dennoch, dieses gut ein Viertel Jahrhundert altes Gespräch zu lesen, auf das mich eine Teilnehmerin aus unserem Master of Higher Education aufmerksam gemacht hat. Interviewt wird hier der Sozialpsychologe und Hochschuldidaktiker Gerhard Portele, der damals am Interdisziplinären Zentrum für Hochschuldidaktik an der Uni Hamburg Geschäftsführender Direktor war. „Haben Sie die Hochschullehrer fasch beraten?“ – „Die […] Professoren haben Ihre Didaktik-Kurse geschwänzt?“ – „Vielleicht bieten Sie die falschen Seminare an [..]?“ – „Was haben Sie falsch gemacht?“. Portele ist nicht zu beneiden bei diesen Fragen. Seine Antworten sind sachlich, manche ließen sich auch heute noch so formulieren, bei anderen wird deutlich, dass inzwischen doch einige Jahrzehnte ins Land gegangen sind.
Gleich geblieben scheint die Strategie, nach Schuldigen zu suchen, wenn es nicht so läuft, wie man es gerne hätte – ungeachtet dessen, dass komplexe Probleme, wie die in der Hochschullehre, in der Regel multifaktoriell bedingt sind. Gleich geblieben ist aber auch, dass man Professoren, einmal im Amt, nur schwer für die Hochschuldidaktik begeistern kann – jedenfalls mit klassischen Seminaren oder Workshops. Dass Begeisterungsfähigkeit durchaus entfacht werden kann – zumindest punktuell – zeigen andere Initiativen wie Lehrlabore, Ausschreibungen für neue Ideen zur forschungsorientierten Lehre und gezielte Unterstützung von Lehrenden, die eigene Ideen in der Lehre verfolgen möchten.
Die ewige Defizitorientierung (bis zur Schmerzgrenze in Richtung Leidensdruck), die der Hochschuldidaktik immer noch anhaftet, ist meiner Einschätzung und Erfahrung nach höchst kontraproduktiv. Portele berichtet 1990 in seinem Interview, dass nur ein kleiner Teil der Hochschullehrer wirklich daran interessiert seien, wie man die Lehre verbessern kann. Das sagt er 1990, zu Zeiten also, die man heute gerne als die besseren Zeiten vor Bologna bezeichnet: Bessere Zeiten für die Weiterentwicklung der Lehre aber waren es ganz offensichtlich auch nicht. Der Druck in der Forschung, Belastungen aufgrund von Massenbetrieb, wachsende Managementaufgaben – alles wurde schon vor mehr als 25 Jahren beklagt und als Grund dafür angeführt, dass es keinen Freiraum für mehr Engagement in der Lehre gäbe. Natürlich ist das nicht ganz falsch: Man kann nicht immer mehr im gleichen Zeitraum schaffen. Ich bin auch dafür, dass die Lehrverpflichtung generell gesenkt wird (weil es einfach zu viel ist), dass man das Bachelor-Master-System grundlegend reformiert (u.a., weil ein Studium heute länger dauert als früher und genau genommen vieles schlicht gedoppelt wird – die Abschlussarbeit z.B.). Aber alleine das wird vermutlich nichts ändern. Didaktisches Denken und Handeln muss raus aus dem Image der Verpackungskunst (siehe hier) und Teil des Berufsbilds eines verantwortungsbewussten und gestaltungsinteressierten Wissenschaftlers an Hochschulen werden – und statt Schmerzen darf es gerne auch Freude bereiten.