Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Sprachumerziehung

„Das heißt jetzt Digitalisierung“, ist ein Spruch, den man so oder so ähnlich seit einigen Jahre hört, wenn man die bislang üblichen Begriffe wie E-Learning (oder E-Teaching) und Blended Learning in den Mund nimmt. Die damit in der Regel gemeinten Phänomene und Bemühungen haben ein neues verbales Gewand bekommen: digitale Transformation, smart technologies, Web 4.0 (was nur 3.0 gewesen sein mag?) usw. Geradezu anachronistisch mutet da die Begriffswahl eines aktuellen Beitrags von Karen Smith und John Hill in der Zeitschrift Higher Education Research and Development an. Unter dem Titel „Defining the nature of blended learning through its depiction in current research” gehen die Autoren der Frage nach, wie Blended Learning in, für Hochschullehre relevanten, Zeitschriften dargestellt wird, und was da genau erforscht wird.

Die Ergebnisse der Analyse von 97 Artikeln aus insgesamt 15 Zeitschriften zwischen 2012 und 2017 sind nicht sonderlich überraschend. Trotzdem berichte ich hier über diesen Beitrag, weil ich ein paar Aspekte dennoch für bemerkenswert halte:

  • Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass zumindest in der (bildungs-)wissenschaftlichen Literatur noch von Blended Learning gesprochen wird. Allein das ist ja durchaus ein interessanter Hinweis angesichts der Bemühungen zur Sprachumerziehung auf dem Feld der „digitalen Hochschullehre“.
  • Wenig erstaunen dagegen dürfte, dass es keine wirklich überzeugende Definition für Blended Learning gibt. Der Beitrag zeigt (implizit) auf, dass die Breite und Ungenauigkeit des Begriffs (notgedrungen) sehr ungünstige Folgen für die Forschung haben. Didaktische Forschung braucht präzise Begriffe, vor allem dann, wenn man sich für die Wirkungen bestimmter Lehrkonzepte und -methoden interessiert.
  • Und Wirkungen, so Smith und Hill, dominieren auch die Forschung: Man sucht vorrangig danach, welche Lernergebnisse sich mit Blended Learning erzielen lassen – eine ziemliche Engführung, wie die Autoren konstatieren, denn es gäbe freilich viele andere Fragen.
  • Nicht überraschen dürfte darüber hinaus die Erkenntnis aus der Analyse, dass vor allem kleine Studien mit lokaler Begrenzung im Fokus der wissenschaftlichen Berichterstattung stehen. Ich würde daraus nicht unbedingt schließen, dass diese unbrauchbar sind – im Gegenteil: Der Vorteil dieser Studien ist die Kontextualisierung dessen, was da untersucht wird. Das Problem ist eher, dass wir nach wie vor keine guten Ideen haben, wie man die Vielzahl solcher Studien „aggregieren“ könnte, denn: Das müsste freilich anders erfolgen als in den klassischen Meta-Analysen, in welche vor allem kontrollierte, mit quantitativen Methoden durchgeführte Studien eingehen.
  • Schließlich – und auch das ist es sicher wert noch einmal hervorzuheben – verweisen die Ergebnisse von Smith und Hill darauf, dass die hochschul- und mediendidaktischen Fachgemeinschaften (so übersetze ich das jetzt einfach mal ins Deutsche) offenbar nach wie vor lieber getrennten Wege gehen: Zeitschriften, die sich zwar mit Hochschullehre, aber vom Titel her nicht explizit mit digitalen Technologien beschäftigen, publizieren nämlich weitaus weniger Beiträge zu Blended Learning in der Hochschullehre als Publikationsorgane, die sich explizit den digitalen Medien widmen. Obschon also in der Praxis viele Formen der „Digitalisierung“ selbstverständlich geworden sind, fremdeln die wissenschaftlichen Fachgemeinschaften untereinander offenbar nach wie vor – auch international.

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