Die Hochschullandschaft steht – theoretisch – angesichts der aktuellen Pandemie vor einer „Digitalisierungswelle“. Praktisch entwickeln sich nun Probleme, die man auch aus anderen Kontexten kennt – z.B. bei der Bahn: Modernste Hochgeschwindigkeitszüge sind vorhanden, aber Schienennetz und Stellwerke veraltet, und an Personal fehlt es auch, weil alles „auf Kante genäht“ ist. Ähnlich wirkt das bei der Digitalisierung von Hochschullehre: Durchdachte, im Kleinen auch erprobte, Konzepte, gute Werkzeuge und – wenn auch zu wenig – Erfahrung und Kompetenz sind (nicht erst seit gestern) vorhanden, aber siehe da: Schon brechen die ersten Dienste weg, weil natürlich niemand darauf vorbereitet ist, dass jetzt tatsächlich mal flächendeckend „digitalisiert“ wird; die wenigen dafür ansprechbaren Personen werden überschüttet mit Anfragen. Noch bevor der Lehrbetrieb im Sommersemester 2020 beginnt und diese Probleme spätestens dann alle betreffen werden, erleben wir das gerade beim Versuch der „Digitalisierung einer Konferenz“ (siehe hier). Ob die Hochschulen daraus lernen werden?
Ich kopiere hier mal rein, wie wir gestern die Referentinnen und Teilnehmer der Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung (GfHf) informiert haben:
Wir haben nach dem Verbot von Veranstaltungen in der Größenordnung der Jahrestagung der GfHf an der Universität Hamburg vor rund einer Woche schnell reagieren können (siehe hier), weil wir bereits einen Plan B zumindest angedacht hatten. Wir arbeiten seitdem mit Hochdruck und aller Kraft an einer Online-Konferenz mit synchronen und asynchronen Elementen und haben alle Zielgruppen (Vortragende in Online-Tracks, Poster-Referenten, Workshop-Teams) kontaktiert, technische Vorbereitungen getroffen, Anleitungen verfasst etc. Seit gestern ist klar, dass die von den meisten Hochschulen genutzte Möglichkeit synchroner Angebote etwa via DFN Adobe Connect an seine Grenzen gerät, was viele vermutlich selbst schon erfahren haben oder auch hier nachlesen können. Dies wird auch die beiden Tage der GfHf-Tagung treffen – allen unseren schnellen Vorbereitungen zum Trotz.
Es gibt Strategien, die Probleme zumindest ansatzweise zu bearbeiten, aber alle laufen am Ende darauf hinaus, dass die Anforderungen an die Beteiligten doch erheblich sind und das Ergebnis fragwürdig ist: frühes Einwählen möglichst um 7.00 Uhr morgens, heruntergeregelte Qualität, Unterbrechungen und Zeitverzögerungen, rasche Teilnehmerbegrenzung und Risiko des Verbindungsabbruchs. Es ist uns leider trotz aller Bemühungen nicht gelungen, an der Universität Hamburg eine technische Alternative aufzubauen; aber auch bei kommerziellen Anbietern sind bereits ähnliche Probleme zu erwarten.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, trotz der nun schon so weit fortgeschrittenen Planungen, auf synchrone Angebote in der Online-Konferenz zu verzichten.
Da wir nach wie vor davon überzeugt sind, dass die vielen eingereichten Inhalte es wert sind, gezeigt und rezipiert und möglichst auch diskutiert zu werden, möchten wir alle Referenten (nicht nur die Poster-Referenten) dazu einladen, ihre Vorträge als Audio oder Video selbst zu produzieren und digital zur Verfügung zu stellen, sodass wir die ganze Konferenz digital abbilden und als offene wissenschaftliche Ressource zugänglich machen.
Uns ist klar: Viele (auch wir) haben gerade vermutlich ungewöhnliche und neue Aufgaben in dieser ungewöhnlichen Zeit einer Pandemie vor sich. Von daher haben wir Verständnis für alle, die sich nun zurückziehen. Allerdings ist die Digitalisierung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir untereinander auf dieser Tagung teilen woll(t)en, immerhin eine in diese Zeit passende und entsprechend sinnvolle Strategie und Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln.
Von unserer Seite wollen wir den Beitrag leisten, eine Art „Video Conference Book“ mit Ihren Vortrags-, Poster- und Workshop-Inhalten zu erstellen – und zwar bis zum 25. März 2020. Wir tun das in der Hoffnung, dass Sie alle, die Sie sich für den 26. und 27.März 2020 die Zeit genommen hatten, nach Hamburg zu kommen, sich an diesen beiden Tagen mit den zahlreichen interessanten Inhalten rund um die Hochschullehre im Spannungsfeld zwischen individueller und institutioneller Verantwortung beschäftigen können. Wir werden es ermöglichen, die Inhalte zu kommentieren; vielleicht entwickeln sich auf diesem Wege anspruchsvolle und reflektierte asynchrone Diskurse.
An alle Referenten und Referentinnen:
Sie erhalten von uns in Kürze Vorschläge und Anregungen zur Digitalisierung Ihres Konferenzbeitrags (20 min beim Format Vortrag, 5 min beim Format Poster) sowie einen personalisierten Link zu einem Ordner, in den Sie Ihr Video anschließend hochladen können. Workshop-Teams erhalten nochmals gesonderte Informationen. Das heißt: Gerne können Sie auch jetzt schon damit beginnen, die Digitalisierung Ihres Vortrags oder Poster-Beitrags vorzubereiten.
Wir freuen uns auf Ihre Beiträge und wünschen Ihnen, dass Sie gesund und optimistisch bleiben. Mit Sicherheit werden wir alle viel auch für die Hochschullehre aus dieser Zeit lernen.