Ein Universitätsstudium ist mehr als eine Berufsqualifikation, Bildung durch Wissenschaft daher ein Muss und ein reflexiver Habitus im mehrfachen Sinne erforderlich, wenn es darum geht, Studiengänge so zu gestalten, dass sie auch die gesetzlich vorgegebenen Aufgaben erfüllen können. Es mag vermessen sein, die Botschaften von Wolfgang Nieke aus seinem Vortrag im Rahmen der HUL-Ringvorlesung (siehe hier) in dieser sehr knappen Form zusammenzufassen. Aber um auf den Punkt zu bringen, um was es am gestrigen Nachmittag vorrangig ging, taugt es ja vielleicht. Zentral war für uns am HUL und unser Interesse am Austausch mit Wolfgang Nieke der Begriff der Wissenschaftsdidaktik: 2014 hat er zusammen mit Konstantin von Freytag-Loringhoven eine Skizze zur universitären Wissenschaftsdidaktik veröffentlicht. Hieran schloss auch der Vortrag und die anschließende Diskussion an.
Ich möchte an der Stelle keine inhaltliche Zusammenfassung der interessanten und wichtigen Themen geben, die Wolfang Nieke angesprochen hat. In Bälde wird die Videoaufzeichnung zur Verfügung stehen, sodass man das „nachhören“ kann. Festhalten möchte ich daher nur ein paar Impulse und angestoßene Fragen, die mich zum Nachdenken bringen.
Insbesondere in der Diskussion nach dem Vortrag zeigte sich mehrfach, dass und wie wichtig es ist, Beschreibungen der aktuellen Situation an unseren Hochschulen (als Oberbegriff für Universitäten, Fachhochschulen, duale Hochschulen) einerseits von Entwürfen einer möglichen Entwicklung oder Zukunft (mit Rückgriff auf historische Leitgedanken oder gegenwärtige politische Maximen oder Ideale) andererseits zu unterscheiden. Ich denke, dass es legitim und notwendig ist, sich neben einer Zustandsbeschreibung mit Zukunftsentwürfen zu beschäftigen, dann aber auch die Frage zu stellen, wie man sozusagen von A nach B kommt: Wenn man also – wie Wolfgang Nieke im Vortrag – deutlich macht, was ein universitäres Studium auszeichnen sollte, gleichzeitig aber feststellt, dass sich etwa Fachhochschul- und Universitätsstudiengänge im Zuge der Bologna-Reform immer mehr angleichen, dann frage ich mich: Ist eine solche Diskrepanz jetzt ein Signal dafür, dass man aufhören kann oder soll, sich Gedanken über den „Kern der Universität“ zu machen (nach dem Motto: Der Zug ist eh schon abgefahren), oder ein Aufruf dazu, nach Handlungsspielräumen zu suchen oder diese (wieder) herzustellen, um das „spezifisch Universitäre“ (tradiert oder neu erfunden) tatsächlich zu gestalten?
Ein weiterer für mich aufschlussreicher Diskussionsstrang drehte sich um die Frage theoretischer Rahmenkonzepte: Wolfgang Nieke macht sich dafür stark, Konzepte aus der Erwachsenenbildung für die Gestaltung von „Bildung durch Wissenschaft“ heranzuziehen. Im Fokus stehen hier vor allem konstruktivistische Denkrichtungen. Meine Skepsis gegenüber der Art der Rezeption „des“ Konstruktivismus (den es so gar nicht gibt, weil die Spielarten nun tatsächlich groß sind) in den Bildungswissenschaften, ist in den letzten Jahren gewachsen (daraus mache ich ja kein Geheimnis). Die Diskussion hat mich darin eigentlich bestärkt, und mich wundert letztlich, warum die Didaktik und deren Prämissen einen so geringen Stellenwert im Vortrag und in der Diskussion hatten, wenn doch von „Wissenschaftsdidaktik“ die Rede ist.
Sehr aufschlussreich war schließlich für mich die von Wolfgang Nieke berichtete positive Erfahrung mit Tandems zwischen Fachwissenschaftlern (oder auch Fachdidaktikern) auf der einen Seite und Bildungswissenschaftlern (der Begriff Hochschuldidaktiker wurde vermieden ;-)) auf der anderen Seite bei der Gestaltung von Studium und Lehre: Es ist nämlich auch meine Annahme, dass wir solche „Tandems“ bzw. eine Kooperation in dieser Form brauchen, um die Hochschullehre – und da meine ich jetzt tatsächlich alle Hochschultypen – langfristig und gut begründet sowie jenseits der Moden und bloßen Labels weiterzubringen. Umso erfreulicher ist es zu hören, dass auch die Empirie in diese Richtung sozusagen „grünes Licht“ gibt.
Wie schon bei den vorangegangenen Ringvorlesungsvorträgen kann ich abschließend nur sagen: Es ist immer wieder ein Gewinn, einen Austausch in dieser Form zu haben, weitere Argumente und Ideen für eigene Positionen zu hören, aber auch Positionen kennenzulernen, die man nicht zwingend teilt oder nicht im Blick hat(te) und auf diesem Wege über den eigenen Tellerrand zu schauen.