Gestern hatten wir im Rahmen der Ringvorlesung am HUL Hubert Knoblauch zu Gast. Tobias war es gelungen, den prominenten Vertreter einer sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie nach Hamburg zu holen. Der Vortrag war zudem eingebunden in das Modul Wissenschaftsforschung unseres Masterstudiengangs Higher Education, das erstmals angeboten worden ist. Wir sind nämlich überzeugt davon, dass die oft zitierte Formel „Bildung durch Wissenschaft“ impliziert, sich auch mit Fragen auseinanderzusetzen, wie: Was ist Wissen und was ist wissenschaftliches Wissen? Inwieweit ist Forschung ein Weg zum Wissen? etc.
Was alles unter Wissenschaftsforschung fällt, ist keineswegs eindeutig: sicher wohl Wissenschaftstheorie und Wissenschaftssoziologie ebenso verschiedene Wissenstheorien und die Wissenssoziologie – und hier kam Hubert Knoblauch ins Spiel. Der Blick in seine Publikationsliste ist beeindruckend – das kann die Stimmung drücken, wenn man das eigene Zeitbudget für Veröffentlichungen reflektiert. 😉
Der Titel seines Vortrags war bewusst allgemein gehalten: „Wissen, Wissenschaft und Wissenskommunikation“. Ein gut verständlicher Überblick, der einige der im Vortrag angesprochenen (Teil-)Themen enthält, findet sich hier. Zu den Kernsätzen dürfte gehören: „Wissen ist die soziale Form des Sinns, der Erfahrungen und Handlungen leitet.“ Ein weiterer wichtiger Begriff in Knoblauchs Wissenssoziologie ist die Kommunikation. Empirisch trete Wissen nur als Kommunikation auf bzw. als kommunikatives Handeln. Daher sei ein Begriff wie „Wissenskommunikation“ an sich tautologisch. Die hinter solchen Sätzen stehende Begriffsarbeit sind für Studierende des Masters wie auch für Wissenschaftler aus anderen Disziplinen nicht immer leicht nachzuvollziehen, zumal wenn dann auch noch viele Namen fallen, von denen alle etwas andere Akzente bei der Begriffsdefinition und Konstruktion ihrer Theorien über Wissen, Kommunikation und Handeln setzen. Es ist daher keine leicht zu beantwortende Frage, was genau man für die Hochschuldidaktik aus solchen Themen herausziehen kann. Man darf sich hier vermutlich auch nicht bis in die Untiefen verstricken. Aber wann ist genügend Tiefe erreicht, um überhaupt eine Erkenntnis zu generieren, die für didaktische Fragen relevant ist?
Relevant sind vermutlich Erkenntnisse aus soziologischen Studien zu Praktiken in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, aber auch grundlegende Einsichten in die Wirkung von Denkkollektiven (siehe dazu auch hier), denn: Wissenschaft als Gegenstand akademischen Lehrens und Lernens umfasst eben genau nicht nur einen Fundus mehr oder weniger „gesicherten“ Wissens, das für Anschlusssysteme brauchbar ist, sondern auch die speziellen Praktiken und Denkstile, die entsprechend Eingang in die Lehre finden (sollten). Das setzt aber voraus, dass Lehrende mit diesen Praktiken und Denkstilen reflektiert umgehen, sich mit ihrer Genese, ihrer Reichweite, ihren habitualisierten Ausprägungen etc. beschäftigen.
In seinem Vortrag und in der anschließenden Diskussion stellte Hubert Knoblauch fest, dass es heute wenig Wissenschaftsforschung, aber viel Hochschulforschung gäbe – anders etwa als im internationalen Raum, wo die Wissenschaftsforschung als „Science and Technology Studies“ (STS) umfassender und intensiver betrieben werde. Und die Wissenschaftstheorie habe sich, so Knoblauch, in Luft aufgelöst. Ich denke, beides sieht man durchaus am neuen Portal „Wissenschafts- und Hochschulforschung“ vom BMBF. Die soziologische Hochschulforschung wird zum neuen Rahmen – und übrigens soll sich da auch die hochschuldidaktische Forschung unterordnen (was ich allerdings nicht für sinnvoll halte).
Fazit: Für uns am HUL war der Besuch von Hubert Knoblauch wichtig und es erscheint erstrebenswert, zum einen den Kontakt zu halten, und zum anderen mit weiteren Wissenschaftlern aus dem Umfeld der Wissenschaftsforschung (auch wenn sie nicht eben üppig vorhanden ist) in einen Dialog zu treten.