Wissenskraftwerke

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat Mitte Märze 2019 eine interessante „Entschließung“ zur „Anwendungsorientierten Forschung“ hier online gestellt.

Diskutiert wird, wie man besser anwendungsorientierte Forschung fördern könnte und sollte. Das Hauptaugenmerk scheint zwar darauf zu liegen, wie man „Innovationsprozesse“ für die Wirtschaft beschleunigen kann, aber es finden sich auch ein paar Passagen im Text, die – so kann man sie jedenfalls lesen –auch für die Bildungsforschung relevant sein könnten.

Der Einstieg wirkt leider etwas pathetisch und eher ökonomie-, denn erkenntnisgetrieben: „Die Hochschulen sind […] die unverzichtbaren Wissenskraftwerke, ohne die Innovationsökosysteme schnell verkümmern. Sie sind das Gravitationszentrum des deutschen Innovationsystems, das Forschung, Lehre sowie Wissens- und Technologietransfer unter einem Dach vereint und alle drei Seiten des Wissensdreiecks – Bildung, Forschung und Innovation – abbildet“.

Aber wir auch immer: Man erkennt vor diesem Hintergrund eine „Förderlücke im Bereich der anwendungsbezogenen Forschung“. Wichtig und richtig ist aus meiner Sicht die hier angestellte Beobachtung: „Forscherinnen und Forscher haben gegenwärtig zu geringe Möglichkeiten, eigene Anwendungsideen zunächst unabhängig von externen Vorgaben voranzutreiben. […] Die bisherige Förderung anwendungsorientierter Forschungsprojekte ist primär auf die Nachfrage aus der Wirtschaft, weniger auf neue und innovative Untersuchungsfelder aus der Sicht der Wissenschaft ausgerichtet. […] Wenn Förderangebote vor allem der Wissenschaft offenstehen – etwa in den Fachprogrammen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – sind sie vielfach politischer Steuerung und damit wechselnder Themensetzung unterworfen“.

Das sehe ich ebenfalls als ein sehr großes Problem und zwar auch in den derzeitigen Förderlinien des BMBF etwa für die Hochschullehre – also auf dem Gebiet, zu dem ich selber etwas sagen kann. Eigene begründete Forschungsziele und -pläne muss man dann reinpressen in bestehende Programme oder gar abändern, damit sie passen – oder es sein lassen. Mit Forschungsfreiheit hat das letztlich immer weniger zu tun.

Das sieht offenbar auch die HRK ähnlich (aber vermutlich nicht mit Blick auf die Bildungsforschung), wenn sie sagt, dass die aktuelle Förderlogik mit Programmen vor allem für „nicht bedachte Themenfelder“ ein Problem sei: „Fragen der angewandten Forschung müssen dann mangels passender Finanzierungsoptionen so modifiziert werden, dass sie entweder im Rahmen von Grundlagen-orientierten Förderprogrammen bearbeitet werden können, oder aber es muss in einem eigentlich zu frühen Stadium ein Partner aus der Praxis mit sehr spezifischen eigenen Interessen gefunden werden“.

Der Text der HRK schlägt vor diesem Hintergrund konkret vor, dass auch Forschungsprojekte mit Anwendungs- und Transferbezug themenoffen, disziplinunabhängig, langfristig gefördert werden sollten; deren Beantragung sollte laufend möglich sein – ohne gesonderte Ausschreibung; eine Zusammenarbeit mit Praxispartnern sollte möglich, aber nicht zwingend sein. Nun: Das würde ich mir für Bildungsthemen tatsächlich auch wünschen! In der Anlage des Papiers gibt die HRK noch einen Überblick über bestehende Förderprogramme, woraus deutlich wird, dass es hier tatsächlich eine Förderlücke gibt.

Problematisch ist aus meiner Sicht, dass man nach wie vor in Hochschulpolitik und Forschungsförderung offenbar nur Forschung UND Entwicklung denken kann, aber keine Forschung DURCH Entwicklung/Gestaltung, was mir unverständlich ist, sollte es doch in der Wissenschaft doch nicht nur möglich, sondern nötig sein, neue/alternative Erkenntniswege zu diskutieren, zu erproben, abzuwägen. Zudem ist auf Gebieten wie der Bildung die Unterscheidung von Grundlagenforschung und Angewandter Forschung höchst fragwürdig. Mehr Differenzierung und eine explizite Berücksichtigung etwa der Bildungsforschung wäre daher äußerst hilfreich.

Das im Text erwähnte Wissensdreiecks „Bildung, Forschung und Innovation“ ist sicher keine schlechte Denkfigur, wobei ich Innovation schlichtweg durch Gesellschaft ersetzen und dazu aufrufen würde, dieses Dreieck disziplinspezifisch auszugestalten, denn: Sowohl die Forschung selbst als auch die potenzielle gesellschaftliche Wirksamkeit dürften sich doch je nach (Sub-)Disziplin in hohem Maße unterscheiden und in der Folge ziemlich unterschiedliche Folgen für die Hochschulbildung haben.

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