Keine Zeit, kein Ruhm

Das Deutsche Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) hat (in Kooperation mit der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover) bereits im Dezember 2021 die Ergebnisse einer Studie zu „Bedeutung, Nutzung und Zugang zu Lehrbüchern an Hochschulen“ publiziert. Zu den zentralen Resultaten gehört, dass Lehrbücher keineswegs aus der Mode gekommen sind, sondern nach wie vor einen hohen Stellenwert bilden, insbesondere, wenn es darum geht, Grundlagenwissen zu vermitteln.

Online befragt wurden dazu im Sommer 2021 ca. 1.000 Lehrende und 750 Studierende deutscher Universitäten und Fachhochschulen sowie ca. 260 Beschäftigte an Hochschulbibliotheken. Verglichen wurden unter anderem digitale und analoge Lehrbuchversionen. Wie so oft bei solchen Vergleichen, zeigten sich da (so lese ich das) keine eindeutigen Ergebnisse. Für Lehrende und Studierende allerdings gilt, dass sie E-Books vor allem dann schätzen, wenn sie über Open‐Access‐ oder Campus‐Lizenzen leicht verfügbar sind und auch heruntergeladen werden können. Die Daten verweisen aber auch auf unterschiedliche Einschätzungen von Lehrenden und Studierenden (eine These dabei ist, dass dies am Alter liegen könnte).

Meine Aufmerksamkeit hat allerdings ein anderes Thema auf sich gezogen, nämlich die Frage: Wer schreibt denn eigentlich (noch) Lehrbücher? Dazu heißt es auf Seite 33: „Lediglich ein Drittel der befragten Lehrenden (33%) hat in der eigenen wissenschaftlichen Laufbahn … bereits selbst Lehrbücher für Studierende verfasst …. Weitere 27% der Lehrenden planen dies für die Zukunft, während 40% angeben, nie ein Lehrbuch verfasst zu haben und dies auch in Zukunft nicht zu planen.“ Zu den Gründen heißt es auf Seite 34: „Der meistgenannte Grund, der Lehrende am Verfassen von Lehrbüchern hindert, ist die Vielzahl an anderen Verpflichtungen, die sie von der zeitaufwendigen Autorenschaft eines Lehrbuchs abhält. Eine Mehrheit von 58% der Befragten ist dieser Auffassung …. Ein weiteres oft genanntes Hindernis ist die geringe wissenschaftliche Reputation, die im Vergleich zu anderen Publikationsformen (bspw. Fachzeitschriftenartikel) mit dem Verfassen von Lehrbüchern einhergeht (41%). Jeweils etwa ein Viertel bis ein Fünftel der Befragten nennen die Fokussierung auf Forschungs- statt Lehrtätigkeiten (27%), das geringe Honorar für die Publikation von Lehrbüchern (24%) sowie die Einschätzung, dass im eigenen Fachbereich bereits genügend geeignete Lehrbücher existieren (22%), als Hinderungsgründe. Nur von geringer Bedeutung sind hingegen weitere Hindernisse wie fehlende Erfahrungen mit der didaktischen Gestaltung von Lehrbüchern (6%) oder dem Umgang mit Verlagen (5%)“.

Man weiß jetzt leider nicht, wie hoch der Prozentsatz der Professorinnen und Professoren unter dem Drittel der Lehrenden ist, die noch Lehrbücher schreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Statusgruppe tatsächlich ein Drittel Lehrbücher verfasst. Insbesondere unter den Universitätsprofessoren könnte, so meine Vermutung, der Anteil noch kleiner sein. Die genannten Gründe sprechen für sich: Keine Zeit, kein Ruhm – das sind die wichtigsten Hindernisse. Dass inzwischen fast alle in Zeitnot sind, ist ein eigenes grundlegendes Problem. Dass eine systematisierende Beschäftigung mit Wissen für die Lehre keine Reputation einbringt, wäre im Prinzip veränderbar. Aus wissenschaftsdidaktischer Sicht müsste es gar verändert werden: Zu einseitig sehen wir die Verknüpfung von Forschung und Lehre nur in die eine Richtung: nämlich von der Forschung in die Lehre, und zu wenig auch von der Lehre in die Forschung. Gut gemachte Lehrbücher könnten hier durchaus eine Rolle spielen. Ich denke, es ist ein unterschätztes Problem, dass sich Wissenschaftlerinnen mit hoher Expertise nicht mehr Zeit in die Aufbereitung und Veröffentlichung von Lehrinhalten ihres Faches investieren (können). Umso wichtiger sind diese Daten, auch wenn sie nur ein kleines Schlaglicht auf diesen Aspekt beim Thema Lehrbuch werfen.

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