Das ist so eine Sache mit der Evidenzbasierung in den Bildungswissenschaften. Gerne ist man da ausgesprochen dualistisch unterwegs: Bist du für oder gegen Evidenzbasierung? Aber das ist freilich Unsinn. Als mit dem Regierungswechsel in den USA die Wissenschaft plötzlich bangen musste, ob ihre Erkenntnisse noch ernst genommen werden und Relevanz haben (auch für praktische, das heißt ebenfalls: politische Entscheidungen), war das auf den ersten Blick ein starkes Argument für eine „evidenzbasierte Bildungspraxis“, denn: Wer mag sich als Wissenschaftler schon in einen Topf geworfen sehen mit denen, die „gegen Fakten sind“, die wider besseres (wissenschaftliches) Wissen lieber einer „gefühlten Wahrheit“ folgen?
Dennoch muss ein zweiter Blick erlaubt sein und die Frage, was das Wort evidenzbasiert etwa in der Hochschuldbildung genau heißen kann (um auf das mich interessierende Feld zu kommen), wie es sich von Evidenzbasierung in Bereichen wie der Medizin unterscheidet etc. Und klar sollte eigentlich auch sein, dass ein „wissenschaftlicher Nachweis, Beleg oder Beweis“ durchaus unterschiedliche Qualität haben kann – je nachdem, wie der Erkenntnisweg zum Nachweis, Beleg oder Beweis eben aussieht.
Wer also einen kritischen Blick auf eine einseitige oder gar dogmatische Auslegung von evidenzbasierter Hochschulbildung wirft, muss und kann sich, so meine ich, natürlich trotzdem für wissenschaftliche Nachweise und Belege aussprechen. Das eine schließt das andere keineswegs aus. Im Gegenteil: Das unsägliche „für versus gegen“ lässt uns doch nur in eine wirklich gefährliche Sackgasse laufen. Man kann das schön an der neuesten Provokation aus dem Weißen Haus zeigen: Da gibt es jetzt plötzlich „verbotene Wörter“ – und siehe da: „evidenzbasiert“ ist auch darunter. Gut, der Kontext ist (noch) nicht die Bildung, aber wer weiß, vielleicht gehört das auch da bald zu den No-Go-Wörtern? Dazu passend (ein Dank an Ingrid Scharlau für den Hinweis) empfehle ich einen kurzen Text (hier) von Robert Slavin, der all jenen bekannt sein dürfte, die sich in irgendeiner Form mit kooperativem Lernen beschäftigen.
Es wäre also jetzt wirklich absurd, würde man sich darüber freuen, wenn „evidenzbasiert“ aus dem wissenschaftlichen Wortschatz gestrichen werden würde, nur weil man sich über die einseitige Auslegung im Bildungsbereich ärgert. Denn unabhängig davon, dass wir ja genau die kritische Auseinandersetzung darüber brauchen, wie Wissenschaft Bildungspraxis besser machen kann (und dazu sind ehrlich geführte Kontroversen über die Evidenzbasierung sehr nützlich), ist es schon absurd genug, überhaupt Wörter, die nicht gegen eine demokratische Grundordnung verstoßen, einfach eliminieren zu wollen. Das kann einem schon bange werden – nicht nur als Wissenschaftler.