Im Kontext der Hochschullehre diskutiert man generative Künstliche Intelligenz (KI) meist im Zusammenhang mit studentischem Lernen und neuen Herausforderungen beim Prüfen. Vereinzelt aber werden auch Vorschläge gemacht, wie Lehrpersonen an Hochschulen generative KI einsetzen können, um sich bei der Planung und Konzeption von Lehre unterstützen zu lassen. Denkbar wäre also beispielsweise folgender Fall: Eine Lehrperson soll ein neues Lehrangebot machen und setzt einen Chatbot wie ChatGPT ein, um sich über gezieltes Prompting einen passenden Lehrentwurf generieren zu lassen. Das spart vor allem Zeit, die man besser nutzen könnte, also in der Lehre für Tätigkeiten, die keine Routine sind (z.B. Interaktion mit Studierenden) – so eine gängige Argumentation. Das mag zunächst plausibel klingen. Aber: Ist der Entwurf einer Lehrveranstaltung tatsächlich eine Routinetätigkeit, die man an KI delegieren kann oder sollte?
Inzwischen formt sich bei mir eine Haltung dazu: Ich würde die Frage, wie sie oben formuliert ist, mit Nein beantworten. Meine Begründung für dieses Nein ist: Hochschullehrende heißen so, weil sie an Hochschulen für die Lehre zuständig sind und man von ihnen (zu Recht) erwartet, dass sie das professionell machen und somit auch kompetent dafür sind oder werden. Didaktisches Handeln ist eine komplexe Aufgabe – auch in der Phase der Planung und Konzeption im Vorfeld der Realisierung eines Lehrangebots (siehe dazu z.B. unseren didaktischen Lehrpfad am HUL). Voraussetzung sind fachliche Kenntnisse, didaktisches Wissen und Können sowie eine begründete normative Einstellung. Entwürfe zur Lehre müssen sich in der Umsetzung bewähren oder situativ angepasst werden; beides gelingt nur, wenn man seinen Entwurf kennt und fachlich wie auch normativ dahintersteht. Mit jeder neuen Planungs-, Konzeptions-, Umsetzungs- und Reflexionstätigkeit wächst potenziell die didaktische Kompetenz der Lehrperson. Mit anderen Worten: Die eigene – und vollständige – Lehrpraxis ist, wenn sie denn reflektiert wird, immer auch Bestandteil der Kompetenzentwicklung. Delegiere ich den Lehrentwurf an eine generative KI, fällt dieser Prozess in sich zusammen (siehe zum Phänomen des Deskilling auch hier). Soweit meine Begründung zum Nein.
Gleichzeitig denke ich, dass wir uns natürlich Gedanken dazu machen sollten, wie wir KI dennoch auch für die Planung und Konzeption von Lehre einsetzen könnten. Die Frage ist aber, wie man das so gestalten kann, dass sich der KI-Einsatz nicht einseitig negativ auf den potenziellen Prozess der Entwicklung von Lehrkompetenz auswirkt. Zudem wäre es hilfreich, bei diesen Möglichkeiten die aktuellen Argumente für KI in der Lehrkonzeption zumindest mit zu berücksichtigen: So wird bisweilen ins Feld geführt, dass ein KI generierter Lehrentwurf eine praktikable Lösung sei, wenn die Lehrperson einen solchen nicht selbst erarbeiten könne oder keine Zeit dafür habe. Oder es wird davon ausgegangen, dass manche Lehrende schlechte Lehrangebote machen, sodass es mit KI generierten Lehrentwürfen nur besser werden könne. Für sich genommen sind das aus meiner Sicht keine guten Argumente, aber in den folgenden Überlegungen sind sie am Rande mitgedacht.
Drei Varianten für einen generativen KI-Einsatz in der Planung und Konzeption von Lehre kann ich mir derzeit im Prinzip vorstellen – wenn denn dazu passende KI-Anwendungen verfügbar sind, also KI-Anwendungen, die mit geprüften didaktischen (theoretischen, empirischen, praktischen) Erkenntnissen trainiert sind:
(1) Die Lehrperson hat bereits einen ersten Lehrentwurf (und damit eine Lösung für ihre Problemstellung/Herausforderung), möchte diesen aber mithilfe einer generativen KI verbessern. KI fungiert hier als Feedback-Geber und Coach – als Alternative beispielsweise zu einer kollegialen hochschuldidaktischen Beratung.
(2) Die Lehrperson steht vor einer Problemstellung/Herausforderung, für die sie noch keine Lösung in Form eines Lehrentwurfs hat, und nun mit einer generativen KI lernen will, wie sie einen solchen (auch künftig) erarbeiten kann. KI fungiert hier als Input-Geber und Trainer – als Alternative beispielsweise zu einem hochschuldidaktischen Qualifizierungsworkshop.
(3) Die Lehrperson steht vor einer Problemstellung/Herausforderung, für die sie noch keine Lösung in Form eines Lehrentwurfs hat, braucht aber unmittelbar eine KI-generierte Lösung, während der eigene Lernprozess erst später (zeitversetzt) erfolgen kann. KI fungiert hier als didaktischer Designer und bietet sich nach der Umsetzung als Reflexionspartner an – als Alternative beispielsweise zu einem Co-Teaching mit gemeinsamer reflexiver Aufarbeitung.
Bei allen drei Varianten schließe ich den Fall also aus, dass man als Lehrperson jetzt und künftig die Aufgabe der Erarbeitung eines Lehrentwurfs einfach an generative KI delegiert – in der Annahme, dies sei eine Routinetätigkeit. Man könnte auch sagen: Diese drei Varianten und meine Begründung für ein Nein auf die Frage nach der grundsätzlichen Delegation von Lehrentwurfshandlungen an eine KI sind meine derzeitige hochschuldidaktische These – die ich hiermit gerne zur Diskussion stelle.