Diese Woche fand das Professorenprogramm „Wissenschaftsdidaktik im Gespräch“ erstmals in einem dreistündigen Format statt. Vorab hatte ich bereits in 2018 und 2019 mit anderen Umsetzungsvarianten experimentiert: kürzere Runden (2 Stunden) ohne vorgegebene Struktur, aber mit einem jeweils vorgeschalteten Videoimpuls von Kolleginnen; zeitlich ähnliche Runden ohne Videoimpuls, dafür aber etwas strukturierter mit einem kleinen Vortrag als Auftakt.
Innerhalb eines Jahres fanden in diesem Sinne insgesamt fünf von sieben geplanten Veranstaltungen statt; zwei musste ich aufgrund zu weniger oder fehlender Anmeldungen absagen. Begonnen habe ich das Programm im Mai 2018 mit einem Vorab-Video-Impuls zum Konzept Campus Community Partnership. Die zweite Veranstaltung war im September 2018, der ein Videoimpuls zugrunde lag über ein Gespräch mit Ludwig Huber zur Wissenschaftsdidaktik. Der dritte Termin fand im November 2018 zum Thema „Lehre und Exzellenz“ (mit einer Textgrundlage) statt. Ein viertes Treffen hatten wir im April 2019 zum Thema Vorlesungen (mit Vortrag), und ein letztes Treffen im Juli 2019 zum forschungsnahen Lernen (mit Vortrag). Rückblicke auf die fünf Veranstaltungen sowie die insgesamt fünf Videoimpulse (zu zweien klappte es nicht, auch die dazugehörige Veranstaltung durchzuführen) sind bewusst nicht öffentlich, sondern nur dem internen Kreis der Teilnehmerinnen zugänglich. Die Gesprächsrunden waren für kleine Teilnehmerzahlen konzipiert, aber die im Schnitt drei Teilnehmer waren doch einfach zu wenig, um das so fortsetzen zu können. Ein paar Mal habe ich in diesem Blog kurz über das Programm berichtet (nämlich im Juni 2018 hier, im November 2018 hier und im April 2019 hier).
Nun versuche ich es also mit einer Veranstaltung im Semester und erneut in anderem Gewand. Und damit wäre ich wieder bei der eingangs genannten Veranstaltung von dieser Woche, die für drei Stunden angesetzt war. Sieben Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fakultäten und Disziplinen bzw. Fächern (Mathematik, Astronomie, Informatik, Rechtswissenschaft, Geisteswissenschaft, Sozialwissenschaft) und Clemens Cap von der Uni Rostock als externer Gast waren da. Vorgesehen war, dass – neben einem kurzen Impuls unseres Gastes – jeder ein kurzes Statement mitbringt zu einer der wissenschaftsdidaktischen Fragen, die das Programm grundsätzlich rahmen. Diese Fragen zur Wissenschaftsdidaktik sind angelehnt an einen Vorschlag von Ludwig Huber*:
- Welche Wirkung hat es auf Wissenschaft, wenn sie sich erst in Mitteilung manifestiert? Haben Lehre und andere Kommunikationssituationen Einfluss auf die Wissenschaft selbst?
- Wie, wenn überhaupt, kommt die Forschung einer Fachwissenschaft in deren Lehre wirklich (her)vor? Wirken Erfahrungen aus der Lehre auf die Forschung irgendwie zurück?
- In welchem Verhältnis stehen die Strukturen disziplinärer Forschung zu Fachsystematiken in der Lehre? Wie sind beide entstanden, begründet, und wären sie veränderbar?
- Was kann im heutigen Lehrbetrieb „Bildung durch Wissenschaft“ noch heißen? Wie ändert sich wissenschaftsorientierte Lehre inhaltlich mit dem Postulat nach Berufspraxisbezug?
- Was verstehen wir unter Wissenschaftlichkeit in unseren Disziplinen? Wie grenzt sich das gegenüber anderen Wissensformen ab und woran müssen wir unbedingt festhalten?
- Was ist die Rolle verschiedener Fachwissenschaften in der Gesellschaft? Was ist ihre Legitimation, was sind ihre Bedingungen, Folgen wie auch ethischen Probleme?
- Was motiviert uns, in der Wissenschaft zu arbeiten, selbst wenn manche Bedingungen ungünstig sind oder werden? Worin beruht das persönliche Interesse an der Forschung?
Die Fragen habe ich außerdem genutzt, um eine Art Kartenspiel zur Wissenschaftsdidaktik zu entwickeln, das ich kurz ausprobieren und vorstellen wollte (dazu demnächst mehr Details). Es ist dann aber ganz anders gekommen: Die Diskussion war bereits nach dem ersten Statement aus der Mathematik so engagiert und intensiv, dass wir nur mehr ein zweites Statement und den Kurzvortrag unseres Gastes untergebracht haben – und sogar am Ende noch 15 min überzogen haben. Es lief also anders als geplant, und es fiel mir schwer zu entscheiden, wo und wie man die Diskussion wieder in geplante Bahnen lenken sollte (unter anderem um mehr vorbereitete Statements einfließen lassen zu können), aber ich hoffe, dass ich die Zeichen der Dynamik in der Diskussion richtig gedeutet habe und alle auch so profitieren konnten.
Es würde hier zu weit führen, die Diskussion nachzuzeichnen. Ich kann aber in jedem Fall festhalten: Es war ein wissenschaftsdidaktischer Diskurs in dem Sinne, wie ihn, so meine ich, Ludwig Huber* in einem seiner letzten Texte im Sinn hatte. Von hohem Wert war die Vielfalt der vertretenen Disziplinen, die Einblicke in die Unterschiede nicht nur bei Fragen des Lehrens, sondern auch bei Themen rund um Wissenschaft und Forschung (z.B. Wissenschaftlerkarrieren, Nachwuchsförderung, Forschungsdrittmittel) bis hin zu sehr persönlichen Erfahrungen mit deutlichen Differenzen zwischen den Individuen (die hinter ihren Rollen nicht immer sichtbar sind).
Im Juni versuche ich es mit einem zweiten Termin und ich hoffe natürlich, dass es gelingt, eine ähnliche Dynamik zu entfachen.
* Huber, L. (2018). SoTL weiterdenken! Zur Situation und Entwicklung des Scholarship of Teaching and Learning (SoTL) an deutschen Hochschulen. Das Hochschulwesen, 1+2, 33-41.