Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik

Transformation, Stagnation oder Rückkehr zum Ausgangszustand

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Wie schnell doch die letzten beiden Jahre vergangen sind …. Mir ist das unter anderem wieder bewusst geworden, also wir vor einigen Tagen den Bericht unsere vorerst letzten Lehrendenbefragung an der Universität Hamburg (UHH) fertiggestellt haben; er ist online hier zugänglich.

Unter dem Titel „Transformation von Lehren und Studieren unter digitalen Bedingungen (TaLeS)“ haben wir nach einer erster Studie zum „Emergency Remote Teaching“ im Sommersester 2020 (siehe hier) eine Trendstudie zur didaktischen Entwicklung der Lehre unter digitalen Bedingungen aus Studierenden- und Lehrenden-Perspektive an der Universität Hamburg initiiert. Das Team Evaluation am HUL ist zuständig für die Studierenden-Befragungen; ein Forschungsteam aus dem HUL verantwortet die Lehrendenbefragung. Im vergangenen Wintersemester 2021/22 haben wir die Lehrenden an der UHH ein drittes Mal befragt; den Vergleich der Ergebnisse dieser drei Runden zeigt der oben genannte Bericht. Das Ende der Trendstudie aus Lehrenden-Perspektive (aus der Studierenden-Perspektive läuft sie weiter) hatten wir an sich offengelassen. Der Pandemieverlauf zur Jahreswende aber machte deutlich, wie diskontinuierlich die Bedingungen für die Lehre inzwischen geworden sind: Die ursprüngliche Annahme einer schrittweisen, aber kontinuierlichen Rückkehr zur Präsenzlehre mussten wir aufgeben. Außerdem ist es uns nicht gelungen, eine vernünftige Rücklaufquote zu erreichen. Trotz aller Bemühungen ist diese in allen drei Runden im einstelligen Bereich geblieben – zu wenig, um zum Beispiel fachkulturelle Unterschiede zu untersuchen, die uns nicht einfach nur sehr interessiert hätten, sondern die wir als wichtig auch für die weitere Gestaltung von Unterstützungs- und Qualifizierungsangebote erachten.

Da die Angaben zur Person (Fakultätszugehörigkeit, Lehrerfahrung, Erfahrung mit digitalen Technologien in der Lehre) darauf hinweisen, dass die drei Stichproben unterschiedlich sind (trotz der relativ ähnlichen Gesamtzahl der Lehrpersonen, die sich an den drei Befragungen beteiligt haben), lassen sich leider auch Trends nur mit Vorsicht ableiten. Trotzdem geben die Resultate immerhin einen Einblick in Gestaltungsentscheidungen, Einschätzungen zur Digitalisierung und Bedarfe hinsichtlich Unterstützung und Qualifizierung. Mich persönlich bringen vor allem zwei Erkenntnisse zum Nachdenken:

(1) Die Einschätzungen der Befragtengruppen zum Potenzial digitaler Technologien bei der Gestaltung verschiedener Veranstaltungsformate bleiben über den Zeitverlauf hinweg relativ stabil. Die größte Zustimmung liegt jeweils in der Erwartung, dass die örtliche und zeitliche Flexibilität steigt. Die Lehrenden verbinden also vor allem organisatorische Vorteile mit der digitalen Lehre, und das scheint sich auch mit zunehmender Erfahrung nicht sonderlich zu ändern. Bleiben wir bei diesen, seit langem bekannten, Vorteilen des Einsatzes digitaler Technologien stehen? Laufen wir Gefahr, das didaktische Potenzial auch nach der flächendeckenden Erschütterung der Hochschullehre infolge der Pandemie mal wieder nicht auszuschöpfen?

(2) Selbstlernmaterialien haben sich in allen drei Befragungssemestern als besonders wichtig herausgestellt, gefolgt von kurzen und niedrigschwelligen digital synchronen Angeboten. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass der Bedarf an Unterstützung und Qualifizierung kontinuierlich und deutlich sinkt: Sind also schlichtweg alle Bedarfe  gedeckt und die meisten Lehrenden gut auf die Anforderungen der Lehre unter digitalen und Präsenz- sowie zunehmend schwankenden Bedingungen vorbereitet? Oder liegt eine gewisse Digital-Müdigkeit wie auch generelle Erschöpfung vor, die auf die Qualifizierungsbereitschaft von Lehrpersonen drückt? Oder ist vielen Lehrenden nicht ausreichend bewusst, welche Möglichkeiten digitale Technologien jenseits der örtlichen und zeitlichen Flexibilisierung bieten – zum Beispiel auch für forschungsnahe Lehre?

Eine Beobachtung möchte ich noch ergänzen: Während der pandemiebedingten Einschränkungen hatte ich den Eindruck, dass es eine große Bereitschaft gab, darüber nachzudenken, wie die „neue Präsenz“ in der Hochschullehre aussehen könnte, wenn wir sie denn wieder haben. Ich habe nun den Eindruck, dass das gar kein großes Thema mehr ist: also wieder alles zurück auf Ende 2019? Oder gibt es sie doch – die Anzeichen für die neue Präsenz? Wenn ja, was machen Lehrpersonen nun anders als vor der Pandemie? Eine Befragung werden wir dazu nicht mehr machen …, aber natürlich denken wir darüber nach, wie wir mehr darüber erfahren können über die Transformation, Stagnation oder Rückkehr zum Ausgangszustand der Lehre unter Präsenz-Bedingungen und einem wachsenden Ausmaß an Unsicherheit (siehe hier).

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