„Es wird Zeit, einen kritischen Standpunkt zum Technologie-Determinismus einzunehmen“ – so einer der einleitenden Sätze von Rolf Schulmeister und Jörn Loviscach in einem Text von 2017 mit dem Titel „Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen“ – online abrufbar hier. Der Anlass: „Die Grenze zwischen populären Darstellungen und ernstzunehmenden Studien zur Digitalisierung verschwimmt in der öffentlichen Wahrnehmung.“ (S. 1) – und nicht nur da, würde ich ergänzen. Der Druck auf die Hochschulen wächst, Digitalisierung zum strategischen Thema zu machen. Allerdings nicht etwa deswegen, weil man erkannt hat, wie wichtig ein wissender und mündiger Umgang mit digitalen Technologien ist, sondern weil wir uns angeblich auf einer Aufholjagd befinden, um international nicht abgehängt zu werden (wovon genau?).
Wie von einem Text, an dem Rolf Schulmeister beteiligt ist, nicht anders zu erwarten, findet der Leser hier eine sorgfältig zusammengestellte Sammlung empirischer Studien und deren Befunde, die dazu geeignet sind, Mythen der Digitalisierung aufzudecken. Die Autoren räumen ein: „Die Unterstützung des Lehrens und Lernens durch digitale Medien kann in der Tat vorteilhaft sein, jedoch nur dann, wenn sie die unterschiedliche Methodologie der Disziplinen berücksichtigt und an die didaktische Umgebung und die sozialen Kontexte und Motivationen der Studierenden angepasst ist“ (S. 13). Sie zeigen das konkret anhand beliebter Beispiele, unter anderem an Flipped Classroom und Clicker Systemen, gehen auf den Einfluss von Anwesenheiten und Smartphone-Nutzung ein, bestätigen letztlich ihre Eingangsthese: „Die heutigen Studierenden sind nicht das, was man sich plakativ als ´Digital Natives´ vorstellt“ (S. S. 5) und resümieren: „Studierende bevorzugen überwiegend die klassischen Lehrmethoden. Obwohl sie in Befragungen häufig zustimmen, wenn es um mehr Vorlesungsaufzeichnungen geht, nutzen nur wenige die Angebote kontinuierlich, die meisten hingegen nur kurz vor den Prüfungen völlig unzweckmäßig. […] Medieneinsatz ist dann am erfolgreichsten, wenn er den Präsenzunterricht ergänzt und nicht ersetzt […]. Es scheint bei den Studierenden eine Obergrenze für die Steigerung der Vielfalt des Medienangebots zu geben“ (S. 13). (zum Thema Digital Natives siehe auch hier).
Alle, die glauben, dass der Sachzwang zum Handeln und das Risiko, als „Old School“ zu gelten, schon zu groß sind, um auch nur eine kritische Frage zu stellen, aber auch alle, die meinen, dass jetzt die Zeit für umfangreiche Formen der institutionellen Steuerung von Lehre dank der Digitalisierung reif ist, sollten den Satz der Autoren gegen Ende des Textes ein wenig auf sich wirken lassen: „Lehren und Lernen mit ihrer Charakteristik von komplexen motivationalen Wechselwirkungen, kognitiven und sozialen Rückkoppelungen und Effekten setzen einer strukturellen Digitalisierung der Hochschulen deutliche Grenzen der Machbarkeit“ (S. 14).
Ein Gedanke zu „Grenzen der Machbarkeit“