Karin Reiber und Ludwig Huber haben einen Text (online hier) veröffentlicht, der sich mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit die Hochschuldidaktik bzw. Hochschulbildung ein Thema in der Erziehungswissenschaft ist. Der, wie man so schön sagt, „anekdotische“ Eindruck ist ja bei vielen, die sich mit Hochschuldidaktik wissenschaftlich und forschend beschäftigen, dass sich die Erziehungswissenschaft herzlich wenig für Lehren, Lernen und Bildung im akademischen Kontext interessiert. Reiber und Huber machen nun den verdienstvollen Versuch, diesem Eindruck und „Gefühl“ mit einer Bestandsaufnahme (für die Jahre 1955 bis heute) nachzugehen und dabei zu fragen, was in der erziehungswissenschaftlichen Fachgemeinschaft an hochschuldidaktischen Arbeiten kommuniziert wird.
Als Quellen werden verwendet: (a) die Zeitschrift für Pädagogik (ZfPäd) als ein repräsentatives Organ mit traditionell enger Verbindung zur Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft; (b) das jährlich in der ZfPäd veröffentlichte Verzeichnis zu erziehungswissenschaftlichen Dissertationen und Habilitationen; (c) Kompendien, Enzyklopädien und Fachwörterbücher der Erziehungswissenschaft (in Auswahl).
Die Lektüre des Textes lohnt sich – auch wenn am Ende „nur“ herauskommt, dass der Eindruck eher nicht täuscht, das Gefühl also ganz richtig ist: Die Ergebnisse der durchgeführten Analyse weisen nach, dass die Erziehungswissenschaft für Themen mit Bezug auf Hochschule im Allgemeinen und Hochschuldidaktik im Besonderen bisher wenig Interesse gezeigt hat. Und: „Das bleibt erstaunlich, finden doch auch in der Hochschule seit jeher organisierte Bildungsprozesse statt“ (S. 26).
Reiber und Huber fragen sich am Ende des Textes, woher die „Enthaltsamkeit“ der Erziehungswissenschaft gegenüber diesem Bereich kommt und wie sie sich erklären lässt (S. 27). Eine erste Erklärung könne in der Komplexität oder Vielschichtigkeit dieser Bildungsinstitution im Vergleich zur Schule gesucht werden; allerdings gelte das mindestens für die Berufsbildung auch. Eine zweite Erklärung könne sein, dass die Lernenden in der Hochschule (in der Regel oder weitgehend) Erwachsene bzw. im rechtlichen Sinne mündig sind; doch das würde schließlich auch für die Zielgruppen der Erwachsenen- und Weiterbildung gelten. Als dritte Erklärung führen Reiber und Huber an, dass die Hochschule, bzw. genauer die Universität in der deutschen Tradition, bisher nicht als pädagogische Einrichtung verstanden worden sei, „nicht von ihr selbst und offenbar auch nicht von der Erziehungswissenschaft“, wobei sich genau das gerade ändere. Ob diese Änderung in Richtung einer pädagogischen Einrichtung nun tatsächlich erfolgt, ob man die faktischen Veränderungen so deuten sollte oder muss, diskutieren Reiber und Huber kritisch, ebenso die Folgerung, dass mit einer solchen Veränderung nun die Erziehungswissenschaft doch tätig werden könne.
Ich finde diesen letzten Punkt im Text von Reiber und Huber ausgesprochen wichtig. Zum einen stellt sich hier mal wieder die Frage, ob nicht die Bezeichnung Bildungswissenschaft oder „Bildungs- und Erziehungswissenschaft“ besser wäre (siehe dazu auch die Diskussion hier). Zum anderen leistet man meiner Einschätzung nach mitnichten einer der Schule ähnlichen Pädagogisierung Vorschub, wenn man in Theorie, Empirie und Praxis hochschuldidaktisch tätig wird. Im Gegenteil: Es käme ja nun darauf an, den Eigensinn der Hochschuldidaktik als Disziplin herauszuarbeiten, um den Eigenheiten der Universität und dem akademischen Lehren und Lernen gerecht zu werden (siehe dazu hier).